Die gute Tasse Kaffee ist noch besser!

5. Oktober 2022 von Laborjournal

Unter dem Titel „Wissenschaftler sind lediglich Hilfsmittel, um Kaffee in Resultate umzuwandeln“ berichteten wir vor zehn Jahren an dieser Stelle über eine Quasi-Studie, die Wissenschaftlern unter allen Berufsgruppen den höchsten Kaffeekonsum bescheinigte. Natürlich kam uns dieser Beitrag sofort wieder in den Sinn, als uns eine Meldung der European Society of Cardiology mit dem Titel „Kaffeetrinken ist mit erhöhter Lebenserwartung assoziert“ in die Redaktion flatterte.

Wow, wäre ja durchaus eine gute Nachricht für unsere Leserschaft, dachten wir – und schauten uns die Meldung genauer an. Diese wiederum bezieht sich auf ein Paper im European Journal of Preventive Cardiology mit dem Titel „The impact of coffee subtypes on incident cardiovascular disease, arrhythmias, and mortality: long-term outcomes from the UK Biobank“ – und beschreibt erfreulich genau, was das australische Autorenteam konkret gemacht hat. Wir zitieren:

Die Studie umfasste 449.563 Teilnehmer, die zu Beginn der Studie keine Herzrhythmusstörungen oder andere kardiovaskuläre Erkrankungen aufwiesen. Das Durchschnittsalter lag bei 58 Jahren, 55,3% waren Frauen. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen aus, in dem sie gefragt wurden, wie viele Tassen Kaffee sie täglich tranken und ob sie gewöhnlich Instantkaffee, gemahlenen Kaffee (z. B. Cappuccino oder Filterkaffee) oder entkoffeinierten Kaffee tranken. Anschließend wurden sie in sechs Kategorien des täglichen Kaffeekonsums eingeteilt: keine, weniger als eine, eine, zwei bis drei, vier bis fünf sowie mehr als fünf Tassen pro Tag. Bei 198.062 (44,1%) der Teilnehmer war der übliche Kaffeetyp Instantkaffee, bei 82.575 (18,4%) gemahlener Kaffee und bei 68.416 (15,2%) entkoffeinierter Kaffee. 100.510 (22,4%) waren Nicht-Kaffeetrinker, die als Vergleichsgruppe dienten.

Für eine ausreichende statistische Power dürften die Autoren damit allemal gesorgt haben.

Weiter heißt es dann zur Methodik:  Diesen Beitrag weiterlesen »

Nur nicht zu viel spekulieren!

28. September 2022 von Laborjournal

Seien wir mal ehrlich: Funktionierten nicht viele wichtige Arbeiten in der Geschichte der Biologie im Wesentlichen nach dem folgendem Muster:

„Leute, wir haben da ein paar ziemlich coole Beobachtungen gemacht. Wir verstehen zwar noch nicht wirklich, was da ganz genau dahinter steckt – aber lasst uns doch schon mal spekulieren, was sie bedeuten könnten.“

… Und am Ende kam wirklich Großes dabei heraus.

Nehmen wir als ein Beispiel von vielen den englischen Chemiker Peter Mitchell. Seine Veröffentlichung in Nature, in der er vor über sechzig Jahren erstmals die chemiosmotische Theorie als potenziellen Kernmechanismus der zellulären Energiegewinnung vorstellte, hätte damals genauso gut unter dem Titel „Wie ich denke, dass die ATPase arbeitet“ erscheinen können – so sehr spekulierte er aus einer Handvoll Beobachtungen einen potenziellen Mechanismus zusammen. Und wie das oft passiert, wenn jemand derart ausführlich spekuliert, erntete auch Mitchell sofort heftigen Gegenwind unter den Fachkollegen.

