Humor ist, wenn man trotzdem …

6. April 2022 von Laborjournal

 

Humor ist bekanntlich Geschmackssache. Schließlich können die Antennen dafür individuell stark variieren – und manchen fehlen sie gar völlig.

Wie aber sieht es damit in Wissenschaft und Forschung aus?

Als wir beispielsweise vor zwanzig Jahren Sidney Brenner – kurz bevor er den Nobelpreis kriegen sollte – fragten, wie wichtig für ihn Humor in der Wissenschaft sei, antwortete er:

Absolut essentiell. Ich denke, zu viele Wissenschaftler nehmen sich selbst zu ernst. Humor ist ein Teil des Lebens, und daher auch der Wissenschaft. Er dreht die Dinge herum und verschafft einem einen anderen Blickwinkel. Und so kann Humor auch zu neuen Erkenntnissen führen. Oder gar beim Entwickeln von Ideen helfen. In der Tat muss eine gute Idee nicht nur gut sein, sondern in gewissem Sinne auch witzig.

Im Geiste unterschrieben wir das. Schließlich ist ja auch von weiteren großen Namen aus der Wissenschaftsgeschichte durchaus bekannt, dass sie zum Lachen nicht unbedingt in den Keller gingen: Albert Einstein, Francis Crick, Kary Mullis, …

Bei anderer Gelegenheit schauten wir uns dann um, wie es mit dem Humor in wissenschaftlichen Originalartikeln – also „Papern“ – steht. Und tatsächlich spürten wir so manches Beispiel für einen gewissen „Guerilla-Humor“ in Abbildungen auf – siehe etwa hier, hier oder hier.

Und witzige Titel? Zumindest kann es wohl kaum als bierernst gelten, wenn Autorinnen und Autoren ihre Artikel mit abgewandelten Film-, Song- oder Literatur-Zitaten überschreiben – wie etwa „Everything you always wanted to know about sex … in flies“. Gerade hierfür fanden wir am Ende sogar richtig viele Beispiele, und hatten sie seinerzeit hier zusammengetragen.

Scheint also doch alles in allem ein eher lustiges Völkchen zu sein, diese Forscher.

Doch dann kam eine gewisse Ernüchterung. Diesen Beitrag weiterlesen »

Wie funktionieren Forscher?

26. September 2014 von Laborjournal

Watson und Crick haben Spaß mit ihrem Spielzeug.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten scheint die Wissenschaftspolitiker in unserer ökonomisierten Welt vor allem eine Frage umzutreiben: Wie kriegen wir am meisten raus aus unseren Forschern?

Und tatsächlich versuchten sie ja so auch einiges an den Drehschrauben des „Systems“. „Mehr Wettbewerb“ war beispielsweise eine Formel — und man schuf damit… mehr Bürokratie.

„Stärkere Vernetzung“ war eine weitere. Was man bekam, war jedoch, dass die Brillanten mit vielen Mittelmäßigen gleichgeschaltet wurden und ihre Zeit und Energie in unzähligen ergebnisarmen Koordinationstreffen vertrödeln mussten.

„Stärkere Konzentration auf Zukunftsthemen“ war auch ein beliebtes Rezept. Was man bekam, waren Schlagworte und Um-Etikettierungen. Der Wurm-Genetiker machte plötzlich „Molekulare Medizin“; und der Membranbiochemiker studierte weiterhin denselben Bindekomplex, nur nannte er es jetzt „Proteomik“.

Und sogar die Architektur wurde bisweilen bemüht, weil doch angeblich in hellen und luftigen Labors die Gedanken besonders hoch fliegen.

Doch hat sich bei alledem eigentlich mal jemand gefragt, wie gute Forscher als Menschen sind und was sie wirklich am meisten wollen. Sicher, man kann sie kaum über einen Kamm scheren — aber wenigstens zeigt die Wissenschaftsgeschichte doch einige Tendenzen:

Gute Forscher sind getrieben von einer bohrenden Neugierde, die sich trotz aller analytischen Sachlichkeit oftmals mit nahezu naiver Fröhlichkeit und ungehemmtem — ja, man kann sagen — Spieltrieb Bahn bricht. Was über die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens hinausgeht, steht dahinter klar zurück — weshalb der Forscher in aller Regel zur anspruchslosesten Subspezies des Homo sapiens überhaupt gehört.

Für sich selbst braucht der Forscher folglich kaum Geld (wohl aber für die Realisierung der Projekte zur Befriedigung seiner Neugier). Weitaus wichtiger ist ihnen hingegen ihre Unabhängigkeit, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor — Albert Einstein, Francis Crick oder Sydney Brenner sind gute Beispiele. Und wie oft umgibt ihre brillanten Ideen eine Aura von Leichtigkeit — beispielsweise die Modellbasteleien von Watson und Crick, oder Kary Mullis’ PCR-Geistesblitz während einer langen Autofahrt durch grandiose Landschaften.

