Talent? Oder Glück gehabt?

19. Juli 2023 von Laborjournal

Ihnen wurde nichts auf dem Silbertablett serviert? Sie haben Blut, Schweiß und Tränen literweise in Ihren Werdegang investiert und die Konkurrenz wohlverdient auf hintere Plätze verwiesen?

 

Jetzt, in diesem Moment, in dem Sie ganz allein vorm Bildschirm sitzen – Hand aufs Herz: Halten Sie sich auf die eine oder andere Weise nicht auch für cleverer, fähiger oder kompetenter als so manch ein Nebenmann und so manch eine Nebenfrau? Also, der Schreiber dieses Newsletters tut es. Schließlich beruht sowohl Ihr als auch mein Erfolg hauptsächlich – wenn nicht ausschließlich – auf unseren persönlichen Eigenschaften: Wir sind talentiert, smart, fleißig, willensstark, leidensfähig und risikobereit! Und hatten – der Wahrheit halber – gelegentlich ab und zu vielleicht auch ein Fünkchen Glück.

Willkommen in der Welt psychologischer Kontexteffekte! Denn objektiv betrachtet sind weder Sie noch ich besonders begabt: Persönliche Eigenschaften wie Talent und Intelligenz sind Gauß-verteilt. Das heißt, zwei Drittel der Bevölkerung liegen innerhalb einer Standardabweichung um den jeweiligen Mittelwert, 95 Prozent innerhalb von zwei Standardabweichungen.  … Hier geht’s weiter >>

Gutes Netzwerk, schechtes Netzwerk

1. August 2017 von Laborjournal

In unserem aktuellen Sommer-Essayheft preist Ulrike Kaltenhauser, Geschäftsführerin mehrerer bayrischer Forschungsnetzwerke, die Vorzüge von… – ja klar, Forschungsnetzwerken.

So schreibt sie etwa:

Im Freistaat Bayern setzt man schon seit vielen Jahren gezielt auf die Erfahrung, dass sich das Bündeln der wissenschaftlichen Kapazitäten in Form von Netzwerken in jedem Fall auszahlt. […] Schnell stellte sich heraus, dass solche Netzwerkprojekte effizienter und mit einer deutlich höheren Ausbeute die angestrebten Ziele erreichen und sogar darüber hinaus Mehrwert erzeugen. Inzwischen sind die Forschungsverbünde aus der bayerischen Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken.

Oder an anderer Stelle:

Verbundforschung bildet eine der besten Grundlagen für Innovationen und Wertschöpfung und damit auch für wissenschaftlichen Erfolg.

Erst ganz am Ende mischen sich auch andere Töne in die Euphorie:

[…] Dennoch traue ich mir nicht wirklich zu, die Frage zu beantworten, ob Netzwerke tatsächlich das Leben vereinfachen, da gerade die Zusammenarbeit von ambitionierten Menschen nie einfach ist. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass die Kooperation mit anderen Projektpartnern für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt und sich in den meisten Fällen positiv auf die Karriere der einzelnen Akteure auswirkt. Die aktive Zusammenarbeit mit regen Geistern beflügelt den wissenschaftlichen Fortschritt. Es ist nicht immer einfach, aber in den meisten Fällen ein echter Mehrwert, Teil eines lebendigen Netzwerks zu sein.

So bekommt man am Ende doch eine klitzekleine Ahnung davon, dass Netzwerke, Konsortien und Verbünde oftmals auch kritischer gesehen werden — insbesondere vonseiten der Wissenschaftler. Deren Hauptvorwurf: Allzu leicht würden durch das „Einpferchen“ in Netzwerke und Verbünde Zwänge erzeugt, die das unabhängige Denken und die Kreativität der einzelnen Akteure letztlich eher einschränken.

Ein schönes Beispiel dafür lieferte vor einigen Jahren die Episode „Caught in the Net“ der Observations of The Owl in unserer englischsprachigen Schwesterzeitschrift Lab Times. Hier kostete der „Zwang zum Netzwerken“ einen Wissenschaftler förmlich die Karriere — wie The Owl am Ende (auf englisch) folgendermaßen beschrieb:

My friend was an excellent researcher. He wasn‘t even a true, teamwork-phobic loner. However, he was one of those scientists who function most brilliantly when allowed to think and work completely on their own. He certainly wasn’t a networker. So it was sad to see how his research began to splutter from that “network episode” on. He finally ended up at a small technical college.