Dennoch gilt seine Arbeit von 1961 als Klassiker. Als der chemiosmotische Mechanismus der ATP-Synthese später endgültig geklärt war, stellte sich zwar heraus, dass Mitchell in einigen Aspekten falsch gelegen hatte – viel entscheidender aber war, dass er mit seinem spekulativen Modell der weiteren Forschung grundsätzlich die richtige Richtung vorgegeben hatte. Und das sah letztlich auch das Nobelpreis-Komitee so: 1978 durfte sich Mitchell den Preis für Chemie abholen.

Die Gretchenfrage stellt sich nun von allein: Wie groß wären die Chancen, dass Mitchell ein derart spekulatives Paper im Jahr 2022 veröffentlichen könnte? Oder dass er damit Forschungsmittel einwerben könnte? In einer Zeit also, in der die Geldgeber Projekte vor allem dann fördern, wenn die Entschlüsselung von Mechanismen im Rahmen klarer Zwischenziele und strikter Zeitpläne winkt? Und in der die Journals Manuskripte mit abgeschlossenen und vollständigen „Stories“ klar favorisieren?

Die Chancen von Mitchell und Co. stünden heute wohl eher schlecht. Zu stark ist der Druck von Journals und Fördergebern, finale Erklärungen für die beobachteten Phänomene zu liefern. So stark, dass sich womöglich bald nur noch wenige trauen, „den Mitchell zu machen“ – und wie dieser die eigenen „coolen Beobachtungen“ einfach mal via „educated guess“ weiterzuspinnen.

Schade eigentlich!

Ralf Neumann

(Illustr.: Freepik)

 

„Man hat schon Pferde kotzen sehen“ …

21. September 2022 von Laborjournal

…, behauptet das Sprichwort, um eigentlich Unmögliches anzudeuten. Schließlich kennt die Speiseröhre der Unpaarhufer nur eine Richtung – runterwärts. Erbrechen ist ihr fremd.

Warum eigentlich? Aus zwei Gründen: Der equine Ösophagus mündet in einen nur 12 bis 15 Liter fassenden Magen. Viel Vomitat passt dort nicht rein. Zudem bewacht ein besonders starker Schließmuskel – Musculus sphincter cardiae – den Eingang des Pferdemagens. Rückfluss lässt er ungern zu. Selbst wenn Pferde also reihern wollten, beeindruckend wäre das Schauspiel nicht.

Allein sind Equidae mit ihrem Unvermögen übrigens nicht. Die meisten Pflanzenfresser und Nagetiere können nicht kotzen. Auch Frösche, Kröten, Rochen und Haie können sich ihres Mageninhalts nicht retroperistaltisch entledigen. Um sich von unverdaulichen Futterresten und Parasiten zu befreien, würgen sie direkt ihren kompletten Magen heraus und schlucken ihn im Anschluss wieder runter.

Bei anderen Spezies erfüllt Kotzen dagegen vielfältige Aufgaben. Viele Fliegenarten beispielsweise erbrechen Verdauungsenzyme, um ihre Nahrung zu verflüssigen. Wölfe würgen kürzlich gefressenes Fleisch für ihre Welpen hoch. Auch Störche, Rabenvögel und Pinguine geben vorverdaute Nahrung oral an ihre Brut weiter. Katzen und Greifvögel werden damit Haarballen, Knochen, Federn, Chitin- und Kalkpanzer los. Aasgeier wehren mit ihrer säurehaltigen Kotze Raubtiere ab. Hyänen lieben es sogar, sich in erbrochenen Hufen, Knochen und Haaren zu suhlen. Der Grund für diese ungewöhnliche Vorliebe ist allerdings unbekannt.

Das Thema widert Sie an? Warum? Diesen Beitrag weiterlesen »

Vertrag oder Lizenz?

