Die Crux mit dem Projekt

7. Februar 2019 von Laborjournal

Wer Geld für seine Forschung haben will, muss einen Projektantrag stellen. Sicher, wenn es ein bisschen größer sein soll, heißt das Ganze auch mal „Programm“ oder „Initiative“. Aber woraus setzen sich diese in aller Regel zusammen? Genau, aus lauter Einzel-Projekten! Schon lange ist Forschung auf diese Weise nahezu ausschließlich in Projekten organisiert. Das Projekt ist die Keimzelle einer jeden Forschungsförderung.

Paradox ist das schon. Denn zumindest in der reinen Grundlagenforschung kann nur „projektiert“ werden, was noch unbekannt ist. Andernfalls wäre es keine. Oder anders gesagt: Sonst wäre das Projekt kein Forschungsprojekt. Zugleich muss das Unbekannte aber bekannt genug sein, um ein Forschungsvorhaben überhaupt in Form eines Projektes organisieren zu können. Schließlich lässt sich nur mit einem hinreichenden Maß an Bekanntem vorweg eine klare Forschungsplanung hinsichtlich Zielvorgaben, zeitlichem Ablaufen, finanzieller und personeller Ressourcen et cetera entwerfen. Dummerweise gilt aber ohne solch einen klaren Plan nix als Projekt — und wird auch nicht gefördert.

Es passt also nicht wirklich zusammen: Das Ideal von Forschung als offener, durch reine Neugier gelenkter Prozess einerseits — und die Projektierung von Forschung andererseits. Zumal in der Forschung auch anfängliche Zielvorgaben schnell und flexibel umformuliert werden können müssen, wie auch ein beträchtliches Risiko zu scheitern bewusst eingeschlossen ist.

Für ein Projekt dagegen ist das Vorwegnehmen von offensichtlich Neuem zu Beginn eines Prozesses unvermeidbar. Der Vorstellung von Wissenschaft als Prozess fortlaufender Entdeckungen widerspricht dies jedoch fundamental. In Projekten kann man naturgemäß nicht einfach nur von irgendwelchen Prämissen ausgehen — und dann durch fortlaufende Exploration schauen, was daraus wird. Ebenso wenig, wie sich Änderungen leicht hinnehmen lassen. Wie könnten Projekte sonst auf die ihnen innewohnende Art alle möglichen Unsicherheiten minimieren?

Daher stellen sich zwei Fragen: Wie kann man etwas vorweg bestimmen, das man gerade durch die Forschungstätigkeit entdecken will? Und welche Art Wissenschaft könnte überhaupt projektierbar sein? Letzteres mag funktionieren, wenn man ganz konkrete Fälle analysiert und auf jegliche Form der Generalisierung verzichtet. Forschung, die allerdings genau dieses Ziel verfolgt — nämlich ein generalisierendes Modell oder eine übergeordnete Theorie zu entwerfen —, ist in der Organisationsform „Projekt“ denkbar schlecht aufgehoben.

             Ralf Neumann

 

Wutschrift eines Physikers über die «Forschungskultur» in der Biomedizin

10. September 2018 von Laborjournal

In schöner Regelmäßigkeit erhalten wir von unseren Lesern E-Mails, die man im Englischen als «Rant» bezeichnen würde. „Wutschrift“ oder „Tirade“ würde es im Deutschen wohl am ehesten treffen. Und natürlich sind es meist irgendwelche Zustände im hiesigen Wissenschaftssystem, die den Autoren immer wieder die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Mit dieser allgemeinen Einleitung sollte die Neugier auf ein konkretes Beispiel geweckt sein. Also gut, nehmen wir etwa die folgende Mail, die uns ein Physiker bereits vor einiger Zeit zuschickte und in der er zwar nur kurz, aber heftig über die Verhältnisse in der biomedizinischen Forschung ablederte. Geben wir ihm also selbst das Wort:…

Als Physiker, genauer gesagt als Theoretiker, der eher Einzelkämpfertum gewohnt war, geriet ich vor Jahren vom Hamburger DESY, also der Hochenergiephysik, in die biomedizinische Forschung — und ich kann nur sagen: Ein echter Kulturschock! PI-Kult und Impact-Faktor-Fetischismus ohne Ende. Dazu eine ausgeprägte Projektitis: Jedes Projekt kündigt mindestens die ultimative Erklärung für irgendetwas an, wenn nicht dazu sogar noch Firmenausgründungen, Patente und vieles andere mehr. Völlig logisch daher, dass die Antragsteller auf diese Weise schon im Antrag versprechen, was am Ende rauskommen wird (deliverables) — und in welchen Zeitabschnitten (milestones). Reine Beutegemeinschaften, meist mit einem Haupt-Beutegreifer.

