TAs mit auf’s Paper?

20. Mai 2010 von Laborjournal
Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Dr. D. Enk, Cerebrologisches Institut Universität Wankelheim.

LJ: Hallo, Herr Enk. Woher kommen Sie gerade?

Enk: Von meiner Technischen Angestellten.

LJ: Experimente besprochen?

Enk: Nein. Ich habe sie gefragt, ob sie Koautorin auf unserem neuesten Paper sein möchte.

LJ: Und? Was hat sie gesagt?

Enk: Sie war ziemlich überrascht. Schließlich war sie noch nie auf einem unserer Paper mit drauf.

LJ: Und zu diesem Paper hat sie jetzt besonders viel beigetragen?

Enk: Nein. Nicht mehr als zu anderen auch.

LJ: Ääh … Entschuldigung, aber dann verstehe ich nicht … Wieso soll sie dann ausgerechnet auf dieses mit drauf?

Enk: Ach, ich habe letzte Woche so eine Online-Diskussion zum Thema „Autorenschaft bei Forschungsartikeln” mitverfolgt. Das ging hin und her und wieder zurück. Am Ende waren sich aber ziemlich alle Beteiligten einig darüber, wer alles in die Autorenzeile gehört.

LJ: Und die wären?

Enk: Zuerst einmal diejenigen, die die Idee zu dem Projekt hatten. Denn ohne Idee kein Projekt. Im Idealfall, so betont einer der Diskutanten, sollen die Ideengeber dann aber auch konkret am Projekt mitarbeiten, um die künftige Autorenschaft vollends zu rechtfertigen. Automatisch eingeschlossen sind damit auch diejenigen, die die Mittel für das Projekt bereit stellen, da sie in der Regel für den Antrag die ursprüngliche Idee zum konkreten Projekt entwickeln. Na ja, und dann natürlich alle, die Experimente und Messungen gemacht haben, wie auch diejenigen, die irgendwelche eigenen Antikörper, Zelllinien oder sonst etwas zur Verfügung gestellt haben.

LJ: Und da TAs in der Regel bei den Experimenten und Messungen mitmachen, gehören sie demnach auch zu den potenziellen Koautoren.

Enk: Genau. Das war richtig Thema. Die Leute haben in der Diskussion jede Menge Beispiele angeführt, wo TAs fast die gesamten Messungen gemacht haben und hinterher nicht in der Autorenziele erschienen sind. Fürchterlich aufgeregt haben sie sich. Und waren sich dann einig, dass in solchen Fällen TAs mit aufs Paper gehören – auch wenn sie rein gar nichts zur Idee beigetragen haben.

LJ: Und das hat Sie zum Grübeln gebracht?

Enk: Ja. Für das aktuelle Paper hat unsere TA zusammen mit einem Doktoranden alle Experimente gemacht. Also müsste sie drauf. Auf der anderen Seite heißt es immer, unabhängig vom konkreten Beitrag sei zwingende Bedingung für eine Koautorenschaft, dass jeder einzelne Autor das Paper in seiner Gesamtheit darstellen und vertreten können muss. Und sorry, bei aller Wertschätzung, das kann unsere TA nicht. Dazu hat sie gar nicht die Ausbildung.

LJ: Aber Sie haben sicherheitshalber noch mal nachgefragt?

Enk: Ja. Und habe ihr diese beiden Sichtweisen erklärt.

LJ: Und was hat sie gesagt?

Enk: Dass sie um Himmels willen nicht auf dem Paper drauf stehen will. Am Ende käme noch einer und wolle mit ihr über die „Conclusions” diskutieren, oder so was. Das wäre schon okay so, wie es bisher immer war.

LJ: Und was passiert jetzt?

Enk: Wie üblich. In den „Acknowledgements” wird stehen: „We thank … for valuable technical assistance in performing the three-dimensional imaging analysis.”

LJ: Also frei nach dem Vodafone-Slogan: „Alles bleibt besser.“

Enk: Genau.

LJ: Vielen Dank, Herr Enk.



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10 Gedanken zu „TAs mit auf’s Paper?“

  1. Dr. Glukose sagt:

    Leider ist es ja so, dass Gruppenleiter nicht mehr allzu viel mit Experimenten und Messungen am Hut haben. Das führen alles die TAs, Doktoranden und Diplomanden durch. Der Gruppenleiter diktiert nur, da er meistens sowieso als Lehrstuhlinhaber, Prof. oder sonst was, noch andere wichtige Sachen zu tun hat. Für mich ist es daher selbstverständlich, dass die TAs mit aufs Paper gehören, aber bitte nicht nur in den Acknowledgements. Schliesslich haben diese den praktischen Teil der Arbeit durchgeführt und der macht neben der Idee, 50% des Forschungsvorhabens aus. Leider neben das manche Leute nicht mehr wirklich wahr, dass die TAs sich einen abrackern. Dies merken sie erst, wenn diese mal keinen Bock mehr haben und streiken. Dann steht nämlich das ganze Labor auf dem Kopf!