7. September 2022 von Laborjournal

Wenn wir uns unter Forscherinnen und Forschern umhören, kommt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eigentlich ganz gut weg – insbesondere im Vergleich zu anderen Förderorganisationen im Ausland. Beispielsweise bilanzierte erst vor einigen Wochen ein nicht ganz unbekannter Pharmakologe kurz und prägnant: „Wir können doch froh sein, dass wir hierzulande die DFG haben.“

Nun sind solche Urteile sicherlich subjektiv gefärbt und hängen stark von den konkreten Fördererfahrungen ab, die einzelne Forscherinnen und Wissenschaftler jeweils mit der DFG gemacht haben. Versucht man jedoch einen objektiveren Blick, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass sie es zuletzt zunehmend schwerer hatte. Nur ein Indiz von mehreren: Trotz stetiger Mittelzuwächse sank die Bewilligungsquote über die letzten zwanzig Jahre auf mittlerweile unter dreißig Prozent der eingereichten Anträge.

Schon vor über zehn Jahren sah der damalige DFG-Präsident Peter Strohschneider aufgrund dieser Entwicklung ein gefährliches Dilemma am Horizont aufziehen: Aufgrund der notorischen Unterfinanzierung von Forschungsprojekten würden die Wissenschaftler zunehmend nicht mehr das Geld beantragen, das sie für ihre Forschung brauchen – sondern vielmehr dort forschen, wo sie überhaupt noch an Geld kommen. Die Folge davon: Die Forschungsfreiheit drohe deutlich eingeschränkt zu werden, während sich das Finanzierungsdilemma eher noch verschärfe.

Doch dieser Trend, der übrigens für die meisten Forschungsförderer genauso gilt, ist noch auf andere Art gefährlich. Denn was passiert, wenn DFG und Co. mit so viel mehr Förderanträgen überschwemmt werden, als sie bewilligen können? Im Bestreben, so fair wie möglich zu sein, verlangen sie immer spezifischere Zielsetzungen und Forschungspläne in den beantragten Projekten. Beispielsweise soll bisweilen sogar die Rolle jedes einzelnen Labormitglieds präzisiert werden. Und natürlich muss man bereits mit ausreichend Daten untermauern, dass die Ziele innerhalb der Förderperiode auch tatsächlich erreichbar sind. Nicht nur die Ergebnisse, auch der Zeitrahmen soll also vorab möglichst klar sein. Und so bekommt die Forschungsförderung endgültig den Charakter von Vertragsabschlüssen – statt Lizenzen zum Losziehen nach neuen Erkenntnissen zu erteilen.

Vielleicht würde es dem künftigen Ruf der DFG eher guttun, wenn sie dieser Entwicklung stärker entgegensteuern würde.

Ralf Neumann

(Illustr.: CC BY 4.0)

Bekannter durch Retractions

20. Juli 2022 von Laborjournal

Eine Retraktion Ihres neuesten Artikels wäre das Beste, das Ihnen passieren kann – zumindest hinsichtlich Ihres Bekanntheitsgrades. Diese Aussage macht keinen Sinn, finden Sie? Schließlich kann eine widerrufene Publikation nicht mehr zitiert werden – schon allein weil sie Fehler enthält? Weit gefehlt.

Sicher ist es nicht Ihr Ziel, zu publizieren, um Ihre Publikation zurückgezogen zu sehen. Trotzdem geschah das – entweder infolge von Täuschungsversuchen oder infolge ehrlicher Fehler – laut der Datenbank von Retraction Watch im letzten Jahrzehnt jedes Jahr durchschnittlich 15 Prozent häufiger als noch im Jahr zuvor (siehe Tabelle).

Mit einer Retraktion sollte eine Publikation und ihr gesamter Inhalt sowohl aus dem Speicher der Wissenschaftsgemeinde als auch aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt sein – so als hätte sie nie existiert. Jedoch existiert kein Automatismus, jeden einzelnen Forschungstreibenden – geschweige denn die öffentliche Wahrnehmung – über widerrufene Artikel in Kenntnis zu setzen.

Zudem gibt es manchmal auch keine andere als die zurückgezogene Publikation, die zum Beispiel eine bestimmte Methode beschreibt. Überhaupt muss ja nicht alles an einem zurückgezogenen Artikel falsch sein.