Preprints — in der Physik fest etabliert — scheinen in der Biomedizin als Teufelswerk verschrien. Seit zehn Jahren versuche ich meinen Chef von Preprint-Publikationen zu überzeugen. Doch ich höre immer nur: Beim Publizieren fängt man bei Nature, Science und Co. an. Fast immer wird das Manuskript abgelehnt, und man schreibt es für das nächste Journal um, et cetera — um es schließlich nach einem halben Dutzend Versuchen in einem passenden Journal unterzubringen. Am Ende ist dafür dann mehr Zeit vergangen als für die Forschung selbst.

Was für eine irrsinnige Verschwendung von Zeit und Steuergeldern! Und am Ende muss man sich dann anhören: „Associate-Professor wollen Sie werden? Dafür haben sie aber nicht genügend Paper pro Zeiteinheit geschrieben.“

Schlimmer noch trifft’s die Doktoranden und Postdocs: Die sind eh nur Verbrauchsmaterial — fast schon Sklaven, mit denen man machen kann, was man will. (Kürzlich sagte bei uns etwa ein PI zum Erstautor eines Manuskripts: „Ich habe mit meinem PI-Kumpel beim Mittagessen über das Paper geredet, deshalb muss er mit auf die Autorenliste.“ Und das zielgenau nach der zweiten Revision, als klar war, dass das Paper durchkommt…) Ein Aufstand ist nicht möglich, sonst kann man sich den nächsten Zeitvertrag abschminken — nur um dann nach 15 Jahren doch auf der Strasse zu landen.

Programme, die mit viel Geld und Zeit gestartet wurden, verrotten vor solchem Hintergrund mannigfach auf irgendwelchen Servern — weil irgendwann keiner mehr da ist, um sie zu pflegen und weiterzuentwickeln. Wieder viel Steuergeld für die Katz‘! Kontinuierlicher Aufbau von Wissen und Knowhow findet so kaum statt — auch weil es ja keinen akademischen Mittelbau mehr gibt, der ihn weiter tragen könnte. Dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz sei dank!

So wird man die großen Fragen sicher nicht lösen. Sei es die nach der Entwicklung eines ganzen Lebewesens aus nur einer befruchteten Eizelle, oder die, warum wir altern und sterben, oder warum es überhaupt Leben auf der Erde gibt…

Irgendwelche Einsprüche? Bestätigungen? Relativierungen? Oder gleich noch einen «Rant» hinterher? …

Nehmen wir gerne! Als Kommentar hier unten oder via E-Mail an redaktion@laborjournal.de.

Illustr.: DeviantArt / baleshadow

 

Nur nicht zu viel riskieren

4. Mai 2018 von Laborjournal

Damit die Karriere nicht stockt, brauchen Postdocs und End-Doktoranden zwingend Paper. Und für Paper brauchen sie Ergebnisse.

Sichere Ergebnisse liefern jedoch in aller Regel nur risikoarme Projekte. Risikoarm insofern, als dass gewisse Vorarbeiten schon gezeigt haben, dass das Projekt solide ist und die nächsten Ergebnisse nur darauf warten, hinter der nächsten Ecke abgeholt zu werden.

Ob das dann noch aufregende Ergebnisse sind, ist eine andere Frage. Denn die erhält man in aller Regel, wenn man eben nicht nur hinter die nächste Ecke schaut — sondern sich eher auf Reisen weit über den Horizont hinaus begibt. Was einen dort genau erwartet, weiß man nicht und ist demnach hochgradig unsicher — schließlich ist es ja gerade das Unbekannte, das man erforschen will. Logisch daher, dass das Risiko, am Ende mit leeren Händen dazustehen, nicht gerade klein ist.

