Gutes Netzwerk, schechtes Netzwerk

1. August 2017 von Laborjournal

In unserem aktuellen Sommer-Essayheft preist Ulrike Kaltenhauser, Geschäftsführerin mehrerer bayrischer Forschungsnetzwerke, die Vorzüge von… – ja klar, Forschungsnetzwerken.

So schreibt sie etwa:

Im Freistaat Bayern setzt man schon seit vielen Jahren gezielt auf die Erfahrung, dass sich das Bündeln der wissenschaftlichen Kapazitäten in Form von Netzwerken in jedem Fall auszahlt. […] Schnell stellte sich heraus, dass solche Netzwerkprojekte effizienter und mit einer deutlich höheren Ausbeute die angestrebten Ziele erreichen und sogar darüber hinaus Mehrwert erzeugen. Inzwischen sind die Forschungsverbünde aus der bayerischen Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken.

Oder an anderer Stelle:

Verbundforschung bildet eine der besten Grundlagen für Innovationen und Wertschöpfung und damit auch für wissenschaftlichen Erfolg.

Erst ganz am Ende mischen sich auch andere Töne in die Euphorie:

[…] Dennoch traue ich mir nicht wirklich zu, die Frage zu beantworten, ob Netzwerke tatsächlich das Leben vereinfachen, da gerade die Zusammenarbeit von ambitionierten Menschen nie einfach ist. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass die Kooperation mit anderen Projektpartnern für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt und sich in den meisten Fällen positiv auf die Karriere der einzelnen Akteure auswirkt. Die aktive Zusammenarbeit mit regen Geistern beflügelt den wissenschaftlichen Fortschritt. Es ist nicht immer einfach, aber in den meisten Fällen ein echter Mehrwert, Teil eines lebendigen Netzwerks zu sein.

So bekommt man am Ende doch eine klitzekleine Ahnung davon, dass Netzwerke, Konsortien und Verbünde oftmals auch kritischer gesehen werden — insbesondere vonseiten der Wissenschaftler. Deren Hauptvorwurf: Allzu leicht würden durch das „Einpferchen“ in Netzwerke und Verbünde Zwänge erzeugt, die das unabhängige Denken und die Kreativität der einzelnen Akteure letztlich eher einschränken.

Ein schönes Beispiel dafür lieferte vor einigen Jahren die Episode „Caught in the Net“ der Observations of The Owl in unserer englischsprachigen Schwesterzeitschrift Lab Times. Hier kostete der „Zwang zum Netzwerken“ einen Wissenschaftler förmlich die Karriere — wie The Owl am Ende (auf englisch) folgendermaßen beschrieb:

My friend was an excellent researcher. He wasn‘t even a true, teamwork-phobic loner. However, he was one of those scientists who function most brilliantly when allowed to think and work completely on their own. He certainly wasn’t a networker. So it was sad to see how his research began to splutter from that “network episode” on. He finally ended up at a small technical college.

So much for the synergy that research networks create.

Zwei diametral entgegengesetzte Positionen also: Forschungsnetzwerke wirken sich positiv auf die Karrieren der einzelnen Akteure aus — oder eben gerade nicht.

Was stimmt jetzt? Und für wen? Oder vielleicht differenzierter: Wann wirken sie sich positiv aus — und wann nicht?

Viel Stoff zum Kommentieren und Diskutieren. Wer fängt an?

Ralf Neumann

(Illustr.: „Flying Lesson“ von Robert und Shana ParkeHarrison)

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Zweckentfremdet

27. Mai 2013 von Laborjournal

Oftmals sind es einzelne Anekdoten, die ein besonders scharfes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb werfen. Dies sogar umso mehr, wenn es um etwaiges Schindluder geht, das mancher dort bisweilen treibt.

In diesem Sinne ist auch die folgende kleine Geschichte zum Thema Empfehlungsschreiben („Letter of Recommendation“) zu verstehen, die ein Forscher vor einigen Jahren im Rahmen einer Befragung  erzählte. Demnach hörte er in seiner Postdoc-Zeit über einen sehr bekannten Institutsdirektor, dass dieser solche „Letters of Recommendation“ komplett für seine eigenen Bedürfnisse zweckentfremdete: War jemand richtig gut, schrieb er absolut lausige Empfehlungen, um sie/ihn möglichst lange in seinem Labor zu halten; genügte dagegen jemand seinen Ansprüchen nicht, lobte er sie/ihn über den grünen Klee, um sie/ihn möglichst schnell loszuwerden.

Offenbar sprach sich dieses ethisch mehr als fragwürdige Gebahren jedoch ziemlich schnell hinter den Kulissen herum, so dass den meisten bald klar war: Stellte sich jemand aus dem Labor dieses Schlaumeiers mit lausiger Referenz vor — unbedingt nehmen!

 

Nicht ganz ohne Mitte

13. Mai 2013 von Laborjournal

Grundsätzlich haben Mittelautorenschaften wie diese hier unten nicht den besten Ruf:

Zu meiner Doktorandenzeit gab es beispielsweise einen eher unscheinbaren Prof, der stand auf relativ vielen, bisweilen auch gut veröffentlichten Papers drauf — aber immer irgendwo im Niemandsland der Autorenliste. Auf einem meiner ersten Kongresse stieß mich dann ein Postoc an, deutete auf einen kleinen Mittfünfziger und flüsterte: “Das ist er. Hat irgendwann mit viel Glück diesen einen Antikörper gemacht, den jetzt alle gut brauchen können. Jetzt verteilt er ihn natürlich großzügig — und steht dafür auf jedem Paper mit drauf.”

