Viel zitierte Rattenfänger

9. November 2010 von Laborjournal

Viele Zitate ist gleich gute Forschung. Diesen Schluss ziehen viele. Kann man aber eigentlich nicht. Denn was heißt es ganz nüchtern betrachtet, wenn einen viele zitieren? Zuerst einmal bedeutet es, dass man viele Kollegen von dem Weg, den man ihnen vermeintlich mit den eigenen Ergebnissen weist, überzeugen konnte. Das Problem allerdings ist, dass man auch elegant und überzeugend auf das falsche Ziel schießen kann.

Ronald Kostoff nannte dies 2002 in seinem Buch „Research program peer review: Principles, practices, protocolsRattenfänger-Effekt (Pied Piper Effect). Er beschrieb dazu unter anderem folgendes hypothetisches Szenario:

„Assume there is a present-day mainstream approach in a specific field of research; for example, the chemical/ radiation/ surgical approach to treating cancer […]. Assume the following hypothetical scenario: there exist alternative approaches to treatment not supported by the mainstream community; in fifty years a cure for cancer is discovered; the curative approach has nothing to do with today‘s mainstream research, but is perhaps a downstream derivative of today‘s alternative methods; it turns out that today‘s mainstream approach sanctioned by the mainstream medical community was completely orthogonal or even antithetical to the curative approach. Diesen Beitrag weiterlesen »

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs

5. November 2010 von Laborjournal

Ein Klassiker hatte gerade zehnjähriges Jubiläum: In seiner Oktoberausgabe 2000 bewies das Journal of Systems and Software enormen Humor und druckte auf Seite 1 „A letter from the frustrated author of a journal paper „. Großartig! Das Ganze geht los mit:

Dear Sir, Madame, or Other:

Enclosed is our latest version of Ms. #1996-02-22-RRRRR, that is the re-re-re-revised revision of our paper. Choke on it. We have again rewritten the entire manuscript from start to finish. We even changed the g-d-running head! Hopefully, we have suffered enough now to satisfy even you and the bloodthirsty reviewers.

Und dann geht’s richtig zur Sache. Noch ein Beispiel:

Still, from this batch of reviewers, C was clearly the most hostile, and we request that you not ask him to review this revision. Indeed, we have mailed letter bombs to four or five people we suspected of being reviewer C, so if you send the manuscript back to them, the review process could be unduly delayed.

Wie gesagt, ein Klassiker! Allerdings einer, der in der deutschsprachigen Life Science-Szene kaum bekannt scheint. Das wollen wir nun ändern. Bei Elsevier muss man für die Originalveröffentlichung aus dem Journal of Systems und Software zwar zahlen, aber den ganzen Text gibt’s noch mannigfach woanders im Web — etwa hier, oder hier.

Viel Spaß! Aber Vorsicht, Betroffenen könnte das Lachen im Hals stecken bleiben.

‚Equal Contributors‘ und ‚Co-Corresponding Authors‘

26. Oktober 2010 von Kommentar per Email

Sehr geehrte Mitglieder der Laborjournal-Redaktion,

[…] Ralf Neumann beklagte in einer ‚Inkubiert‘-Glosse die noch junge Praxis der Wertung von Autorenbeiträgen auf wissenschaftlichen  Publikationen. Er findet es lustig, dass in einer stetig wachsenden Zahl von Publikationen darauf hingewiesen wird, welche Autoren etwa gleich viel zu der jeweiligen Studie beigetragen haben und wer neben der an letzter Stelle der Autorenliste stehenden Person als ‚co-korrespondierender Letztautor‘ anzusehen sei. Dabei ist das weder lustig, noch auf flächendeckenden Nepotismus bei der Autorenreihung zurückzuführen, wie Herr Neumann andeutet.