Die erwähnten Postdocs und End-Doktoranden können es meist kaum eingehen. Doch wer testet dann wirklich neue Ideen mit entsprechend hohem Fehlschlag-Risiko? Wem ist nicht gleich die Karriere versaut, wenn die Projektidee letztlich in einen „Satz mit X“ mündet? Wer braucht (noch) nicht die ganz runde Story?

Richtig, die „Anfänger“ — Bachelor/Master-Studenten und vielleicht mancher Doktoranden-Frischling.

Ob das aber der Sache gerecht wird? Denn nach welchem Schema das Neue-Ideen-Testen dann ablaufen kann, erzählte uns ein Gruppenleiter vor einiger Zeit an folgendem, selbst erlebten Beispiel…

Demnach erhielt Bachelor A im vierten Anlauf endlich ein halbwegs aussagekräftiges Basisergebnis; die nächsten zwei Mal scheiterte er wieder — danach verließ er das Labor. Später berichtete Master B, er habe zwei von sechs Mal ein positives Ergebnis erhalten und schrieb das auch in seiner Arbeit. Allerdings fiel den Kollegen daraufhin ein, dass niemand ihn derart oft an den Geräten gesehen hatte. Von der Gewissheit, ob die Idee was taugt und ein „richtiges“ Projekt mit vernünftigem Ergebnispotenzial tragen könnte, war man also weiterhin weit entfernt.

In den Händen des etwas erfahreneren Doktoranden C lieferte das vermeintliche Kernexperiment sofort ein positives Ergebnis. Allerdings konnte er es danach mehrere Male nicht wieder bestätigen — bis ihm Kollegin D beichtete, dass sie vor Wochen das empfindliche Schlüssel-Reagenz Z tagelang aufgetaut auf ihrer Laborbank vergessen hatte. Mit frischem Reagenz Z reproduzierte C sein Startergebnis zwar sofort wieder; allerdings verließ er das Labor zwei Wochen später überraschend zugunsten eines Bioinformatik-Jobs in der Industrie, ohne dass er die Ergebnisse je abschließend aufgeschrieben hatte.

Dennoch hielt der Chef den Basisbefund jetzt von A bis C für ausreichend solide belegt — und übergab „das Projekt“ einem neuen Postdoc. Ein knappes Jahr kam er wegen ungeahnter Schwierigkeiten mehr schlecht als recht voran — bis er schließlich befürchten musste, auf dem „Projekt“ nicht rechtzeitig die notwendigen Veröffentlichungen für den nächsten Antrag zusammenzubekommen. Also schmiss er es hin und wechselte aus „Karrieregründen“ doch wieder auf ein sicheres „Just around the Corner“-Projekt.

Nur ein Beispiel, wie schwer das derzeitige System das robuste Testen von wirklich neuen Ideen macht. Es gibt sicher noch mehr.

(Illustr.: Fotolia / pict rider)

Gutes Netzwerk, schechtes Netzwerk

1. August 2017 von Laborjournal

In unserem aktuellen Sommer-Essayheft preist Ulrike Kaltenhauser, Geschäftsführerin mehrerer bayrischer Forschungsnetzwerke, die Vorzüge von… – ja klar, Forschungsnetzwerken.

So schreibt sie etwa:

Im Freistaat Bayern setzt man schon seit vielen Jahren gezielt auf die Erfahrung, dass sich das Bündeln der wissenschaftlichen Kapazitäten in Form von Netzwerken in jedem Fall auszahlt. […] Schnell stellte sich heraus, dass solche Netzwerkprojekte effizienter und mit einer deutlich höheren Ausbeute die angestrebten Ziele erreichen und sogar darüber hinaus Mehrwert erzeugen. Inzwischen sind die Forschungsverbünde aus der bayerischen Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken.

Oder an anderer Stelle:

Verbundforschung bildet eine der besten Grundlagen für Innovationen und Wertschöpfung und damit auch für wissenschaftlichen Erfolg.