  2. BadBoyBoogie sagt:

    So ist’s ja auch in der Realität: Selbst wenn’s wohlmeinende Forscher gibt, die ihre TA aufs Paper nehmen würden (wie Dr. Enk und Dr. Glukose), haben die meisten TAs dann eher Bammel vor dem, was nachkommt. Irgendwie bizarr, meint
    BBB

  3. Marc sagt:

    Und was ist mit dem Chef der Doktorandin , die eigeninitiativ ein paar Versuche für ein Projekt einer anderen Arbeitsgruppe in ihrer Freizeit (nennen wir es mal so) gemacht hat, weil es da einen interesanten Ansatz gab? Der muss – neben der Doktorandin – auch drauf, denn nur dank ihm, ist sie ja im Institut. Und wenn die TA nicht will, ist ja wieder Platz für ihn. 🙂

  4. Nasowas ! sagt:

    Muß ich dann auch Mutti mit draufschreiben ? Ohne die wär ich auch net da…

  5. K Rockendorf sagt:

    Nochmals, es steht doch außer Frage, dass Technische AssistentenInnen einen enorm wichtigen Beitrag zu einer Veröffentlichung leisten. Und dass sie sich dafür „abrackern“, sollte ohne Zweifel entsprechend gewürdigt werden – denn bezahlt wird die TA doch wohl hoffentlich für ihre Arbeit, die sie im Labor leistet. Wie es im Interview heißt: „[…], unabhängig vom konkreten Beitrag sei zwingende Bedingung für eine Koautorenschaft, dass jeder einzelne Autor das Paper in seiner Gesamtheit darstellen und vertreten können muss.“ Das setzt einfach eine andere Auseinandersetzung mit dem Thema voraus. Und eine Autorenschaft als kleines „Danke schön!“ für über das Maß geleistete Arbeit scheint mir unpassend.
    Dass Lehrstuhlinhaber ohne jeglichen Beitrag zu einer Veröffentlichung zu ihren „Ehrenautorschaften“ kommen, ist leider vergleichbar, aber taugt doch wohl nicht zur Rechtfertigung.

  6. BadBoyBoogie sagt:

    1. Es soll durchaus TAs geben, die sich nicht nur abrackern, sondern auch inhaltlichen Input geben. Zwar selten, aber auch nicht sooo selten.

    2. „zwingende Bedingung für eine Koautorenschaft, dass jeder einzelne Autor das Paper in seiner Gesamtheit darstellen und vertreten können muss“

    => diese Passage stört mich schon immer. Klingt zwar ganz doll stimmig, AAABER:

    Welcher Bioinformatiker, der völlig zu recht auf einem Multiautorenpaper steht (er hat ja wesentliche Teile erarbeitet), kann „ganzheitlich“ den restlichen, nämlich den biochemischen bzw. molekulargenetischen Teil vertreten? Und vor allem umgekehrt: Welcher Biochemiker/Molekulargenetiker kann mit seinem diesbezüglich maximal marginal vorhandenen Wissen den bioinformatischen Teil vertreten?
    Na?
    Wie oft hab ich in Vorträgen schon gehört: „Dazu kann ich leider nix sagen, das hat Kollege B aus Z gemacht, und der ist heute leider nicht anwesend…“

    Würde man die o.g. „ganzheitliche“ Bedingung zur autorenschaft konsequent durchsetzen, (ich hab nix dagegen!), würde die Zahl der Autoren schlagartig in den Keller sacken. Denn wieso eigentlich sollte man die werten Wissenschaftler-Kollegen anders behandeln als TAs?

    fragt sich
    BBB

  7. Marc sagt:

    @K Rockendorf: Da ist ein Smilie am Ende meines Kommentars… das mit der Ehrenautorschaft war also nicht so ernst gemeint gewesen von mir.

  8. tippex sagt:

    @ K Rockendorf
    … neu ist mir allerdings auch, dass Wissenschaftler scheinbar nicht für ihre Arbeit bezahlt werden, sondern allein von der Autorenschaft zehren müssen.

