Eine kleine (nicht ganz) fiktive Geschichte über „meistzitierte Paper“

25. Juni 2019 von Laborjournal

Joseph Cooper war schon einige Jahre im Ruhestand. Zufrieden blickte er zurück auf ein jahrzehntelanges Forscherleben, in dem er durchaus einiges erreicht hatte. Vor allem zum Aufbau des Cytoskeletts hatte sein Labor der Forscherwelt eine ganze Reihe beteiligter Proteine und Mechanismen geliefert.

Ja, damals hatte das Forscherleben noch Spaß gemacht, dachte Cooper oft. Und dass er das Glück gehabt hatte, genau zur rechten Zeit aufhören zu können. „Rat race“, „Publish or perish“, „Apply or die“ — all diese üblen Schlag­worte, die heute große Teile des For­schungs­geschäftes charakterisieren, kamen erst ganz zum Ende seiner Karriere auf. Genau­so wie der Wahn um bibliometrische Zahlen und Evaluationen.

Gerade gestern war er wieder auf eines dieser regelmäßigen „Paper-Rankings“ gestoßen. Cooper störte daran nicht nur, dass dort verglichen wurde, was nicht verglichen werden kann — also etwa unter der Überschrift „Life Sciences“ kunterbunt die Zitierzahlen von Apoptose-Artikeln mit denjenigen von Papern über den pflanzlichen Sekundärstoffwechsel oder Multi-Center-Studien über Schuppenflechte verglichen wurden. Nein, da war noch eine andere Sache, von der er sich ganz besonders betroffen fühlte…

Zum x-ten Male präsentierten die Autoren unter anderem eine Liste der meistzitierten wissen­schaftlichen Paper aller Zeiten. Und ganz vorne standen natürlich wieder einmal die allseits bekannten „Methoden-Paper“ zur Proteinmessung von Lowry et al. sowie zur Polyacrylamid-Gelelektrophorese von Ulrich Karl Laemmli. Diese beiden hatten offenbar das Glück, dass deren Methoden auch Jahrzehnte später noch nahezu unmodifiziert und breitflächig angewendet wurden. Und dass man sie dafür immer noch brav zitierte. Das Lowry-Paper, so hieß es in dem Artikel, sammele, obwohl bereits 1951 publiziert, immer noch mehrere hundert Zitate jährlich.

Dass das nicht die Regel ist, wusste Cooper nur zu gut. Auch er hatte 1969 solch einen metho­di­sches „Überflieger-Paper“ geschrieben — zur Bestimmung der Molekulargewichte von Proteinen in SDS-Poly­acryl­amidgelen. Doch dieses erlitt das eher typische Schicksal: Zehn Jahre lang wurde es zitiert wie der Teufel, dann nahm die Zitierrate plötzlich ab, und zwanzig Jahre — oder 20.000 Zitate — später tauchte die Arbeit kaum noch in den Referenzlisten aktueller Artikel auf.

Das allerdings nicht, weil Protein-Molekulargewichte nicht mehr via SDS-Gele bestimmt wurden. Auch nicht, weil jemand ein besseres Gel-Verfahren entwickelt hatte. Nein, die Methode war im weltweiten Experimentieralltag einfach selbstverständlich geworden. Wie das Einstellen von pH-Werten. Und Selbstverständliches braucht keine Referenzen mehr.

„Ist ja auch gut und richtig so“, dachte Cooper. „Sonst würden die Referenzlisten ja irgendwann länger als die Artikel. Es zitiert schließlich auch keiner mehr Watson und Crick, wenn er was über die DNA-Struktur schreibt.“ Dennoch gibt es aus irgendwelchen Gründen, die Cooper nicht verstand, hin und wieder Ausreißer aus diesem Schema. Siehe Lowry und Laemmli.

Das ärgerte ihn zwar nur wenig, aber es relativierte für ihn doch erheblich deren Ruf als „meistzitierte Paper weltweit“.

Ralf Neumann

Bild: „White Wings“, Ölgemälde von Sylvain Loisant

Bessere Forscher nach frühen Fehlschlägen?

12. Juni 2019 von Laborjournal

Über Wohl und Wehe eines erfolgreichen Förderantrags entscheidet einzig und allein die wissen­schaftliche Exzellenz des Kandidaten und seines beantragten Projekts. Gerade die Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betonen dies immer wieder neu als oberste Maxime. Der Gedanke dahinter ist klar: Die Besten von heute werden ziemlich sicher auch die Besten von morgen sein — gerade, wenn man sie schon früh identifiziert und fördert. Hinterfragt hat das bislang nahezu niemand.

