Gut, wenn jemand genauer nachschaut

8. Februar 2023 von Laborjournal

Vor etwa zehn Jahren konnte man in dem Essay eines Forschers [Name und Referenz leider entfallen] sinngemäß folgenden Vorwurf lesen:

„Immer ausgefuchster und kraftvoller werden unsere Methoden, aber was machen wir daraus? Gerade unsere wissenschaftlichen Edelblätter sind voll von Studien, die mit immer umfassenderen Analysen und schöneren Bildchen am Ende doch nur bereits Bekanntes zeigen. Weil es jetzt eben geht. Zugegeben, die Resultate schauen damit oftmals deutlich eindrucksvoller aus. Aber wirklich neue Erkenntnisse liefert die neue Methoden-Power auf diese Weise nicht.“

Da ist sicher was dran. Aber genauso sicher ist es nur die halbe Wahrheit. Oft genug enthüllt der „größere Blick“ auf Altbekanntes mit nunmehr besseren Werkzeugen tatsächlich bislang Verborgenes – das vielleicht nicht immer gleich neue Erkenntnisse liefert, aber zumindest den Weg zu neuen Fragen eröffnet.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund das folgende Zitat aus einer Pressemeldung der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, an:

„Aus jahrzehntelanger Forschung zur Proteinfaltung wissen wir eine Menge über eine kleine Anzahl sehr einfacher Proteine, eben weil diese für die Experimente der Biophysiker am besten geeignet waren. Jetzt haben wir all diese wirklich erstaunlichen Technologien, um Zehntausende von Proteinen in einer Probe zu analysieren, aber bislang wurden sie nicht eingesetzt, um Proteinfaltung wirklich umfassend zu untersuchen.“

Warum nicht? Weil man dachte, über die Mechanismen der Proteinfaltung sei alles bekannt? Weil man eben nicht einfach nur umfassendere Daten und schönere Bilder ohne echten Erkenntniszugewinn liefern wollte?

Zum Glück haben Johns-Hopkins-Biochemiker um Stephen Fried, der Obiges sagte, es trotzdem gemacht.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Mit Hilfe zur Hypothese

7. Oktober 2020 von Laborjournal

Albert Einstein sagte einmal: „Prinzipiell ist es falsch, wenn man versucht, eine Theorie allein auf beobachtbaren Quantitäten zu begründen. In Wirklichkeit geschieht das Gegenteil: Es ist die Theorie, die festlegt, was wir beobachten können.“

Sicherlich haben Sprüche wie diese mit dazu beigetragen, dass die reine Beschreibung von Beobachtungen — sofern sie keine Funktionsmechanismen oder Hypothesen mitliefern — gerne geringschätzig als „deskriptive Forschung“ abgekanzelt wird. Wie oft wurden (und werden) Anträge oder Artikel mit genau diesem Argument abgelehnt. Als ob deskriptive Forschung lediglich Forschung zweiter Klasse sei…

Was aber, wenn man etwas gar nicht beobachten kann? Wenn uns keinerlei Hilfsmittel den Blick auf das System erschließen? Wenn also in Umformung von Einsteins Zitat ganz trivial gilt: „Es sind die Methoden, die festlegen, was wir beobachten können.“

Einfaches Beispiel: Zunächst machte das Mikroskop Zellen überhaupt sichtbar — erst viele, viele Beobachtungen später formulierten Schleiden und Schwann die Zelltheorie. Mit der puren Beschreibung von Zellen gingen Hypothesen- und Theorienbildung folglich erst richtig los — und von da an gingen Beobachtung und Theorie unmittelbar Hand in Hand. Als zwei Seiten derselben Medaille quasi. Diesen Beitrag weiterlesen »

Welche Forschung ist exzellent?

19. Juli 2018 von Laborjournal

Gehen wir die Frage mal mit einem Gedankenexperiment an: Stellen Sie sich vor, Sie begutachten Forschungsanträge für einen großen europäischen Forschungsförderer. Und nehmen wir an, dieser Förderer hätte als Leitlinie ausgegeben, dass einzig „wissenschaftliche Exzellenz“ als Kriterium für die Entscheidungen gelte. Das Anwendungspotenzial der Projekte sei unerheblich, es gebe keinerlei thematische Prioritäten und auch der Grad an Interdisziplinarität spiele keine Rolle. Nur die pure „Exzellenz“!

Okay, verstanden! Sie nehmen sich also die Anträge vor. Der erste formuliert eine brillante neue Hypothese zu einem Phänomen, für das die „alte“ Erklärung erst kürzlich spektakulär in sich zusammengefallen war.

