Lohnen sich Zitierkartelle?

27. März 2024 von Laborjournal

 

Neben Politik und Wirtschaft ist sicherlich die Wissenschaft das dritte große Seilschaften-Dorado.

…, so stand es unlängst in einem Essay zu lesen.

Da ist sicher was dran. Denn wo man hinsichtlich Begutachtungen, Berufungen, Fördermitteln, Evaluationen, Zitierungen et cetera derart von „Peers“ abhängig ist, da wird man wohl förmlich gedrängt zu Cliquenbildung, Gschaftlhuberei, Günstlingswirtschaft, … Und eine Ausprägung davon sind bisweilen Zitierkartelle.

Nehmen wir zunächst den aufrichtigen Wissenschaftler. Wenn er seine Resultate veröffentlicht, sieht er es als seine ehrenhafte Pflicht an, sämtliche relevanten Vorarbeiten zu zitieren. Auch solche von Personen, mit deren Inhalten er ansonsten nicht übereinstimmt – schließlich werden womöglich gerade dadurch fruchtbare Diskussionen befördert. Ordnungsgemäßes und gründliches Zitieren ist für ihn somit ein klares Qualitätsmerkmal seiner Forschungs­tätigkeit.

Doch so denken bei weitem nicht alle. Für andere sind Zitate vielmehr ein schnödes Mittel, das gewinnbringend für die eigene Karriere genutzt werden kann. Von daher zitieren sie ausschließlich die Arbeiten ihrer Freunde und Kollegen, die im Gegenzug wiederum sie selbst zitieren. Auf diese Weise entstehen Gruppen gleichgesinnter Kollegen, in denen jeder jeweils die Karrieren der anderen fördert – Zitierkartelle eben.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Digitaler Paper-Schwund

20. März 2024 von Laborjournal

 

„Open is not forever: A study of vanished open access journals“ titelte vor gut zwei Jahren ein finnisch-deutsches Trio seine Studie über das Verschwinden digital publizierter Forschungsartikel aus dem Internet (J. Assoc. Inf. Sci. Technol. 72, 1115-16). Der Übergang zum digitalen Publizieren und insbesondere die Einführung des offenen Zugangs (Open Access) habe zu Unsicherheit und Komplexität geführt, schreiben sie im Abstract. Insbesondere sei die langfristige Zugänglichkeit von Zeitschriften nicht immer gewährleistet, sodass sie bisweilen sogar ganz aus dem Netz verschwinden können.

Als Ergebnis ihrer Analyse hielten die Drei schließlich fest:

Wir haben 174 Open-Access-Zeitschriften gefunden, die mangels umfassender und offener Archive zwischen 2000 und 2019 aus dem Netz verschwunden sind. Alle wichtigen Forschungsdisziplinen und geografischen Regionen der Welt waren abgedeckt. Unsere Ergebnisse geben daher Anlass zu großer Sorge um die Integrität der wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Sie unterstreichen die Dringlichkeit, gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen, um einen kontinuierlichen Zugang zu gewährleisten und den Verlust von mehr wissenschaftlichem Wissen zu verhindern.

Offenbar sahen die Autoren damals jedoch nur die berühmte Spitze des Eisbergs. Denn was der Londoner Martin Paul Eve jetzt unter dem Titel “Digital Scholarly Journals Are Poorly Preserved: A Study of 7 Million Articles” zum Thema nachlegt, dürfte die geäußerten Sorgen nochmals vergrößern (Journal of Librarianship and Scholarly Communication 12(1). doi: https://doi.org/10.31274/jlsc.16288). Eve hatte überprüft, ob 7.438.037 mit digitalen Objektkennungen (DOI) versehene Forschungsartikel in den einschlägigen Online-Archiven vorhanden sind (institutionelle Repositorien waren nicht berücksichtigt). Sage und schreibe 2.056.492 Artikel waren trotz aktiver DOI darin nicht mehr auffindbar – also rund 28 Prozent.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Die gute alte Zeit im Labor

13. März 2024 von Laborjournal

Je älter unser Forscher Ernst wird, desto mehr trauert er auf ganz eigene Weise den guten, alten Zeiten nach. „Früher war alles besser im Labor“ kann man daraus allerdings nicht unbedingt schließen …

 

(Gezeichnet von Rafael Florés. Über 200 weitere Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

Verdauungs-Fantasien

6. März 2024 von Laborjournal

Ihr Opfer war so gut wie tot, das stand außer Frage. Noch krabbelte es auf zittrigen Beinen am Rand des leuchtend roten Fangeisens entlang, noch tastete es mit seinen Fühlern nach dem süßlichen, fauligen, verführerischen Duft ihrer Nektardrüsen. Doch nur wenige Millimeter weiter, und es würde mehrere ihrer Sinneshärchen berühren und die gespannten Tellereisen ihrer Fangblätter binnen 100 Millisekunden zuschnappen lassen. Widerstand war zwecklos.

Natürlich könnte sich Dionaea muscipula, die Venusfliegenfalle, von Sonnenlicht, Kohlendioxid, Wasser und Mineralien des Bodens ernähren. Doch jeden Morgen wacht sie auf und entscheidet sich aufs Neue für etwas anderes: Gewalt!

Warum? Weil sie an ihrem nährstoffarmen Standort einfach nicht auf die Stickstoff-Leckerli verzichten kann, die auf ihr herumkrabbeln.

Hat sie einen Arthropoden in einem ihrer Fangblätter eingeschlossen, bewerten Chemorezeptoren dessen Verwertbarkeit. Erachtet sie ihr Opfer als schmackhaft, versiegelt sie das klebrige Grab vollständig. Selbst Flüssigkeit kann dann nicht mehr austreten. Kleine Drüsen sondern nun ein Verdauungssekret ab, dessen Amylasen, Esterasen, Phosphatasen, Proteasen, Ribonukleasen und in geringen Mengen auch Chitinasen den gefangenen Gliederfüßer bis auf Molekülebene zersetzen. Nach zehn Tagen ist das Festmahl vorbei. Nur unverdauliche Reste wie Beine und Chitinpanzer bleiben übrig und fallen zu Boden, sobald sich die Fangblätter erneut öffnen und aufrichten. Das Massengrab zu Füßen der Venusfliegenfalle wächst.  Diesen Beitrag weiterlesen »