Ja, es sind Geschichten wie diese, die auch unserem ehemaligen Kollegen Hubert Rehm im Zusammenhang mit Mittelautoren immer wieder den süffisanten Spruch entlockten: „Das ist dann wohl der, der die Ratte gehalten hat.“

Mittelautoren werden folglich allenfalls “niedere” Beiträge zugeschrieben — und das oftmals ziemlich pauschal, ob zu Recht oder nicht. 

Vor kurzem präsentierte jedoch ein Kommentar im Blog DrugMonkey einen völlig neuen, positiveren Blickwinkel auf Mittelautorschaften. Diesen Beitrag weiterlesen »

Journal Covers, etwas anders (4)

29. April 2013 von Laborjournal

Titelblatt von Cell, vol. 153(1); 28. März 2013:

Dazu heißt es:

The kind of food an organism consumes has a broad reaching impact on its development, behavior, and lifespan. In this issue, two papers, MacNeil et al. (pp. 240–252) and Watson et al. (pp. 253–266), explore the effects of diet on these life-history traits in the nematode C. elegans. Combining nutrigenomics and network analyses, they find that different diets affect traits via distinct mechanisms. The response to diet is coupled to metabolic changes, and disruptions of some of these specific metabolic pathways correspond to inborn errors of metabolism in humans. The cover features a “native-art-inspired abstraction” of a worm eating a bacterial diet and illustrates the interconnectedness between diet, nuclear gene regulatory networks, mitochondrial networks, and their effects on life-history traits such as development and brood size.

Cover art by Lesley T. MacNeil.

Forscher-Netzwerke als Frühwarnsystem

26. März 2013 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. O. Dor, Sentiologisches Institut Forschungszentrum Witterberg.

LJ: Ah, Herr Professor Dor — gut, dass ich Sie treffe. Die jüngsten Datenfälschungen von ihrem Kollegen R.A. Dier betreffen doch direkt Ihre eigene Forschung. Wie groß ist der Schaden?

Dor: Schaden? Wir haben keinen Schaden.

LJ: Ja, aber Diers Daten waren doch getürkt. Sind die nicht irgendwie in ihre eigenen Projekte eingeflossen? Schließlich bildeten sie die Grundlage für einen ganzen Teil ihres eigenen Feldes.

Dor: Kann sein. Aber für uns waren sie nicht relevant.

LJ: Entschuldigung, aber das verstehe ich nicht wirklich. Das müssen Sie mir erklären?

Dor: Ganz einfach — wir haben es einfach vermieden, auf Diers Daten aufzubauen. Und wenn es doch Berührungspunkte gab, haben wir die Sachen erst einmal bei uns im Labor selbst verifiziert.

LJ: Das haben andere aber sicher nicht getan?

Dor: Doch. Die meisten, die ich kenne, haben genau das getan.

LJ: Das klingt ja, als hätten sie Diers Daten schon vorher nicht getraut.

Dor: Exakt. Diesen Beitrag weiterlesen »

Peer Review macht Paper besser

16. Oktober 2012 von Laborjournal

Anekdoten über die Ineffizienz und Willkür des Peer-Review-Systems gibt es massenweise. Dennoch scheint die klassische Begutachtung vor Veröffentlichung die biowissenschaftliche Literatur insgesamt tatsächlich zu verbessern — wenigstens ein bisschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Mammutstudie französischer Ökologen um Vincent Calgagno (Science, Publ. Online 11. Okt. 2012, DOI: 10.1126/science.1227833).

Mit entsprechenden Datenbanken und Software zur Hand „meta-analysierten“ die Autoren insgesamt 80.748 Artikel der Jahre 2006 bis 2008 aus 923 biowissenschaftlichen Zeitschriften, recherchierten deren jeweilige „Submission History“ — und konstruierten aus den Daten ein „Netzwerk der Manuskriptflüsse“. Diesen Beitrag weiterlesen »

Scientists help Scientists

22. März 2011 von Karin Hollricher

Die jüngsten Ereignisse in Japan haben wohl keinen Menschen hierzulande unberührt gelassen. Ein paar Wissenschaftler in Deutschland, allen voran Phil Selenko vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin, haben sich nun Gedanken gemacht, ob und was man tun kann, um japanische Forscher und Studenten zu unterstützen. Beispielsweise um denjenigen, die durch Erdbeben, Tsunami oder Evakuierung ihren Laborplatz verloren haben, die Möglichkeit zu bieten, zumindest vorübergehend weiterarbeiten zu können.

Dazu installierten die Initiatoren nun eine spezielle Website: das Nippon Science Support Network. Dort finden japanische Studenten und Wissenschaftler Informationen darüber, wo es speziell in Deutschland Stellen und Förderung für japanische Wissenschaftler gibt — damit diese gegebenenfalls ihre Projekte „im Ausland“ weiterführen können. Getragen wird die Aktion derzeit von neun Organisationen/Instituten/Universitäten.

Momentan dokumentieren auf der Website bereits 18 Labors, welche Stellen sie in Deutschland zur Verfügung haben — auf Englisch und Japanisch. Die Initiatioren bitten weiterhin um rege Beteiligung an der Website. Über eine einfach gestaltete Maske kann man sich dort eintragen.