Der nächste dagegen visiert eine „ältere“, ungemein attraktive Hypo­these an, die sich bislang aber jedem rigorosen experimentellen Test entzog — und genau diese quälende Lücke wollen die Antragsteller jetzt auf höchst originelle und einleuchtende Weise füllen.

Der dritte präsentiert einen klaren Plan, wie sich gewisse neue Erkenntnisse für eine völlig neue Methode rekrutieren ließen — eine Methode, die, wenn sie dann funktionierte, ganze Batterien neuer Experimente zu bislang „verschlossenen“ Fragen ermöglichen würde.

Der vierte kombiniert verschiedene vorhandene Tools und Ressourcen auf derart geschickte Weise, dass die Antragsteller damit in der Lage sein würden, riesige Datenmassen zu erheben, zu ordnen und zu analysieren — ein „Service“, mit dem das gesamte Feld zweifellos einen Riesensprung machen würde.

Der fünfte schließlich will auf überzeugende Weise sämtliche zu einem bestimmten Kontext publizierten Daten re- und meta-analysieren, um dann mit dem Paket ein möglichst robustes Simulationsprogramm zu entwickeln — ein Programm, das sicher mannigfach die Entwicklung neuer Hypothesen ermöglichen würde…

Jetzt halten Sie erstmal inne. „Mir war bisher nicht bewusst, auf welche verschiedene Arten Wissenschaft exzellent sein kann“, denken Sie. „Genauso wie exzellente Äpfel, Birnen und Orangen alle exzellentes Obst darstellen. Und die soll man ja bekanntlich nicht miteinander vergleichen.“

Ralf Neumann

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Print Your Own Microscope

15. April 2016 von Carsten T. Rees

parts of the Bowman microscopeLooking for a high performance microscope that’s small enough to slip under a fume hood or inside a biosafety cabinet? One so cheap to produce that it’s practically disposable? 3D printing can provide the answer. Richard Bowman’s research group at the NanoPhotonics Centre in Cambridge, UK, purchased their first 3D printer around three years ago. Read more and get your own resource code and assembly instructions from the Bowman’s group from this Lab Times article by Laura Jane Brooks.

Paper zurückgezogen — und wen soll ich jetzt zitieren?

11. Dezember 2015 von Laborjournal

Schon seit einiger Zeit muss der Zürcher Pflanzenforscher Olivier Voinnet ein Paper nach dem anderen wegen inkorrekter Abbildungen zurückziehen oder zumindest großflächig korrigieren. Zwischenstand sind momentan zwölf „Corrections“ und sieben „Retractions“.

Dennoch sticht die letzte Retraction heraus. Mitte November zog The Plant Journal den Artikel „An enhanced transient expression system in plants based on suppression of gene silencing by the p19 protein of tomato bushy stunt virus“ in Übereinkunft mit den Autoren Olivier Voinnet, Susana Rivas, Pere Mestre und David Baulcombe vollends zurück, nachdem sie ihn bereits im Juni erstmals korrigiert hatten. Das jedoch ist nicht wirklich der Punkt. Viel erstaunlicher ist die Tatsache, dass der Artikel bis dahin bereits über 900-mal zitiert worden war.

Was heißt das?

Der Artikel beschreibt erstmals eine neue und einfache Methode zur effektiven Steigerung der transienten Expression von eingebrachten Fremdgenen in Pflanzen. Basis dafür ist die Ko-Transfektion mit dem Gen für das Virusprotein P19, welches allgemein das posttranslationale Gene Silencing in Pflanzenzellen hemmt. Das P19-System steigert also die Expression des Fremdgens, indem es die natürliche Expressionsbremse der Pflanzenzelle blockiert.

Über 900 Zitierungen, wie gesagt. Die muss es doch großteils dafür gegeben haben, dass trotz der unzulässig manipulierten Abbildungen die Methode funktioniert. Und tatsächlich twitterte Sophien Kamoun, Laborleiter am Sainsbury Lab in Norwich/UK:

Das scheint also tatsächlich nicht die Frage. Allerdings ergibt sich daraus ein ganz anderes Problem, das Dmitri Nusinow vom Donald Danforth Plant Science Center in Creve Coer, Missouri/USA, via Twitter folgendermaßen ausdrückt:

 

Berechtigte Frage — denn schließlich gilt ein zurückgezogenes Paper per definitionem als augenblicklich aus dem Scientific Record gelöscht. Wen sollen die zahlreichen P19-Anwender also künftig zitieren? Die Erstbeschreibung der Methode gilt — aus guten Gründen! — als gelöscht. Woanders steht sie offensichtlich nicht in ausreichendem Detail beschrieben, da alle nachfolgenden Anwender — zu Recht — auf die Erstbeschreibung verwiesen.