(Der Text der Glosse im Wortlaut:)

Veröffentlichungen sind das Brot des Forschers, Autorenzeilen das Pfund, mit dem er wuchert. Dafür, und vor allem dafür bekommt er Anerkennung von seinesgleichen. Lob, Ruhm und Ehre und damit die Karriere hängen von nichts auch nur annähernd so stark ab, wie „wo man überall drauf steht“. Und an welcher Stelle! Ja, angesichts derart starken Gewichts sind Autorenzeilen heutzutage höchstsensible Angelegenheiten geworden. Da wimmelt es bisweilen von Sternchen, Kreuzen, Doppelkreuzen und anderen komischen hochgestellten Symbolen, deren Namen viele gar nicht mal kennen — nur um in der Fußnote neben den Adressen der beteiligten Forscher auch noch das Beitragsgewicht der einzelnen Leute Analysenwaagen-genau zu erklären. Diesen Beitrag weiterlesen »

„Du brauchst mich nicht mit auf’s Paper zu nehmen.“

2. Juli 2010 von Laborjournal

Ich mag Forscher-Biographien. Immer interessant, welche Persönlichkeiten mit welchen Prinzipien oder ‚Philosophien‘ hinter mehr oder weniger erfolgreichen Forscher-Karrieren stecken.

So ’stolperte‘ ich auch kürzlich in einen Essay über Enid MacRobbie. 1991 hatte ich während eines Meetings selbst das Vergnügen eine kleine Weile mit der kantigen >1,80m-Dame zu diskutieren. Doch stopp, Sie kennen Enid MacRobbie nicht? Okay, dann sind Sie sicherlich kein Pflanzenforscher. Lange Jahre leitete sie bis zu ihrer Emeritierung 1999 das Department of Plant Sciences an der University of Cambridge und gilt nicht erst seitdem als Pionierin des pflanzlichen Ionentransports und der damit verbundenen physiologischen Prozesse, wie etwa die Regulation der Spaltöffnungen.

Aber es sind nicht ihre Forschungsleistungen, die mich bei der Lektüre besonders aufmerken ließen. (Der Essay ist übrigens einer von 15 in der Serie „Woman Pioneers in Plant Biology“ auf den Seiten der American Society of Plant Biologists). Besonders angetan war ich vor allem von folgendem Absatz:

An unusual feature of Enid’s approach is that she has actively encouraged the majority of the people who have worked with her to publish papers without her name on them. Thus only about 25% of the papers published by her colleagues during their time in her lab have included her as a co-author. Diesen Beitrag weiterlesen »

TAs mit auf’s Paper?

20. Mai 2010 von Laborjournal
Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Dr. D. Enk, Cerebrologisches Institut Universität Wankelheim.

LJ: Hallo, Herr Enk. Woher kommen Sie gerade?

Enk: Von meiner Technischen Angestellten.

LJ: Experimente besprochen?

Enk: Nein. Ich habe sie gefragt, ob sie Koautorin auf unserem neuesten Paper sein möchte.

LJ: Und? Was hat sie gesagt?

Enk: Sie war ziemlich überrascht. Schließlich war sie noch nie auf einem unserer Paper mit drauf. Diesen Beitrag weiterlesen »

‚Spieglein, Spieglein an der Wand,…

10. Mai 2010 von Laborjournal

… bin ich wohl gut zitiert in diesem Land?‘

Ist es reine Eitelkeit, wenn ein Forscher öfter als andere nachschaut, wie oft seine Arbeiten zitiert werden? Oder gibt es dafür ganz simple und naheliegende Gründe — wie etwa, dass Forscher X bald ‚Zählbares‘ für seine nächste Bewerbung braucht?

Wie auch immer, die US-Bloggerin hinter dem Pseudonym FemaleScienceProfessor bat ihre Kolleginnen und Kollegen in einer Umfrage anzugeben wie oft sie ihre eigenen Zitationsdaten prüfen — völlig unabhängig davon, welche Bedeutung man ihnen beimisst.

Hier das vorläufige Ergebnis:

How often do you check your citation statistics?
Selection Votes
As often as possible 7% 44
Quite regularly, but not obsessively 16% 103
Every once in a while, when I think of it 40% 253
Maybe once a year, if that 23% 147
Never 14% 88
635 votes total

Jetzt wäre doch mal interessant, ob das Ergebnis unter Deutschlands Forschern tendenziell anders ausfallen würde. Kommentare bitte unten!