Aus diesen und noch anderen Gründen werden widerrufene Artikel weiterhin zitiert – wenn auch weniger häufig. Also unterbinden Retraktionen demnach wenigstens halbwegs die Verbreitung falscher Information? Nein, nicht einmal das.

Selbst unter den zehn meistgeteilten Publikationen des Jahres 2020 finden sich zwei zurückgezogene Artikel. Und das sind keine Einzelfälle – ganz im Gegenteil. Eine Analyse US-amerikanischer Kommunikationswissenschaftler vom Juni 2022 (PNAS. doi: 10.1073/pnas. 2119086119) zeigt vielmehr, dass später widerrufene Publikationen im Durchschnitt häufiger erwähnt werden als korrekte Artikel. Sie quantifizierten, wie viel Aufmerksamkeit 3.985 widerrufene Artikel vor und nach ihrer Retraktion auf 14 Online-Plattformen erhielten. Im Vergleich zu nicht-zurückgezogenen Artikeln erfreuten sich die fehlerhaften Publikationen tatsächlich höherer Aufmerksamkeit – und zwar nicht nur in sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Reddit, sondern vor allem auf kuratierten Plattformen wie Online-Nachrichtendiensten und Internet-Enzyklopädien.  Diesen Beitrag weiterlesen »

„Wissenschaftliches Fehlverhalten ist das auch!“

13. Juli 2022 von Laborjournal

Aus unserer Reihe „Gut gesagt!“ zum Thema „Sampling Bias“:

 

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[…] Selbstverständlich werden in der Exploration beim schrittweisen Einfokussieren auf das gewünschte Phänomen Ergebnisse produziert, die nicht den Erwartungen entsprechen. Was passiert mit diesen? Am ehesten liefern junge PhD-Studenten noch ehrliche Auskunft. Natürlich werden unerwünschte Ergebnisse gerne aussortiert, in die Schublade verbannt, weggeworfen. Oft mit fadenscheinigen Begründungen: „Das Kit war abgelaufen oder schlecht.“ Es werden also häufig Daten auf gewünschte Resultate selektiert. Sampling Bias nennt man das, und wissenschaftliches Fehlverhalten ist das auch. Manche Gruppenleiter bekommen sowas häufig gar nicht mit, weshalb man erstaunt-verärgerte Blicke erntet, wenn dieses Problem thematisiert wird. Andere wiederum benutzen ihre Seniorität um Daten basierend auf ihrer großen Erfahrung auszusortieren. Hier helfen nur Aufklärung, lückenlose Dokumentation und umfassende Supervision. Vertrauen ist falsch, Kontrolle die einzige Alternative. Denn Sampling Bias hat selbstverständlich verheerende Auswirkung auf die Repräsentativität der Ergebnisse – wofür sind schon subjektiv ausgewählte Daten stellvertretend? […]

 

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… Schrieb Tobias Straub, Leiter der Bioinformatik am Biomedizinischen Centrum der Universität München, in Laborjournal 7-8/2020 („Make Experimentation Great Again!“, S. 30-33).

 

Formvollendetes Headbanging

27. Juni 2022 von Laborjournal

Der Wolf hat große Augen, damit er Sie besser sehen kann. Er hat große Ohren, damit er Sie besser hören kann, und er hat einen großen Mund, damit er Sie besser fressen kann. Gewisse Merkmale von Tieren wurden bereits von den Gebrüdern Grimm als Anpassung an deren Überlebensbedürfnisse erkannt. Und die Grimms haben ja nur aufgeschrieben, was sich die Menschen seit Jahrhunderten erzählt haben. Eine frühe Ahnung von Evolution. Und die zugrunde liegende Erkenntnis: Form follows function.

