Der Lohn der Forschung

5. Juli 2021 von Laborjournal

Einzig der Wahrheit seien Forscher und Forscherin verpflichtet. Und selbstlos seien sie dabei. Immer bestrebt, Wissen und Erkenntnis zu mehren. Nicht zum eigenen Ruhm, sondern allein zum Wohle aller. Soweit das hehre Ideal.

Jedoch sind Forscherinnen und Forscher auch nur Menschen. Und Menschen brauchen Anerkennung, brauchen Bestätigung.

Wie aber erfahren Forscher und Forscherinnen Anerkennung? Was ist deren wirklicher Lohn?

Geld kann es nicht sein. Schon im mittleren Management verdient man mehr als auf einem Uni-Lehrstuhl. Und überhaupt kann man mit den entsprechenden Qualitäten vielfach woanders leichter „Karriere machen“.

Auch die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums kann es kaum sein. Denn wenn nicht gerade weltweit Corona unterwegs ist und man Christian Drosten heißt – wann wird dann eine Forscherin oder ein Forscher schon mal in die großen Medien gehievt. Zu speziell, zu wenig publikumstauglich ist in aller Regel, was sie tun.

Bleibt also nur die „Szene“, die „Community“. Die umfasst schon nahezu alles, woher Forscherin oder Forscher sich Anerkennung erhoffen kann. Denn nur aus der Community kommt mal jemand und klopft einem auf die Schulter. Sagt dann vielleicht: „Super Sache, wie Du Protein X kristallisiert hast – ein derart ausgefuchstes Membranprotein, das war doch extraschwer.“ Oder etwa: „Respekt, das war eine sehr elegante Strategie, wie Du gezeigt hast, dass Gen Y bei Pathway Z mitspielt.“ Oder – etwas moderner – womöglich: „Alle Achtung! Wirklich klasse, der Algorithmus, den Du zum Aufspüren dieser nicht-codierenden Steuerelemente in allen möglichen Genomen geschrieben hast.“

Zugegeben, das tut gut. Aber ist dies tatsächlich der potenzielle Lohn, der Forscherinnen und Forscher im Innersten antreibt? Oder reicht dafür vielmehr wirklich die reine Befriedigung der sprichwörtlich starken Forscherneugier aus?

Die Antworten der wenigen, die überhaupt darüber reden, gehen tatsächlich oftmals in diese Richtung. So sagte etwa einer, es sei ihm Lohn genug, wenn er nach jahrelanger Arbeit endlich „die wunderschöne, in ihrer Perfektion von keinem Kunstwerk zu übertreffende Struktur“ des Proteins Sowieso auf dem Monitor bewundern könne.

Noch schöner allerdings drückte es folgender „Lonesome Researcher“ aus: „Für mich gibt es nichts Erregenderes, als wenn ich spät abends endlich das Ergebnis langer Versuchsreihen sehe – und dann voller Ergriffenheit registriere, dass ich für diese eine Nacht der einzige Mensch auf der ganzen Welt bin, der das jetzt weiß.“

Geht es euch Forscherinnen und Forschern da draußen tatsächlich manchmal genauso?

Ralf Neumann

 

Systemtreue Forscher

2. Juni 2021 von Laborjournal

Kürzlich klagte jemand in einer E-Mail an die Redaktion: „Da gibt es etwas, das ich einfach nicht verstehe. Schon vor zwanzig Jahren hörte ich Doktoranden und Postdocs immer wieder stöhnen, wie schlimm sich das Wissenschaftssystem entwickelt habe und wie sehr sie unter prekären Arbeitsverhältnissen sowie Instituts-Hierarchien und -Platzhirschen leiden würden. Jetzt sind die meisten von ihnen selbst Gruppenleiter, Instituts-Chef oder sogar noch mehr. Aber nichts hat sich geändert, sie verhalten sich heute genauso wie diejenigen, die sie damals kritisiert haben – vielleicht sogar noch schlimmer. Dabei sind doch sie es, die heute die Dinge tatsächlich ändern könnten, über die sie damals noch so gemeckert haben – wenigstens in ihrem eigenen Umfeld. Da muss man sich schon fragen: Wollen sie das inzwischen vielleicht gar nicht mehr?“