Wenn der Co-Autor nicht spurt

11. März 2010 von Karin Hollricher

Bloggerin Isis the Scientist warf kürzlich die Frage auf, was man als Autor eines Papers machen soll, wenn sich die Co-Autoren mit ihrem Job — dem Lesen respektive Korrigieren der Publikation vor der Einreichung – sehr viel Zeit lassen. Manchmal mag das nicht schlimm sein, aber was ist, wenn man selber dieses Paper braucht, um sich z. B. auf eine Postdoc-Stelle zu bewerben, und man dementsprechend unter Zeitdruck steht? Diesen Beitrag weiterlesen »

Der Fehlerbalken im Auge des Forschers

4. März 2010 von Laborjournal

Kollege Rehm bat mich gerade, auch hier im Blog auf seine Fortsetzungs-Reportage „Der Fehlerbalken im Auge des Forschers“ auf Laborjournal online hinzuweisen. Momentan erscheint dort täglich eine weitere Folge der Geschichte um vermeintliche oder tatsächliche Datenfälschung. Der Unterschied zu den vielen anderen bekannten Daily Soaps: Es hat sich alles tatsächlich zugetragen. Hier ist Hubert Rehms aktuelle Zusammenfassung:

Seit zwei Wochen läuft auf Laborjournal online die Serie „Der Fehlerbalken im Auge des Forschers“. Was bis jetzt geschah: Zur Jahreswende 2007/2008 gab es eine Auseinandersetzung der Nachwuchsforscher Nikolai Savaskan, damals Postdok am Institut für Anatomie der Charité, mit dem Forschungs-Quereinsteiger Markus Kühbacher. Kühbacher wirft Savaskan vor, in einem gemeinsamen Manuskript Daten gefälscht zu haben. Obwohl dieses Manuskript nie veröffentlicht wurde, schaukelt sich die Sache auf. Der DFG Ombudsman in Hamburg wird angerufen. Die Vermittlung scheitert und der Ombudsman gibt die Sache an die DFG-Kommission zur Aufklärung von Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ab. Weil Savaskan ein Zögling des damaligen Institutsdirektors Robert Nitsch ist und dieser, nach Kühbachers Ansicht, nicht adäquat reagiert, untersucht Kühbacher die Publikationen von Nitsch auf Auffälligkeiten. Er findet auch einige. Weil Kühbacher zudem durch das Verhalten der Sprecherin des Ombudsman Ulrike Beisiegel irritiert ist, untersucht er auch deren Publikationen. Auch hier meint er Auffälligkeiten gefunden zu haben…

Die ganze Geschichte kann also auf Laborjournal online gelesen werden — und hier im Blog, unterhalb dieses Eintrags, kommentiert und diskutiert werden.

„The Origin of Species“, zum 150ten

23. November 2009 von Laborjournal

Laborjournal und Lab Times hatten ja bereits Anfang des Jahres anlässlich des zweihundertsten Geburtstags von Charles Darwin Sonderhefte zum Darwin-Jahr 2009 publiziert. Jetzt ist auch das zweite Darwin-Jubiläum dieses Jahres perfekt: Genau am 24. November 1859 erschien die erste Auflage von The Origin of Species.

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Laborjournal 11/2009…

9. November 2009 von Laborjournal

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… ist ausgeliefert und damit freigegeben für Diskussion, Gemeckere und Lobhudelei. Entweder direkt als Kommentar auf diesen Blog-Eintrag oder via E-Mail an redaktion@laborjournal.de.

Eine Mail hat uns bereits zum Artikel „Die Verantwortung des Wissenschaftlers“ (S. 16) erreicht. Darin moniert der Schreiber, dass der Fälschungsfall im Labor von Peter Chen an der ETH Zürich gerade nicht geeignet wäre, den Sittenverfall in der Forschung zu dokumentieren, der laut Artikelautor Rüdiger Paschotta durch die Strategie der „Großprofessoren“ Einzug gehalten habe. Denn Peter Chen, so führt der Mail-Autor glaubhaft aus, betreibe gar kein „Großlabor“ und stünde schon gar nicht „unrechtmäßig“ auf irgendwelchen Veröffentlichungen. Das Fazit seiner Mail daher :

Grau ist alle Theorie, im praktischen Laboralltag ist vertrauensvolle Kooperation auch mit dem Chef ein hohes Gut. Wenn ein Chef in paranoider Weise alle immer der Fälschung verdächtigt, dann gehört er in die Psychiatrie. Peter Chen ist nach meinen mageren Kenntnissen von Interna hiervon nicht betroffen. Er ist ein sehr guter Wissenschaftler, der reingeflogen ist, leider. Aber das kann vielen passieren, passiert vielen.

Klingt, als müssten wir uns der Sache nochmal annehmen.