Erst ganz am Ende mischen sich auch andere Töne in die Euphorie:

[…] Dennoch traue ich mir nicht wirklich zu, die Frage zu beantworten, ob Netzwerke tatsächlich das Leben vereinfachen, da gerade die Zusammenarbeit von ambitionierten Menschen nie einfach ist. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass die Kooperation mit anderen Projektpartnern für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt und sich in den meisten Fällen positiv auf die Karriere der einzelnen Akteure auswirkt. Die aktive Zusammenarbeit mit regen Geistern beflügelt den wissenschaftlichen Fortschritt. Es ist nicht immer einfach, aber in den meisten Fällen ein echter Mehrwert, Teil eines lebendigen Netzwerks zu sein.

So bekommt man am Ende doch eine klitzekleine Ahnung davon, dass Netzwerke, Konsortien und Verbünde oftmals auch kritischer gesehen werden — insbesondere vonseiten der Wissenschaftler. Deren Hauptvorwurf: Allzu leicht würden durch das „Einpferchen“ in Netzwerke und Verbünde Zwänge erzeugt, die das unabhängige Denken und die Kreativität der einzelnen Akteure letztlich eher einschränken.

Ein schönes Beispiel dafür lieferte vor einigen Jahren die Episode „Caught in the Net“ der Observations of The Owl in unserer englischsprachigen Schwesterzeitschrift Lab Times. Hier kostete der „Zwang zum Netzwerken“ einen Wissenschaftler förmlich die Karriere — wie The Owl am Ende (auf englisch) folgendermaßen beschrieb:

My friend was an excellent researcher. He wasn‘t even a true, teamwork-phobic loner. However, he was one of those scientists who function most brilliantly when allowed to think and work completely on their own. He certainly wasn’t a networker. So it was sad to see how his research began to splutter from that “network episode” on. He finally ended up at a small technical college.

So much for the synergy that research networks create.

Zwei diametral entgegengesetzte Positionen also: Forschungsnetzwerke wirken sich positiv auf die Karrieren der einzelnen Akteure aus — oder eben gerade nicht.

Was stimmt jetzt? Und für wen? Oder vielleicht differenzierter: Wann wirken sie sich positiv aus — und wann nicht?

Viel Stoff zum Kommentieren und Diskutieren. Wer fängt an?

Ralf Neumann

(Illustr.: „Flying Lesson“ von Robert und Shana ParkeHarrison)

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Als Doktorand gescheitert, aber superkompetent!

7. April 2017 von Laborjournal

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Neulich in der Redaktion:…

K: „Du, ich hab‘ gerade erst dein Online-Editorial von vor drei Wochen gelesen. Das über das Scheitern von Doktoranden.“

N: „Ja, und?“

K: „Du weißt schon — das über den Typen, der sich ewig lang die Zähne an einer Proteinreinigung ausgebissen hat.“

N: „Ja, ja — schon klar. Aber was willst du mir sagen? Ist irgendwas falsch?“

K: „Nein, darum geht es nicht. Aber der arme Kerl hat doch nach allen Regeln der Kunst jede verfügbare Methode genutzt, hat sich sogar völlig neue Kniffe ausgedacht, um die Nuss zu knacken.“

N: „Genau, so steht’s in dem Artikel. Nur hat ihm das nix genutzt. Er hat die Nuss nicht geknackt, weil es mit dem gesamten Methodenarsenal zu dieser Zeit einfach nicht ging. War eben auch ein riskantes Projekt.“

K: „…Also hat er eines Tages frustriert die Doktorarbeit hingeschmissen und der Forschung komplett den Rücken gekehrt.“

N: „Ja, war ein echter Fall. Ist wirklich passiert. Und abgesehen davon wahrscheinlich weit öfter als nur einmal.