Umso überraschender verkünden jetzt drei Herren namens Wang, Jones & Wang von der North­western University in Evanston/USA, dass diese These von „Früh top, immer top“ womöglich stärker wackeln könnte als gedacht (arXiv:1903.06958v1).

Wie kommen sie darauf? Diesen Beitrag weiterlesen »

Keinen Impact, aber Einfluss!

2. Mai 2019 von Laborjournal

(Eine fiktive Geschichte zur Entmystifizierung einiger beliebter Floskeln des modernen Wissen­schafts­betriebs:…)

Professor Suck war Mikrobiologe, seine Leidenschaft waren Zucker. Zeit seines Forscherlebens war er immer wieder auf’s Neue fasziniert davon, was Bakterien mit Zuckern alles anstellen. Und tatsächlich konnte er mit seinen Mitarbeitern auch einiges zum Verständnis davon beisteuern.

Zitiert wurden seine Arbeiten jedoch eher so la la. Suck selbst juckte das allerdings nicht. Er war lange genug Forscher, dass er diese Dinge mit gesundem Selbstbewusstsein einschätzen konnte. Zudem stand er mittlerweile im Spätherbst seiner Forscherkarriere — und musste keinem mehr etwas beweisen.

So dachte Suck jedenfalls. Eines Tages jedoch las er in einem Brief von der Univerwaltung, dass diese nacheinander alle Fakultäten evaluieren wolle und dafür extra ein ständiges Büro mit vier „Evaluationsexperten“ eingerichtet habe. Und kurze Zeit später saß tatsächlich einer dieser jungen und dynamischen „Evaluationsexperten“ bei Suck im Büro…     Diesen Beitrag weiterlesen »

Wachsweiche Zitierzahlen

8. Mai 2013 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. C.H. Eck, Ordinologisches Institut TU Prüftal.

LJ: Frau Professor Eck, Sie scheinen amüsiert. Falls es so ist — darf ich fragen, worüber Sie sich amüsieren? 

Eck: Über Zitate.

LJ: Ach ja? Aber Zitierungen sind doch ein ernstes Geschäft in der heutigen Wissenschaft. Was ist denn passiert?

Eck: Ich habe mir mal sämtliche Paper genauer angeschaut, die einen gewissen Artikel von mir zitieren.

LJ: Was heißt „genauer angeschaut“?

Eck: Das heißt, ich habe nachgesehen, in welchem Zusammenhang sie mein Paper zitieren. Und ob das gerechtfertigt ist oder nicht, ob richtig oder falsch,…

LJ: Interessant. Und was kam raus, dass es Ihnen dieses süffisante Lächeln auf Ihr Gesicht zaubert?

Eck: Mein Artikel wurde laut Google Scholar 32-mal zitiert. Ich selbst sehe es jedoch in nur 60 Prozent der Fälle als tatsächlich passend und gerechtfertigt an, dass und wie ich in dem jeweiligen Paper zitiert wurde. Diesen Beitrag weiterlesen »

Namen zu Nummern

1. Juni 2012 von Laborjournal

Keine Angst, DAS gehört nicht dazu.

Nehmen wir Stefan Kaufmann, Direktor am Berliner Max Planck-Institut für Infektionsbiologie. Klar, dass man wenig Chancen hat, ausschließlich dessen Veröffentlichungen aufgelistet zu bekommen, wenn man „Kaufmann S“ in die einschlägigen Datenbanken eingibt. Den Nachnamen „Kaufmann“ mit dem Initial „S“ gibt es auch in Forscherkreisen ziemlich oft.

Wer allerdings einen Artikel von Stefan Kaufmann vorliegen hat, weiß, dass er sich aus diesem Dilemma mit der Erweiterung seiner Initiale auf „SHE“ behilft. Damit sollte er doch in den Datenbanken eindeutig identifizierbar sein. Leider nicht! PubMed akzeptiert beispielsweise nur maximal zwei Initiale, so dass man allenfalls nach „Kaufmann SH“ suchen kann. Und da ist es wirklich Pech, dass an der Mayo-Klinik im amerikanischen Rochester ein gewisser Scott H. Kaufmann fleißig über den programmierten Zelltod publiziert. Folglich bekommt man unter der PubMed-Abfrage „Kaufmann SH“ einen bunten Mix aus Apoptose-Artikeln und Bakterien-Papern.

Ein Ärgernis, dass vielfach auftaucht, wenn man es mit allzu gängigen Namen zu tun hat. Nach einem Bericht in Nature soll jedoch bald Schluss sein mit dieser Art Autorenkonfusion. Eine Initiative namens Open Researcher and Contributor ID (ORCID) will noch in diesem Jahr ein universelles System zur eindeutigen Identifizierung individueller Forscher einführen. Diesen Beitrag weiterlesen »