Leider ist dieser Zusammenhang in der Evolution nicht immer eindeutig, und möglicherweise folgt die Form manchmal zwei oder noch mehr Funktionen. Und damit wären wir bei der Giraffe angekommen …

„Warum hat die Giraffe so einen langen Hals?“ – „Damit sie besser Blätter von hohen Bäumen fressen kann,“ lautete meist die Antwort. Schon Lamarck und später Charles Darwin vermuteten, der lange Giraffenhals sei eine Anpassung daran, wie hoch die Nahrung hängt. Aber schon früh kamen Zweifel auf: Warum gab es diese Anpassung nur bei Giraffen? Und: Wäre es nicht „billiger“ gewesen, einfach nur die Beine zu verlängern? Auf der anderen Seite: Wenn man bereits einen langen Hals gehabt hätte, bevor Nahrung in größeren Höhen erreichbar war, wäre das natürlich ein Vorteil gegenüber einem kurzhalsigen Dasein gewesen. Aber warum hätten die Giraffen schon vorher einen langen Hals bekommen sollen?    Diesen Beitrag weiterlesen »

Braucht die Menschheit wirklich Männer?

22. Juni 2022 von Laborjournal

Spontane Jungfernzeugung beim Menschen? Gibt es das, außerhalb der Köpfe katholischer Fundamentalisten oder denen von Eso-Spinnern? Jedenfalls ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung beim Menschen wissenschaftlich nicht belegt.

Aber es gibt Anekdoten wie die folgende:

Neulich an der Repro-Bench: Biologin Y bereitet die Eizellen von Patientin R für die ICSI  (Intracytoplasmatische Spermieninjektion) vor. Dazu wird der COC (cumulus oocyte complex) zerlegt in Cumuluszellen und die eigentliche Eizelle. Denudieren nennt man das. Cumuluszellen dienen im Follikel des Eierstockes gewissermaßen als Feeder-Zellen für die Eizelle. Für die Injektion des Spermiums müssen die Eizellen jedoch „nackich“ gemacht werden (denudieren, nude = nackt). Dies geschieht, indem der COC in eine Hyaluronidase-Lösung gebracht und mittels einer Kapillare, deren Innendurchmesser nur wenig größer ist als der Durchmesser einer Eizelle, mehrfach auf- und abpipettiert wird. Durch dieses Triturieren wird die Hyaluronan-Bindung zwischen Cumulus- und Eizellen biochemisch gespalten und mechanisch getrennt. Übrig bleibt die einsame injizierfähige Eizelle, die idealerweise die erste Reifeteilung absolviert hat (erster Polköper vorhanden) und sich in der Meiose II befindet.

Frau Y nimmt sich die Eizellen der Patientin R vor. „Was ist denn das!?“, stutzt Frau Y. Nicht eine Eizelle präsentiert sich ihr, sondern ein bereits geteilter vierzelliger Embryo … Erschrocken stellt die Biologin das Kulturschälchen in den Brutschrank zurück und atmet tief durch. Zu kritischer Selbstreflektion von frühsten Biologinnenbeinen an erzogen, lässt Frau Y panisch alle Vorgänge der letzten Stunden im In Vitro Fertilisations (IVF)-Labor in Gedanken Revue passieren. Gab es eine Verwechslung mit dem Embryo einer anderen Patientin? Wurde in geistiger Umnachtung bereits eine Befruchtung durchgeführt? Nein, Frau Y ist sich absolut sicher: Dieser Embryo hat noch kein Spermium „gesehen“. Eine spontane parthenogenetische Befruchtung in vitro….! Das muss ein Hirngespinst sein. Doch am nächsten Tag stellt Frau Y bei der mikroskopischen Kontrolle der Embryonen von Frau R. fest, dass es sich weder um ein Hirngespinst noch um ein Artefakt handelt: der Embryo hat sich normgerecht weiterentwickelt zu einem Bilderbuch-Achtzeller! Diesen Beitrag weiterlesen »

Getrübte Titelfreuden?