K: „Sicher. Aber jetzt überleg‘ doch mal weiter. Der Typ muss doch im Laufe dieser Jahre zu einem wahren Experten im Proteinaufreinigen geworden sein. Und damit regelrecht prädestiniert für höhere Aufgaben — für die ganz harten Knacknüsse, für die echt heftigen Projekte! Viele seiner „erfolgreichen“ Doktoranden-Kollegen kochen dagegen irgendwas mit einer 08/15-Methode, mit der auf jeden Fall was rauskommt — et voilà: Gratuliere, akademischer Grad!“

N: „Tja, genau den hat unser Verlierer aber leider nicht.“

K: „Dennoch: Sagen wir mal, ich wäre Chef einer kleinen Biotech-Firma, oder so etwas. Wenn Du mich fragst, wen ich als Mitarbeiter einstellen würde — einen „Stur-nach-einer-Methode-Kocher“ mit Doktortitel oder diesen „gescheiterten“ Pechvogel, der alles Mögliche probiert hat —, meine Antwort wäre ja sowas von klar…“

N: „Hm, da ist sicher was dran. Mal abgesehen davon, dass unser Pechvogel trotz fehlender Resultate echtes wissenschaftliches Arbeiten am Ende viel tiefer erfahren und gelernt haben dürfte als seine Kollegen, die mit einem „Die-Methode-bringt-mich-sicher-um-die-nächste-Ecke“-Projekt allzu glatt durchflutschen.“

K: „Eben… Was hat der gescheiterte Doktorand danach eigentlich gemacht? Weißt du das?“

N: „Der hat es dann noch geschafft, Lehrer zu werden.“

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Heikle Geldfragen

26. Juli 2016 von Laborjournal

Money makes research go ’round. Der frischgebackene Diplomand merkt das erstmals, wenn er voller Elan die nötigen Vektorkonstrukte für sein Projekt zusammenbastelt. Nach Klonierungsansatz und eifrigem Studium der entscheidenden Sequenzabschnitte wählt er für den analytischen Verdau — völlig klar — das Restriktionsenzym FatI. Erwartungsvoll präsentiert er den Plan seinem Prof — und der schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „FatI, ja klar! In der Tat das fetteste Enzym von allen. 250mal teurer als EcoRI. Und das, nur um ein Plasmid zu überprüfen? Nee, das geht ganz sicher auch mit viel billigeren Enzymen.“

budgmoney

Woher sollte der arme Diplomand das wissen? Denn auch in der Forschung gilt die weitverbreitete Etikette: Über Geld spricht man nicht! Selbst Postdocs haben meist keine Ahnung, was ihr eigenes Projekt kostet. Geschweige denn, wieviel Geld das gesamte Labor zur Verfügung hat und wie es budgetiert ist. Dabei müssten genau diese Dinge — Budgetierung und Grant Management — eigentlich zwingender Bestandteil des Postdoc-Trainings sein. Schließlich müssen diese in der Regel bald selbst die vollen Kosten für geplante Projekte zuverlässig kalkulieren und daraufhin die passenden Anträge stellen können.

Der Laborleiter, der einmal im Jahr mit seinen Leuten eine komplette „Haushaltssitzung“ macht, ist jedoch die rühmliche Ausnahme. Die Realität spiegelt sich eher in der folgenden Forums-Frage eines Postdocs:

Kann ich meinen Chef einfach ansprechen, nach dem Motto: „Ich würde gerne mehr über Labor-Budgetierung und -Management lernen, um besser auf meine akademische Zukunft vorbereitet zu sein. Kannst Du mir daher mal das Jahresbudget für unser Labor grob erklären und aufschlüsseln, wie es sich auf die einzelnen Posten verteilt?“ Wäre das womöglich genauso unverschämt, wie ihn nach seinem Gehalt zu fragen? Oder so heikel, wie sich nach seiner letzten Zahnbehandlung zu erkundigen?“

Nein, es ist weder unverschämt noch heikel — es ist absolut angemessen. Allerdings kann es einem dann auch ergehen wie Postdoc Müller, dem sein Chef auf Nachfrage nach anfänglichem Zögern das Finanzmanagement der Gruppe umfassend erklärte — … und der seitdem die komplette Buchhaltung des Labors am eigenen Hals hat.

