Problemfall Peer-Review-Missbrauch

17. April 2024 von Laborjournal

Nicht nur einschlägige Umfragen kommen zu dem Schluss, dass ein guter Teil derjeniger, die Manuskripte für Veröffentlichungen begutachten, das Peer-Review-System für unlautere Zwecke missbraucht. Auch uns wurden immer wieder entsprechende Fälle berichtet. Zuletzt schrieb uns etwa eine Genetikerin [der Name ist der Redaktion bekannt] die folgenden Zeilen:

In den vergangenen sechs Jahren musste ich bei drei Manuskripten erleben, dass die Gutachter ihre Position eindeutig missbrauchten, um deren Veröffentlichung zu verhindern. Im ersten Fall rief ich den Editor an und sagte ihm, dass ich wüsste, wer der Gutachter sei – und dass er mit sehr schwachen Argumenten versuche, unsere Veröffentlichung zu verhindern. Der Editor gab am Ende zwar zu, dass es sich tatsächlich um diese Person handelte. Trotzdem lehnte er das Manuskript ab.

In den nächsten Fall war interessanterweise wieder derselben Editor verwickelt, den ich mir leider nicht aussuchen konnte. Diesmal verhinderte ein anderer Gutachter unsere Veröffentlichung, indem er zunächst zwei langwierige Überarbeitungen verlangte – um schließlich doch alles abzulehnen. Vier Wochen später veröffentliche er in einer anderen Zeitschrift einen Artikel zum selben Thema. Seine Resultate hatten zwar nicht direkt etwas mit unseren Ergebnissen zu tun, aber offenbar wollte er dennoch einfach schneller sein.

Der letzte Fall ereignete sich vor zwei Jahren, als ein Gutachter, der zu den führenden Wissenschaftlern auf unserem Gebiet gehört, unser Manuskript mit ungewöhnlich seltsamen Argumenten ablehnte. Glücklicherweise bemerkte der Editor dies jedoch – und nahm die Arbeit an, da die beiden anderen Gutachter positiv urteilten.

Ich glaube, dass einige Wissenschaftler das Peer-Review-System auf diese Weise missbrauchen, da sie als Gutachter anonym bleiben und sie daher glauben, dass die Autoren ihre Identität nicht herausfinden werden. Dennoch habe ich keine Lösung für dieses Problem. Zwar veröffentlichen einige Zeitschriften inzwischen die Namen der Gutachter, allerdings befürchte ich, dass vor diesem Hintergrund vermehrt Manuskripte angenommen werden, die nicht den eigentlichen Standards der Zeitschriften entsprechen – einfach weil die Gutachter kritische Argumente, auch wenn sie berechtigt sind, zurückhalten könnten, um nicht ihre eigenen Beziehungen zu den Autoren zu gefährden.

Das lassen wir jetzt mal so stehen, nehmen aber gerne andere Erfahrungen, Meinungen und Vorschläge zum Thema entgegen …

(Illustr.: Adobe Firefly)

Schlagworte: , , , , , , , ,

2 Gedanken zu „Problemfall Peer-Review-Missbrauch“

  1. Laborjournal sagt:

    Via „Bluesky“ kam folgender Kommentar dazu:

    Relativ einfach: Alle eingereichten Manuskripte als Preprints hochladen. Reviews dazu ebenfalls veröffentlichen und im Regelfall namentlich kennzeichnen (Opt-Out sollte aber möglich sein). Auch eine gute Idee: Reviews per doi zitierbar machen (manchmal sind die Reviews ja besser als die Papers).
    Aber wahrscheinlich machen wir demnächst ohnehin alle nur noch das hier: https://peercommunityin.org/

  2. Sascha Beneke sagt:

    Mir ist da auch schon Ähnliches passiert. Wir sind bei einem Studierendenpraktikum auf einen sehr ungewöhnlichen Effekt gestoßen, der an der Aussagekraft einer vielbenutzten Standard-Methode rüttelt. Klar sind wir dem nachgegangen und konnten tatsächlich zeigen, dass der Ansatz der Methode per se fehlerhaft ist und die Ergebnisse von der „biologischen Realität“ abweichen können, aber nicht müssen (Kontext-abhängig). Unsere Ergebnisse habe ich auf kleineren Konferenzen vorgestellt, bei denen auch immer ein „Big Shot“ aus dem Arbeitsgebiet anwesend war. Er hat das jedesmal gönnerhaft als Artefakt abgetan, leider hatte sich sein PostDoc bei einer Discussion-Runde verquatscht und rausgehauen „we don’t see this effect to this extent“. Unsere Versuche scheiterten bei mehreren Journals an den immer gleichen Kommentaren trotz aufwändiger Folge-Experimente – und wenn man lange genug auf einem Gebiet gearbeitet hat, weiß man, wer wie kommentiert. Schlußendlich waren wir ziemlich unten auf der Journal-Leiter angekommen – der zugewiesene Editor hatte jetzt 2 sehr unterschiedliche Kommentare vorliegen (einer wie immer) und wollte das Manuskript auch schon ablehnen, da er keinen dritten Reviewer finden konnte. Gott sei Dank war ich in der Zwischenzeit auf einem Keystone-Meeting und hatte da einen anderen prominenten Forscher getroffen, der unsere Daten „highly interesting“ fand – und angeboten hat, als 3. Reviewer zu fungieren. Danach war das paper akzeptiert. Der Forscher, der unsere Daten blockierte, hat kurz darauf Ähnliches publiziert (inklusive Ideenklau) und unsere Publikation (unabsichtlich/absichtlich?) im falschen Kontext zitiert. Auf diesen Fakt hatte mich jemand aus dem Editorial Board der Zeitschrift aufmerksam gemacht. Leider wird es solche Dinge immer geben, denn in gehobenen Positionen findet man selten Altruisten und „Gutmenschen“, die gerne jemand anderen den Vortritt lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha loading...