Fröhliche Neugier, Unabhängigkeit, Spieltrieb, Humor, Spaß und Leichtigkeit also. Man hat den Eindruck, dass die Verdrehungen des Systems den Forschern zuletzt all dies eher genommen haben.

Der kleine Fischer

29. November 2013 von Laborjournal

Vor etwa einem Jahr hatten wir an dieser Stelle ein Beispiel, wie Autoren sich einen kleinen Scherz im eigenen Paper gönnten. Die Abbildung einer ausgewachsenen Makrozilie erinnerte sie so sehr an einen Wolkenkratzer, dass sie kurzerhand einen Miniatur-King Kong darauf zeichneten. Das war 1988 — und scheinbar gefiel dies auch den Reviewern so gut, dass sie die kleine Manipulation großmütig ins fertige Paper durchwunken. Oder sie hatten’s glatt übersehen.

„King Kong“ war jedoch bei weitem nicht der erste Gag, den sich Autoren auf diese Art mit ihren Abbildungen erlaubten. Hier kommt noch einer aus dem Paper „The Photosynthetic Cycle. CO2 Dependent Transients“, das Alex T. Wilson und der spätere Nobelpreisträger Melvin Calvin 1955 im Journal of the American Chemical Society veröffentlichten (Vol. 77(22): 5948-57):

Na, gefunden? Falls nicht, ist hier die Vergrößerung eines Teils der Abbildung:

Jetzt ist es klar, oder? Wie hier nachzulesen ist, entsprang der „kleine Fischer“ angeblich einer Wette des damaligen „Grad Students“ Alex Wilson mit der Institutssekretärin, dass er in einem der nächsten Paper solch eine Figur einschmuggeln könne, ohne dass Calvin es merken würde. Wilson gewann die Wette — und man sagt, der bekanntermaßen etwas humorlose Calvin hätte es nie herausgefunden.

Irgendwie schön, dass sich in dem ein oder anderen Originalartikel doch mehr Geschichten verbergen als nur die rein wissenschaftliche.

Titelschacherei

23. Oktober 2012 von Laborjournal

Wie sahne ich mit meinen Artikeln möglichst viele Zitierungen ab? Eine Frage, die sich Forscher sicherlich nicht gerade selten stellen. Kein Wunder, dass einige sogar versuchen, mit mehr oder weniger wissenschaftlichen Methoden belastbare Antworten darauf zu finden. Über eine frische Studie, nach der offenbar eine leicht höhere Wahrscheinlichkeit auf das eine oder andere zusätzliche Zitat besteht, wenn die Gutachter das Manuskript im ersten Durchgang ablehnen, berichteten wir beispielsweise erst vor kurzem im Laborjournal-Blog.

Etwas, das man selbst besser im Griff hat als die Entscheidung der Gutachter, sind die Titel der eigenen Werke. Seit einigen Jahren weiß man in diesem Zusammenhang etwa, dass humorige Überschriften bezüglich nachfolgender Zitierraten offenbar eher von Nachteil sind (J. Inform. Sci. 34: 680-7). Insbesondere Artikel mit vermeintlich richtig witzigen Titeln, so die Autoren, würden  im Schnitt vergleichsweise deutlich weniger zitiert. Diesen Beitrag weiterlesen »

Cover Models

1. November 2011 von Laborjournal

Manchmal fragen wir uns, ob wir in diesem Blog nicht hin und wieder die Ernsthaftigkeit vermissen lassen, die dem Thema Biowissenschaften womöglich angemessen wäre. Aber manche Augenzwinkereien sind einfach zu gut, um sie nicht weiter zu verbreiten — ganz abgesehen davon, dass sie von Forschern selbst gemacht sind und somit deren ganz eigenen Humor wiedergeben.

Einfach großartig in dieser Hinsicht sind die drei folgenden Titelbilder der fiktiven Zeitschrift „Model Organisms“. „Cover Artist“: der Portugiese Pedro Veliça.

 

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„Not amused“ über Asterix-Studie

28. Juli 2011 von Laborjournal

Verkehrte Welt. Da zeigen deutsche Forscher mal Humor und wer beschwert sich? Engländer! Dabei sind doch gerade die für diese Art Humor bekannt.