So much for the synergy that research networks create.

Zwei diametral entgegengesetzte Positionen also: Forschungsnetzwerke wirken sich positiv auf die Karrieren der einzelnen Akteure aus — oder eben gerade nicht.

Was stimmt jetzt? Und für wen? Oder vielleicht differenzierter: Wann wirken sie sich positiv aus — und wann nicht?

Viel Stoff zum Kommentieren und Diskutieren. Wer fängt an?

Ralf Neumann

(Illustr.: „Flying Lesson“ von Robert und Shana ParkeHarrison)

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Gibt es noch echte „Doktorväter“ und „Doktormütter“?

26. Februar 2016 von Laborjournal

Die Forschung hat Gesichter bekommen. Erfreulicherweise. Seit einiger Zeit schon nehmen Zeitschriften regelmäßig „eine Forschernase“ in den Mittelpunkt einer ganzen Seite — ob in Interviews oder Artikel — und zeigen diese auch in großen Fotos oder Zeichnungen. Und das nicht nur, wenn’s Nobelpreise gegeben hat, sondern regelmäßig.

Natürlich beäugen einige dies mit Misstrauen, rümpfen ihre eigenen Nasen über „zunehmenden Personenkult“ oder befürchten gar eine „Popstarisierung“ der Wissenschaft. Und zugegeben, manche Fragen der beliebten Asthma-artigen Frage-Antwort-Spielchen sind bisweilen ja auch wirklich blöd. Wen interessiert es zum Beispiel, wenn The Scientist fragt, ob einer lieber Coke oder Pepsi mag? Oder ein anderes Blatt zwischen Harry Potter und „Herr der Ringe“ wählen lässt?

Doch solche Dünnbrettbohrerei kommt glücklicherweise selten vor. Im Gegenteil, fast jedes Porträt wird richtig interessant, wenn „die Nase“ berichtet, welches die wichtigsten Bedingungen und Voraussetzungen für dessen oder deren Erfolg waren. Natürlich kommt dabei Verschiedenes rum, aber eines betonen auffällig viele: den prägenden Einfluss  eines  „Lehrers“ oder „Mentors“.

Die US-Immunologin Philippa Marrack berichtete etwa augenzwinkernd, dass sie einst als junge Studentin in die T-Zellforschung ging, weil damals der entsprechende Prof einfach am besten aussah. Aber das ist natürlich nicht der Punkt. All diese gestandenen Forscherinnen und Forscher berichten ziemlich deckungsgleich von „echten Vorbildern“, die in deren jungen Forscherjahren extrem inspirierend, motivierend, offen, orginell, risikobereit, jederzeit zugänglich, usw. waren. Und die sie vor allem aktiv zur Selbstständigkeit ermutigten und anleiteten. „Doktorväter“ und „Doktormütter“ im besten Sinne also.

Haben wir die eigentlich heute auch noch?

Wege zum Ruhm

13. März 2012 von Laborjournal

In der Serie The Life Scientific interviewt der englische Physiker Jim Al-Khalili für BBC Radio 4 regelmäßig…

… leading scientists about their life and work, finding out what inspires and motivates them and asking what their discoveries might do for mankind.

Ende letzten Jahres war Paul Nurse, Medizin-Nobelpreisträger 2001, dran. Auf die Frage, was seiner Meinung nach der Schlüssel zu seiner erfolgreichen Forscherkarriere gewesen sei, antwortete er, dass er bereits sehr früh die Entscheidung traf, ein „Big Problem“ verfolgen zu wollen — nämlich zu verstehen, wie Zellen sich teilen:

I realised that science was difficult and it often failed and if you were going to carry out a career like that you at least had to tackle a big problem. […] And so I thought it would be a very fundamental problem to understand how cells reproduce themselves and that’s the problem I set myself as a PhD which also didn’t go brilliantly, quite frankly, but it was a very, very strategic decision.

Das „Big Problem“ also als Schlüssel zum Erfolg? Diesen Beitrag weiterlesen »