    Zu tiefst erschüttert zeigt sich,
    tippex

  9. Ralf Neumann sagt:

    Gottseidank sind Publikationen für die Karrieren der TAs nicht so wichtig wie bei Wissenschaftlern. Womit wir aber bei einem ganz anderen Knackpunkt wären. Welche Art Karriere können denn TAs hierzulande überhaupt machen? In der Regel wird man in den frühen Zwanzigern TA — und bleibt es bis zum Ruhestand. Aufstiegsmöglichkeiten nahezu keine, höchstens das Labor kann man wechseln, in der Hoffnung auf eine interessantere und stärker anerkannte Tätigkeit. Habe diese fehlenden Karriere-Perspektiven bei vielen TAs als ziemlich belastend und frustrierend erlebt, weswegen einige auch früh wieder ganz ausstiegen.

  10. Seb sagt:

    Naja – das mit der Karriereleiter hätten sie sich halt dann früher überlegen müsen.. Immerhin steht man irgenwann vor der Wahl entweder eine Ausbildung zu machen oder zu studieren. Im ersten Fall wird innerhalb relativ kurzer Zeit bereits Geld verdient, wogegen Studenten erstmal mindestens 5 Jahre für ihre Ausbildung bezahlen müssen. Und das obwohl sie zumindest ab dem Hauptstudium aktiv im Labor mitarbeiten. Daneben wird von ihnen erwartet sich aktiv mit der Problematik an der sie arbeiten auseinanderzusetzen und ihre Ideen und Ergebnisse bei Vorträgen mitzuteilen und zu verteidigen; wogegen TAs in der Regel (ich habe noch keinen anderen Fal erlebt) zumeist ziemlich froh darüber sind weder an Seminaren teilnehmen zu müssen noch an der Ausbildung von Studenten beteiligen zu müssen. Denkt man jetzt noch weiter dass Doktoranden zu großen Teilen über Stipendien bezahlt werden und somit nach dieser Zeit auf dem untersten Bezahlungsniveau im öffentlichen Dienst beginnen müssen liegen die Vorteile beider Seiten auf der Hand:
    1. TAs fangen früher an zu arbeiten und werden bezahlt
    2. TAs müssen auf wissenschaftlicher Ebene keinerlei Verantwortung übernehmen und meistens nicht ergebnisorientiert arbeiten, was ebenfalls sehr oft extrem frustierend sein kann.
    3. TAs können zwar keine Karriereleiter hochklettern; tun sich aber auch in fortgeschrittenem Alter wesentlich leichter erneut einen Job zu finden.
    4. Wissenschaftliche Mitarbeiter können zwar die Karriereleiter hochklettern, aber wenn man irgendwann mit 45 als Postdoc in den Unis rumschwirrt ist der Zug dahingehend auch bald abgefahren – es sei denn man schafft es zu habilitieren und sich erfolgreich für eine Professur zu bewerben.
    5. Wissenschaftliche Mitarbeiter müssen sich in der Regel auch thematisch mit der Forschung auseinandersetzen und sich für Ideen und Umsetzungen ggf verantworten. Allerdings könnte auch jede TA eigeninitiativ ihre Ideen einbringen und somit aktiv etwas zur Forschung beitragen anstatt, wie in den meisten Fällen, nur das zu tun was ihnen aufgetragen wird ohne sich darüber zu informieren warum sie das eigentlich tun und was man sich noch ansehen könnte.

    Und – natürlich können die meisten Laboratorien ohne die wertvolle Hilfe der TAs nicht ernsthafte Forschung betreiben – weil bei Doktoranden und Diplomanden meist keine Zeit bleibt um sich um Dinge wie Bestellungen, Puffer herstellen, Organisation, Wartung und Pflege der Geräte und ihrer Benutzung und vieles vieles mehr zu kümmern, da neben den Experimenten auch deren Umsetzung geplant werden muss und man ständig am Ball bleiben muss was aktuelle Literatur angeht.
    Daneben fällt auch ins Gewicht dass TAs meist geregelte Arbeitszeiten besitzen; während sich Diplomanden, Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter auch oft die Wochenenden um die Ohren schlagen und oft auch mal länger im Labor bleiben ohne das an den nächsten Tagen abzuziehen.
    Insofern kann ich die Beschwerden von TAs in den meisten Fällen nicht so ganz nachvollziehen – wobei ich die Tatsache dass als Dank für z.B. einen Vektor oder ähnliches der Hersteller als Autor mit aufs Paper kommt auch ungerechtfertigt finde.

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