Gute Frage. Eine mögliche Antwort lautet: Sie wollen schon lange etwas anderes. Stehen für Promovierende und junge Postdocs anfangs noch Neugier und Erkenntnisdurst im Vordergrund ihres Forschungsstrebens, rückt mit zunehmender Zeit ihre eigene prekäre Situation angesichts zeitlich befristeter Verträge und Förderungen immer stärker ins Bewusstsein. Mit der Folge, dass die Forschung an sich für Jungforscherinnen und Jungforscher zunehmend seinen Selbstzweck verliert – und stattdessen als „Mittel zum Zweck“ für das eigene Karriere-Management herhalten muss. Aufgrund der prekären Situation wird das Karriere-Management jedoch zwangsläufig zum Risikomanagement – und der Nachwuchs kann es sich daher immer weniger leisten, nur aus reiner Neugier spannenden, aber riskanten Projekten nachzugehen.

Das Dumme ist, dass diese Art Karriere-Management von diesem Punkt an nicht mehr aufhört – auch an der Spitze der Pyramide nicht. Gut, dort heißt das dann wohl eher „Reputations-Management“. Aber die Lage bleibt ähnlich heikel: Für die Allermeisten fließen die Fördermittel nur sehr kurzatmig, und der Publikations-Strom darf nicht abreißen. Das ist natürlich weiterhin Gift für riskante Forschungsvorhaben, sorgt aber noch für etwas anderes: Man bleibt im System gefangen. Und abgesehen davon: Wer ändert schon gerne was an einem System, in dem man es trotz allem „ganz nach oben“ geschafft und somit so viele andere hinter sich gelassen hat?

Ralf Neumann

(Illustr.: AdobeStock / Good Studio)

(Der Beitrag erschien bereits in leicht anderer Form unter „Inkubiert“ in unserer Print-Ausgabe 4/2021.)

 

Wenn’s Werkzeug nicht passt, geh’ ich da nicht dran

21. Juli 2020 von Laborjournal

Wann bringt Forschung den größten Ertrag? Wenn man mit seinem Projekt auf einem breiten, gut gesicherten Pfad wandelt? Oder wenn man auf einem riskanten und herausfordernden Trip neue Schneisen in ein dunkles und unwegsames Dickicht schlägt?

Die Antwort ist klar und bis heute immer wieder neu belegt: Die leckersten Früchte pflückt man nicht aus sicherem Bodenstand vom Baum, da muss man schon eine aufwendigere Kletterpartie riskieren.

Warum macht es die große Mehrheit der Forscherinnen und Forscher dennoch anders? Warum bleiben sie auf ausgetretenen Pfaden und pflücken mickrige Früchte in Kopfhöhe?

Vor einigen Jahren rechneten kanadische Biochemiker vor, dass drei Viertel der Paper über menschliche Proteinkinasen nur rund fünfzig der über fünfhundert bekannten Kinasen abdeckten — und dass sich in diesem Zehntel immer noch fast ausschließlich diejenigen „alten Bekannten“ tummelten, die schon seit Jahrzehnten auf zahlreichen Labortischen schwimmen. Doch damit nicht genug: Auch bei den pharmakologisch ebenso spannenden Proteinfamilien der Ionenkanäle und Nukleären Hormonrezeptoren waren die Verhältnisse ähnlich „konservativ“, wie die Kanadier weiter fanden.    

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Wenn die Industrie deine Forschung finanziert,…

29. Januar 2020 von Laborjournal

Money makes research go round, so wird oftmals der Musical-Klassiker von Liza Minelli aus „Cabaret“ abgewandelt. Was gemeint ist, ist klar: Nur wer ordentlich Fördermittel von Dritten einwerben kann, wird in der modernen Bioforschung nennenswerte Ergebnisse produzieren können. Und nur wer ordentlich Ergebnisse produziert (und veröffentlicht!), wird letztlich eine nennenswerte Forscherkarriere hinlegen können.

Kommen die Drittmittel aus öffentlichen Quellen oder Stiftungen, ist man nach der Bewilligung des Antrags in aller Regel ziemlich frei in Gestaltung und Durchführung des Projekts. Wird das Projekt hingegen von einem Industriepartner finanziert, sieht die Sache oftmals anders aus.