Worum geht’s? Eine Gruppe von Neurochirurgen von der Universität Düsseldorf um den Assistenzarzt Marcel Kamp analysierte alle Fälle von potentiellen Schädel-Hirn-Traumata in den insgesamt 34 Asterix-Bänden. Die Ergebnisse veröffentlichten sie schließlich in Acta Neurochirurgica (Vol. 153(6), 1351-1355). Marcel Kamp erklärte, dass sie das Paper eigentlich als Weihnachts-Artikel vorgesehen hatten, und zwar „irgendwo zwischendrin — natürlich nicht ganz ernst, aber auch nicht nur als Witz“.

Der Spiegel fasste die Studie schließlich folgendermaßen zusammen:

Die Risikofaktoren für das Auftreten einer anfänglichen Bewusstseinsstörung nach einem Schädel-Hirn-Traum sind demnach:

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (5)

3. März 2011 von Laborjournal

Nette Story, auch wenn sie bereits zweineinhalb Jahre her ist: Während einer Diskussion in einem Online-Forum wettete ein Kommentator mit Nature-Senior Editor Henry Gee, dass er niemals die Worte chthonic, eldritch and preternatural in ein und demselben Nature-Beitrag unterbringen würde. Kurze Zeit später schrieb Gee einen News & Views-Artikel zur Entschlüsselung des Amphioxus-Genoms — und gewann die Wette folgendermaßen:

But with [the] publication […] of the draft genome sequence of Branchiostoma floridae, one of the 25 or so recognized species of amphioxus, this eldritch organism is set to re-enter public life.

[…] The age of genomics has rescued the amphioxus from chthonic obscurity, as new data […] have reinvigorated the study of the origin of the vertebrates.

[…] Such studies reveal the amphioxus genome to be, in fact, of preternatural importance.

Neu war das allerdings nicht. Diesen Beitrag weiterlesen »

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (4)

11. Januar 2011 von Laborjournal

Da sage noch einer in wissenschaftlichen Journals wäre kein Platz für Humor. Vom British Medical Journal (BMJ) ist ja inzwischen bekannt, dass sie jedes Jahr in ihrer Weihnachtsausgabe durchaus Platz für nicht ganz ernst gemeinte Studien frei halten. (Dies spätestens seit 2007, als das weitverbreitete deutsche Unverständnis für britischen Humor  im Zusammenhang mit einem solchen BMJ-Artikel für eine mittlere mediale Katastrophe sorgte.)

Weniger bekannt ist dagegen sicherlich, dass die Zeitschrift Environmental Microbiology am Ende jeden Jahres die witzigsten Zitate aus den Peer Reviews ihrer Gutachter abdruckt.

Our referees, the Editorial Board Members and ad hoc reviewers, are busy, serious individuals who give selflessly of their precious time to improve manuscripts submitted to Environmental Microbiology. But, once in a while, their humour (or admiration) gets the better of them. Here are some quotes from reviews made over the past year, just in time for the Season of Goodwill and Merriment.

So die Einleitung zur jüngsten Sammlung. Und dann geht’s weiter mit knapp 50 Zitaten folgenden Kalibers:

This paper is desperate. Please reject it completely and then block the author’s email ID so they can’t use the online system in future.

The writing and data presentation are so bad that I had to leave work and go home early and then spend time to wonder what life is about.

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Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs

5. November 2010 von Laborjournal

Ein Klassiker hatte gerade zehnjähriges Jubiläum: In seiner Oktoberausgabe 2000 bewies das Journal of Systems and Software enormen Humor und druckte auf Seite 1 „A letter from the frustrated author of a journal paper „. Großartig! Das Ganze geht los mit:

Dear Sir, Madame, or Other:

Enclosed is our latest version of Ms. #1996-02-22-RRRRR, that is the re-re-re-revised revision of our paper. Choke on it. We have again rewritten the entire manuscript from start to finish. We even changed the g-d-running head! Hopefully, we have suffered enough now to satisfy even you and the bloodthirsty reviewers.

Und dann geht’s richtig zur Sache. Noch ein Beispiel:

Still, from this batch of reviewers, C was clearly the most hostile, and we request that you not ask him to review this revision. Indeed, we have mailed letter bombs to four or five people we suspected of being reviewer C, so if you send the manuscript back to them, the review process could be unduly delayed.

Wie gesagt, ein Klassiker! Allerdings einer, der in der deutschsprachigen Life Science-Szene kaum bekannt scheint. Das wollen wir nun ändern. Bei Elsevier muss man für die Originalveröffentlichung aus dem Journal of Systems und Software zwar zahlen, aber den ganzen Text gibt’s noch mannigfach woanders im Web — etwa hier, oder hier.

Viel Spaß! Aber Vorsicht, Betroffenen könnte das Lachen im Hals stecken bleiben.