Foto: Fotolia / Andrey Popov

Es gibt zwei Typen von Forschern auf der Welt…

7. Januar 2016 von Laborjournal

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…:

(Via themetapicture.com)

(… und offenbar müssen beide nicht steril arbeiten…)

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Tja — und dann gibt es noch diejenigen, die ganz offensichtlich an langweiligen Projekten arbeiten:

(Via @LaboratoryEQAS) 

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Wie toll ist eigentlich Crowdfunding?

2. Dezember 2015 von Laborjournal

Im Februar 2013 schrieben wir in Laborjournal erstmals ausführlich über Crowdfunding als Alternative zur klassischen Antrags-basierten Forschungsförderung (LJ 1-2/3013: 20-23). Auf eigens dafür eingerichteten Plattformen, wie hierzulande etwa Sciencestarter, können Forscher ihre Projekte öffentlich vorstellen und anpreisen — und dann hoffen, dass innerhalb eines festgelegten Zeitraums genügend Interessierte in ihr Portemonnaie greifen und einen Betrag ihrer Wahl für die Durchführung des Projektes spenden. Im Prinzip also ähnlich, wie wenn eine Rockband bei ihrer Fan-„Crowd“ Geld einsammelt, um die nächste CD ohne Plattenfirma-Vertrag selbstständig produzieren zu können.

Damals hieß es in dem Artikel:

Bislang sind es meist kleinere Summen, die im wissenschaftlichen Crowdfunding erreicht werden. Für ein 100.000 Euro-Projekt ist es also nach wie vor sinnvoll, sich an die DFG zu wenden. Doch Ranganathan ist zuversichtlich, dass Crowdfunding auch unter Wissenschaftlern innerhalb der nächsten paar Jahre an Bedeutung zulegen wird […]

Titelthema unserer aktuellen Lab Times-Ausgabe ist nun der Einzug dieses Crowdfunding-Gedankens auch in die (Anschub-)Finanzierung von Biotech-Startups — als Alternative zur herkömmlichen Risikokapitalisierung durch private und öffentliche Geldgeber (LT 6-2015: 42-45). Immerhin konnte auf diese Weise so manche Jungfirma zuletzt mehr als eine Million Euro einsammeln, darunter etwa auch Riboxx Pharmaceuticals aus Radebeul.

Ist Crowdfunding also endgültig salonfähig geworden als Finanzierungsmodell für Forschung und Entwicklung? Zumindest einer unserer Leser fände das schrecklich. In einer E-Mail schrieb er uns:

Ich muss zum Thema Science Crowdfunding einfach etwas loswerden. Irgendwie sind wir damit jetzt endgültig an einem Punkt angekommen, an dem Wissenschaft und Forschung im Facebook-Stil betrieben werden: Daumen hoch, Daumen runter. Die tumbe Masse entscheidet.

Crowdfunding wird verkauft als mögliche Antwort auf die zunehmenden Einschnitte in der öffentlichen Forschungsförderung. Ist das so? Man hört immer nur von den wenigen, die es „geschafft“ haben und Geld von der Masse bekommen — wodurch im gleichen Atemzug all die anderen Projekte und ihre möglichen Erkenntnisse zu Abfall degradiert werden. Das ist im Stil doch wie bei den Gladiatorenkämpfen des alten Roms: Einer johlenden, abgestumpften, ungebildeten und kleinkarierten Masse wird das Sagen übergeben — und die hat keinerlei Bedenken, jemanden umzubringen. Einfach nur widerlich!

Zugegeben, eine extreme Ansicht — dazu extrem formuliert. Aber steckt nicht vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit darin? Meinungen und Erfahrungen dazu, bitte!

Aus der Uni weg-geregelt

30. September 2015 von Laborjournal

Letzte Woche traf ich einen Biotech-Unternehmer. Eher privat und „off the record“. Dennoch kamen wir im Gespräch irgendwann auf die Gründung seiner Firma, damals vor fast 15 Jahren. Und plötzlich sagte er:

„Weißt du, die Uni hat es mir damals sehr leicht gemacht, die akademische Forschung zu verlassen.“

„Wie das?“, fragte ich schon fast aus Reflex. Solche Aussagen müssen einen Laborjournal-Redakteur natürlich interessieren — auch wenn er eigentlich nicht im Dienst ist.