Beispielsweise werden erst einmal umfangreiche Verträge gemacht, wie mit den erzielten Ergebnissen zu verfahren sei. Darin ist dann etwa festgehalten, dass der Forscher sämtliche Resultate zunächst dem Industriepartner vorzulegen habe, damit dieser vor Veröffentlichung prüfen kann, was er davon möglicherweise patentrechtlich schützen möchte. Und wenn das Unternehmen — nach Patentanmeldung oder auch nicht — endlich grünes Licht für die Ver­öffent­lichung der Daten gibt, will es natürlich auch noch das entsprechende Manuskript vor der Einreichung bei einem Journal prüfen, um darin Änderungen vornehmen oder zumindest vorschlagen zu können.

Auf diese Weise kann schon mal erhebliche Zeit vergehen, bis die Forscher zu ihren teilweise dringend benötigten Veröffentlichungen aus dem Projekt kommen.

Öfter schon haben wir von solchen oder ähnlichen Fällen im Rahmen von Industrie-finanzierten Projekten gehört. Neu hingegen war für uns, was jemand in einer schon etwas älteren Umfrage über das Vorgeplänkel einer Pharma-finanzierten klinischen Studie berichtete (J. Empir. Res. Hum. Res. Ethics 1(1): 43-50). Die Umfrage zitiert sie oder ihn folgendermaßen:

Zum Beispiel geht es bei einer bestimmten Studie, an der ich beteiligt bin, um Medikamente, die die Nebenwirkungen gewisser Strahlungen abschwächen sollen. Die Firma, die das Medikament herstellt, will eine gewisse Kontrollgruppe nicht in die Studie aufgenommen haben — und wird sie nicht finanzieren, wenn es diese Kontrollgruppe doch geben sollte. Daran ist nichts Illegales, und ich weiß ja auch, dass so etwas ständig passiert. Das läuft eben so!

Natürlich liegt das auch daran, dass die Regierung nicht genug Geld aufbringen kann, um all die klinische Forschung zu finanzieren, die durchgeführt werden müsste. In dieser Studie ist die Forschungsleiterin jedoch eine befristet angestellte Assis­tenz­professorin. Und die Verhandlungen mit dieser Arzneimittelfirma haben sie jetzt schon viel Zeit gekostet — was es für sie immer schwieriger macht, eine feste Anstellung zu bekommen. Der Druck nachzugeben, wird daher irgendwann zu groß für sie. Schließlich hätte sie die Studie schon vor Monaten beginnen können, wenn sie einfach gesagt hätte: „Klar, geben Sie mir das Geld — und ich tue alles, was Sie wollen.“

Das heißt, das Unternehmen macht seine Finanzierung erstmal nicht vom Umgang mit den Ergebnissen der Studie abhängig, sondern vielmehr von ganz konkreten Eingriffen in deren Design. Und diese scheinen zumindest nach Ansicht der Forschungsleiterin, die die Studie ursprünglich konzipiert hat, so gestaltet, dass der objektive wissenschaftliche Wert der Studie klar ge­schmä­lert wird.

Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder möchte das Ganze kommentieren? Entweder gleich hier unten für alle, oder per E-Mail an unsere Redaktion.

Ralf Neumann

(Foto: iStock / Sezeryadigar)

Bessere Forscher nach frühen Fehlschlägen?

12. Juni 2019 von Laborjournal

Über Wohl und Wehe eines erfolgreichen Förderantrags entscheidet einzig und allein die wissen­schaftliche Exzellenz des Kandidaten und seines beantragten Projekts. Gerade die Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betonen dies immer wieder neu als oberste Maxime. Der Gedanke dahinter ist klar: Die Besten von heute werden ziemlich sicher auch die Besten von morgen sein — gerade, wenn man sie schon früh identifiziert und fördert. Hinterfragt hat das bislang nahezu niemand.

Umso überraschender verkünden jetzt drei Herren namens Wang, Jones & Wang von der North­western University in Evanston/USA, dass diese These von „Früh top, immer top“ womöglich stärker wackeln könnte als gedacht (arXiv:1903.06958v1).

Wie kommen sie darauf? Diesen Beitrag weiterlesen »