Soll man sich jetzt also darauf einigen, stattdessen einen der ersten Anwender zu zitieren? Wohl kaum — denn zum einen stünde die Methode dort auch nicht vollständig drin, und zum anderen bekäme der betreffende Artikel auf diese Art sicher viel mehr Zitierungen als er tatsächlich verdient. Oder erklärt man die Methode einfach zum allgemeinen Wissen, das man nicht mehr zu zitieren braucht — und muss wegen der Details trotzdem weiter in das zurückgezogene Paper schielen, weil sie ja nirgendwo sonst aufgeschrieben stehen.

Eigentlich müsste jemand die Methode nochmals „neu“ mit allen Details veröffentlichen — vielleicht ja sogar noch mit einigen neuen. Das wäre dann zwar ordnungsgemäß zitierbar, aber wie oben schon gesagt: Ordnungsgemäß verdiente Zitierungen wären das nicht.

Hmm — hat vielleicht jemand einen anderen Vorschlag?

Best of Science Cartoons (14)

14. Juni 2013 von Laborjournal

(Von xkcd)

Zitat(e) des Monats (18)

18. Januar 2013 von Laborjournal

Wie bereits beschrieben, karikieren Forscher weltweit seit letzter Woche in Tausenden von Twitter-Tweets augenzwinkernd ihre tagtägliche Arbeit im Labor — nachlesbar unter dem sogenannten Hashtag #OverlyHonestMethods. Und da das Dauergrinsen auch nach Tagen immer noch garantiert ist, hier nochmals einige „Highlights“:

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Förderung nur bei „Nature-Niveau“?

21. August 2012 von Kommentar per Email

(Kürzlich erhielten wir den unten folgenden Erfahrungsbericht zum Thema DFG-Anträge. Wir haben ihn anonymisiert und überarbeitet — und stellen das Thema hiermit zur Diskussion.)

Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel „Außer Kontrolle“ in Laborjournal 6/2012, S. 21-25, über die Forschungsförderung der DFG gelesen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen meine Situation und Erfahrungen mit der DFG schildern.

Ich war mehrere Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem biochemischen Institut; zur Zeit bin ich in der Position als Vertretungsprofessorin bis voraussichtlich Ende September 2012 eingestellt. Seit einigen Jahren versuche ich für meine Forschung Drittmittel einzuwerben, was bis auf eine Ausnahme leider erfolglos war. 2009 stellte ich schließlich wieder einen Antrag auf Sachbeihilfe bei der DFG (inklusive Beantragung meiner eigenen Stelle). Ich hatte gehofft, dass der Antrag diesmal genehmigt wird, da er auf schon veröffentlichten Daten, unter anderem im Journal of Cell Science, basierte und ich weiterhin eine interessante, neue In vivo-Methode in Deutschland etablieren wollte. Die finanziellen Mittel für die Geräte, die dafür notwendig sind, wurden mir zuvor von meiner Universität im Rahmen eines Antrags auf „Einrichtung einer eigenen Arbeitsrichtung“ genehmigt.

Im September 2010 erhielt ich den Bescheid über die Ablehnung des Antrags, obwohl die Gutachten grundsätzlich eine Förderung empfohlen haben. Diesen Beitrag weiterlesen »

Geschätzter Mittelbau

21. Mai 2012 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. B.I. Gschott, Promilogisches Institut Universität Besserstadt.

LJ: Hallo, Herr Gschott — oh, ein Glas Sekt in der Hand. Offenbar feiert das ganze Institut. Was ist der Anlass?

Gschott: Das EMBO Journal hat ein Paper akzeptiert.

LJ: Äh, sorry — aber das ist für Sie doch nichts Besonderes. Bei Ihnen landet doch fast alles in „NatureScienceCell“.

Gschott: Im Gegenteil, das Paper ist was ganz Besonderes. Abgesehen davon, stehe ich gar nicht drauf.

LJ: Das müssen Sie mir jetzt erklären.

Gschott: Ganz nüchtern gesagt, beschreibt das Paper eine ganz neue Technik, die das gezielte Ausschalten von Genen deutlich einfacher, billiger und zuverlässiger macht.

LJ: Also ein rein methodisches Paper…

Gschott: Wie geringschätzig Sie das sagen. Wie so viele. Offenbar wissen die wenigsten, dass die meisten Durchbrüche erst vollzogen werden konnten, nachdem die Methodik entsprechend ausgereift war. Diesen Beitrag weiterlesen »

Wie sehen Insekten nach einem Schauer aus?

23. März 2012 von Laborjournal

… So:

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