11. Mai 2022 von Laborjournal

Könnte es eventuell eine zweifelhafte Freude sein, mit der eigenen Veröffentlichung auf dem Titelblatt einer Journal-Ausgabe zu landen?  …

Zu meiner eigenen aktiven Zeit im Labor – die mittlerweile schon eine ganze Weile her ist – lief es jedenfalls so: Jedes Mal, wenn das Paper einer Gruppe es bis auf das Cover eines guten Journals geschafft hatte, gab es eine zumindest mittelgroße Feier im gesamten Institut. Man wertete dies schlichtweg als ganz besondere Form der Wertschätzung für den jeweiligen Inhalt – und entsprechend groß war deshalb die Freude.

Bis heute scheint sich an dieser Freude nicht wirklich was geändert zu haben – wie ein kurzer Blick nach Twitter verrät. Da jubelt beispielsweise letzte Woche einer, dass eine Studie mit seiner Beteiligung durch die Cover-Illustration der Mai-Ausgabe von Lancet Oncology ganz besonders gewürdigt wird.

Einen Tag danach verkündet eine walisische Professorin:

Und wieder einen Tag später wird folgende Nachwuchsforscherin geradezu euphorisch:

„Doch wird die Freude allzu groß, legt irgendwo ein Spielverderber los.“ Und in diesem Fall könnten drei italienische Wirtschaftsforscher diese Rolle besetzen. „Cover effects on citations uncovered: Evidence from Nature“ übertitelten sie ihre Studie, die gerade frisch im Journal of Infometrics erschien (16(2): Art. 101293; im Preprint hier lesbar). Im Abstract schreiben sie:    Diesen Beitrag weiterlesen »

Endlich Frühling! …

4. Mai 2022 von Laborjournal

… Zeit, den Pandemie-Winter abzuschütteln, das Fenster aufzureißen und das Frühjahr tief in die Lungenflügel zu saugen. Oh, wer liebt nicht diesen Frühlingsduft von Schnee­glöck­chen, Narzissen und Krokussen, der an vergangene Picknicks erinnert und auf laue Sommerabende hoffen lässt. Macht es Ihnen nicht auch direkt gute Laune, wenn dieses ganz bestimmte Aroma frisch gemähten Rasens in der Luft liegt?

Doch im Gegensatz zu Ihrer Hochstimmung ist dieser Duft eigentlich ein Zeichen der derzeitigen Übellaunigkeit Ihrer Grünfläche. Entkommen kann sie der mähwütigen Kleingärtnerschar schließlich nicht. Ohnmächtig bleibt ihr nur eines: ein chemisches SOS abzusetzen. Was dem Rasenmähermann und der Rasenmäherfrau dann in die Nasenhöhlen strömt, ist ein wahrer Cocktail an Alkoholen und Aldehyden. Einem Großalarm gleich metabolisieren verletzte Grünpflanzen nämlich α-Linolensäure mithilfe von Lipoxygenasen und Hydroperoxidlyasen zu flüchtigem cis-3-Hexenol – aka „frisch gemähtem Gras“ – und reduzieren, isomerisieren und verestern es alsdann zu einer Vielfalt grüner Blattduftstoffe.

Natürlich macht Ihre Rasenfläche das nicht Ihres Schreberglücks wegen, sondern aus Überlebensgründen. Der chemische SOS-Ruf warnt nicht nur Pflanzenkumpane in der Nachbarschaft und wirkt toxisch auf Pilze und Bakterien, sondern wehrt fressgierige Herbivoren ab. Denn Hexenol-Derivate locken parasitierende Schlupfwespen an, die ihre Eier unter anderem in gefräßige Insekten-Larven legen. Während das für die Pflanzenschädlinge den Tod bedeutet, hilft es gegen Ihre eiserne Rasenmähermaschinerie natürlich nicht. Beim nächsten Grünflächen-Stutzen denken Sie daran, dass das Duftbouquet keine persönliche Einladung an Sie zum Verweilen ist, sondern Ihre Wiese Sie gerade als Fressfeind ächtet.  Diesen Beitrag weiterlesen »