Talent? Oder Glück gehabt?

19. Juli 2023 von Laborjournal

Ihnen wurde nichts auf dem Silbertablett serviert? Sie haben Blut, Schweiß und Tränen literweise in Ihren Werdegang investiert und die Konkurrenz wohlverdient auf hintere Plätze verwiesen?

 

Jetzt, in diesem Moment, in dem Sie ganz allein vorm Bildschirm sitzen – Hand aufs Herz: Halten Sie sich auf die eine oder andere Weise nicht auch für cleverer, fähiger oder kompetenter als so manch ein Nebenmann und so manch eine Nebenfrau? Also, der Schreiber dieses Newsletters tut es. Schließlich beruht sowohl Ihr als auch mein Erfolg hauptsächlich – wenn nicht ausschließlich – auf unseren persönlichen Eigenschaften: Wir sind talentiert, smart, fleißig, willensstark, leidensfähig und risikobereit! Und hatten – der Wahrheit halber – gelegentlich ab und zu vielleicht auch ein Fünkchen Glück.

Willkommen in der Welt psychologischer Kontexteffekte! Denn objektiv betrachtet sind weder Sie noch ich besonders begabt: Persönliche Eigenschaften wie Talent und Intelligenz sind Gauß-verteilt. Das heißt, zwei Drittel der Bevölkerung liegen innerhalb einer Standardabweichung um den jeweiligen Mittelwert, 95 Prozent innerhalb von zwei Standardabweichungen.  … Hier geht’s weiter >>

„Fälschungen sind immer schlimm, aber seinen Daten haben wir schon länger nicht getraut“

20. März 2019 von Laborjournal

Auch in der Wissenschaft gibt es den sogenannten „Flurfunk“ — und das ist auch gut so! Wie gut, davon bekamen wir eine Ahnung in einem Gespräch, das wir vor einiger Zeit im Rahmen einer Recherche führten — und das ging etwa so:

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LJ: „Herr Professor X, wie sehr schaden die jüngst aufgeflogenen Datenfälschungen des Kollegen Y Ihrem Feld?“

Prof. X: „Gar nicht. Wir haben schon lange bewusst vermieden, auf Ys Daten aufzubauen.“

„Das klingt, als hätten Sie seinen Daten schon vorher nicht getraut.“

Prof. X: „Exakt.“

„Aber der Aufschrei war doch riesig, als die Fälschungen bekannt wurden.“

Prof. X: „Sicher. Geschrien haben allerdings nur die Anderen. Uns ‚Insider‘ hat das überhaupt nicht überrascht. Wir wissen eben viel mehr, als in den Journalen steht. Wie woanders auch, haben wir ein gut funktionierendes Untergrund-Netzwerk. Und da wird früh Alarm geschlagen.“

„Wie muss man sich das vorstellen?“

Prof. X: „Nun ja, wenn jemand die Daten eines Kollegen nicht reproduzieren kann, dann weiß das ziemlich schnell jeder im Feld. Was meinen Sie denn, welches das ‚Flurthema‘ schlechthin auf jeder Konferenz ist? Ich sage es Ihnen: Welche Daten sind robust, und welche sind es nicht; und welcher Forscher macht solides Zeug, und wer nicht.“

„Und bei Y war die Sache schon lange klar?“

Prof. X: „Genau. Wir hatten ihn bereits unter Verdacht, als er die ersten ‚spektakulären‘ Resultate anbrachte. Der eine konnte dies nicht reproduzieren, der andere hatte jenes schon lange vorher vergeblich versucht, ein Dritter hatte ‚etwas mitbekommen‘,… und so weiter. Glauben Sie mir: Wenn sich Leute schon richtig lange mit bestimmten Dingen beschäftigt haben, erkennen sie solche ‚Probleme‘ ziemlich schnell.“

„Also viel Rauch um Nichts?“

Prof. X: „Forschungsfälschung ist immer schlimm, keine Frage. Doch meist richtet sie nicht den Schaden an, den viele befürchten, da die unmittelbar Betroffenen aufgrund der geschilderten Mechanismen sowieso schon lange vorsichtig waren. Laut schreien tun nur andere — vor allem diejenigen, die immer gleich den ganzen Wissenschaftsbetrieb in Gefahr sehen.“

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Okay, wahrscheinlich trifft das nicht für jeden Fall von Forschungsfälschung zu. Wir können uns beispielsweise noch gut erinnern, wie die internationale Pflanzenforscher-Gemeinde zuerst ungläubig und dann zunehmend schockiert reagierte, als nach und nach die Mauscheleien in den Publikationen ihres Zürcher Kollegen Olivier Voinnet aufflogen.

Aber dennoch: Wir wünschen weiterhin guten Flurfunk! Sei es auf Konferenzen oder anderswo.

Ralf Neumann

Illustr.: CoolCLIPS

Zweckentfremdet

27. Mai 2013 von Laborjournal

Oftmals sind es einzelne Anekdoten, die ein besonders scharfes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb werfen. Dies sogar umso mehr, wenn es um etwaiges Schindluder geht, das mancher dort bisweilen treibt.

In diesem Sinne ist auch die folgende kleine Geschichte zum Thema Empfehlungsschreiben („Letter of Recommendation“) zu verstehen, die ein Forscher vor einigen Jahren im Rahmen einer Befragung  erzählte. Demnach hörte er in seiner Postdoc-Zeit über einen sehr bekannten Institutsdirektor, dass dieser solche „Letters of Recommendation“ komplett für seine eigenen Bedürfnisse zweckentfremdete: War jemand richtig gut, schrieb er absolut lausige Empfehlungen, um sie/ihn möglichst lange in seinem Labor zu halten; genügte dagegen jemand seinen Ansprüchen nicht, lobte er sie/ihn über den grünen Klee, um sie/ihn möglichst schnell loszuwerden.

Offenbar sprach sich dieses ethisch mehr als fragwürdige Gebahren jedoch ziemlich schnell hinter den Kulissen herum, so dass den meisten bald klar war: Stellte sich jemand aus dem Labor dieses Schlaumeiers mit lausiger Referenz vor — unbedingt nehmen!

 

Robert Enkes „Botschaft“ auch für den Wissenschaftsbetrieb

15. November 2009 von Laborjournal

enke

Gerade ist im Fußballstadion von Hannover 96 die Trauerfeier für Nationaltorwart Robert Enke zu Ende gegangen. Warum schreibt jetzt Laborjournal darüber? Ein Wissenschaftsmagazin?

Ein Punkt ist, dass es in der Laborjournal-Redaktion einige Fußballfans gibt, die die Umstände des Freitods von Robert Enke sehr berührt haben. Genauso wie wir aus unserer langjährigen Tätigkeit wissen, dass es unter den Bioforschern Deutschlands erstaunlich viele Fußballanhänger gibt — denen es wohl ähnlich geht.

Dies alleine rechtfertigt jedoch sicher nicht, hier an dieser Stelle ein paar wenige Gedanken zu dem traurigen Tod eines herausragenden Fußballers und Menschen zu verlieren. Vielmehr sind es einige offenkundliche Parallelen zwischen dem Profifußball-Geschäft und dem Wissenschaftsbetrieb, weshalb jetzt auch letzterer einmal aufhorchen und innehalten könnte. Diesen Beitrag weiterlesen »