„Na ja“, fuhr er fort. „Über zehn Jahre hatte ich damals an der Medizinischen Fakultät in ‚meinem’ Institut geforscht und gelehrt — die letzten davon als unabhängiger Leiter einer Nachwuchsgruppe. Und ich war beileibe nicht unerfolgreich, bekam Preise und warb ordentlich Drittmittel ein. Eines Tages jedoch wurde der Ordinarius meines Instituts emeritiert, und ich selbst sollte im Zuge von Umstrukturierungen zunächst mal offiziell als Gast an die Chemische Fakultät wechseln.“

Ich musste zugeben, dass ich so etwas vorher noch nie gehört hatte.

„Ja, ich auch nicht“, fuhr mein Gesprächspartner fort. „Aber damals dachte ich: Was soll´s? Ob Medizin oder Chemie drübersteht, ist doch egal. Hauptsache, ich kann mit meinen Leuten die ganzen Projekte weiter machen… Oh, mein Gott, wie naiv ich damals war.“

„Warum, was passierte dann?“

„Meine Leute waren allesamt über DFG-Gelder eingestellt. Und das wiederum hieß, sie verblieben de jure an der Medizinischen Fakultät. Fortan verfügte formell also der Emeritus über sie, zumindest solange der Lehrstuhl nicht neu besetzt war. Und der sah plötzlich die unverhoffte Chance, mit ihnen doch noch ein paar eigene Dinge fertig zu bekommen.“

„Ach, du Sch…“

„Du sagst es. Ich verstand die Forscherwelt nicht mehr. Schließlich wandte ich mich an die Chefjuristin der Universität. Doch auch sie stellte klar, dass nach den Vorgaben des Hochschullehrergesetzes immer der Leiter der Einrichtung der Vorgesetzte der dort beschäftigten Angestellten sei. Folglich habe ich als wissenschaftlicher Angestellter auch keinerlei Weisungsberechtigung. Zudem sei ich ja nur Gast der Chemischen Fakultät, eine Zuordnungsentscheidung für die übrigen Mitarbeiter könne daher nur der entsprechende Professor in Abstimmung mit dem Dekan treffen. Es gehe ja schließlich immerhin um die Ressourcen einer Fakultät, schloss sie unser Gespräch.“

„Puh. Voll in die Sackgasse gefahren…“

„Ja. Aber der Ärger währte nur kurz. Ich war ja schon dabei, die Firma zu gründen. Ich beendete also kurzum meine laufenden Projekte und kehrte der Uni zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Rücken.“

„Hast du später mal bereut, dass es so gekommen ist?“, fragte ich.

„Nein, das mit der Firma hat von Anfang an Spaß gemacht. Vor allem, weil ich hier mein eigener Herr war und ich mich nicht um solche verwaltungsjuristischen Vorgaben scheren musste… Ach ja, und jetzt erinnere ich mich wieder…: Der Juristin schrieb ich damals nach meinem Abgang extra noch eine Mail, wie glücklich ich jetzt sei, dass ich mich aus diesem universitären Frust und Quatsch verabschieden konnte.“

Dem war dann an diesem Abend nichts mehr hinzuzufügen.

Wie Kooperationen entzweien können

19. November 2013 von Laborjournal

Gestern hatte ein nicht ganz unbekannter Forscher in der Redaktion angerufen — nennen wir ihn „Schmidt“. Eigentlich hatte Schmidt nur ein relativ kleines Anliegen, aber wie solche Gespräche manchmal laufen — man geriet ein wenig ins Plaudern.

Im Rahmen dieser Plauderei erzählte uns Forscher Schmidt schließlich von einem Manuskript, das er fertig im Rechner habe — aber nicht abschicken könne, weil Kooperationspartner „Schneider“ plötzlich quergetrieben habe. Dieser sei mit der Darstellung, vor allem aber mit Schmidts Interpretation der Daten samt Schlussfolgerung nicht einverstanden. Schneiders Interpretation und Schlussfolgerung konnte sich hingegen wiederum Schmidt nicht anschließen. So standen sich Schmidt und Schneider unversöhnlich gegenüber und es kam zum Streit. Diesen Beitrag weiterlesen »