Publizieren Editoren allzu leicht im eigenen Journal?

25. Januar 2023 von Laborjournal

 

 

Veröffentlichungen sind das Brot des Wissenschaftlers. Doch wer bestimmt, was veröffentlicht wird? In erster Linie die Editoren der betreffenden Forschungsblätter.

Über diese schreiben die fünf Autoren eines frischen Artikels mit dem Titel „Gender inequality and self-publication are common among academic editors“ (Nat Hum Behav, doi: 10.1038/s41562-022-01498-1):

Die Editoren spielen in diesem Prozess eine Schlüsselrolle, da sie das letzte Wort darüber haben, was veröffentlicht wird – und somit den Kanal kontrollieren, über den Wissenschaftler Prestige und Anerkennung erhalten. Darüber hinaus gehören die Herausgeber selbst zu den wissenschaftlichen Eliten, die von ihrer Community als Experten auf ihrem Gebiet anerkannt sind.

Editoren seien auf diese Weise nicht nur die „Gatekeeper“ der Wissenschaft, sondern suchen vielmehr selbst aktiv nach Möglichkeiten zur Veröffentlichung, führen die Autoren weiter aus. Schließlich arbeite die überwiegende Mehrheit von ihnen als aktive Forscher. Und da die Bewertung von Wissenschaftlern in hohem Maße von bibliometrischen Ergebnissen abhänge, stünden sie selbst unter einem gewissen Zwang, weiterhin eigene Originalarbeiten zu veröffentlichen.

Und wo tun sie das? Oftmals in den von ihnen herausgegebenen Zeitschriften. Was fast genauso oft zu Kontroversen führt. Denn wie die Autoren schreiben:

Solche Kontroversen werden durch die Möglichkeit angeheizt, dass die Beiträge der Editoren bevorzugt behandelt werden.

Und dies könne man durchaus als „Missbrauch des wissenschaftlichen Publikationssystems“ werten.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Journal-Tuning

3. April 2019 von Laborjournal

Wir recherchieren gerade einen Fall, in dem ein Journal seinen Impact-Faktor offenbar auf unlautere Weise aufgeblasen hat — konkret durch übermäßiges Selbstzitieren. Dabei fiel uns ein, dass wir mal vor Jahren in einem fiktiven Stück beschrieben hatten, wie ein Chief Editor den Impact-Faktor „seines“ Journals auch ohne unlautere Mittel deutlich nach oben treiben könnte. Wir stellen es daher hier nochmals zur Diskussion:

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Zwanzig Jahre waren es bald, die Badguy nun Herausgeber von Molecular Blabology war. Eine Zeit, in der er viele Veränderungen erlebte. Vor allem in den letzten Jahren.

Lange war der „Chief Editor“ ein ungeheuer befriedigender Job gewesen. Immerhin war Molecular Blabology die offizielle Zeitschrift der größten blabologischen Fachgesellschaft der Welt — und vielen galt sie auch als die beste. Klar dass auch Badguy selbst im Licht der Zeitschrift erstrahlte, war er damit doch unzweifelhaft ein wichtiger und mächtiger Mann in der Szene.

Lange konnte er dieses Gefühl genießen — bis die Journal-Impact-Faktoren aufkamen. Und die bereiteten ihm eine herbe Überraschung: Molecular Blabology war in der Kategorie „Blabology and Gabblistics“ völlig unerwartet nur auf Platz sechs. Fünf Journals hatten bessere Impact-Faktoren. Und was das Schlimmste war: Auf Platz eins rangierte mit dem European Journal of Molecular Blabology ausgerechnet das Organ der konkurrierenden europäischen Fachgesellschaft.

Doch Badguy konnte nicht nur genießen, er konnte auch anpacken. Schnell wusste er bescheid, wie die Impact-Faktoren berechnet wurden — und bald hatte er auch einige Schwachstellen ausgekundschaftet, die er auf dem Weg zu einem besseren Faktor gnadenlos auszuschlachten gedachte.

Fallstudien und Essays bringen im Schnitt bei weitem nicht so viele Zitierungen wie Originalarbeiten und Technical Reports, hatte Badguy schnell herausgefunden. Zwar brachte Molecular Blabology keine Fallstudien, dafür aber vier Essays pro Heft. So schön diese in der Regel waren, Badguy würde sie streichen und statt dessen mehr Technical Reports aufnehmen. Oder besser noch: Die Zahl der Reviews pro Heft von bisher 2 auf 6 anheben, denn die bringen noch mehr Zitierungen.

Ebenso hatte Badguy spitz bekommen, dass die Zahl der Zitierungen in etwa proportional zu der Länge der einzelnen Artikel ist. Er würde also die Short Communications rausschmeißen und für die Artikel mehr Text — und damit zitierbaren „Content“ — verlangen. Seine einfache Rechnung: Weniger, aber längere Artikel, die zugleich jeder für sich häufiger zitiert werden — damit müsste der Impact-Faktor sofort einen Sprung machen. 

Badguy blieb auch nicht verborgen, dass die „Herren der Impact-Faktoren“ nur Artikel, Reviews und Notes für die Gesamtzahl der Artikel eines Journals berücksichtigten — „Citable Items“ nannten sie diese. Meeting Reports, Editorials und Correspondence-Briefe dagegen zählten sie nicht, obwohl deren Zitierungen wiederum in den Impact-Faktor eingingen. Eigentlich nicht zu verstehen, für Badguy war aber klar: Möglichst viele Meeting Reports, eine große Correspondence-Rubrik und knackige Editorials — das bringt noch mal zusätzlichen Schub.

Und dann hatte Badguy noch eine besondere Idee: Zweimal im Jahr wollte er eine Nomenklatur-Konferenz einberufen, deren Ergebnisse natürlich umgehend in Molecular Blabology erscheinen würden. Die bringen — das ist bekannt — wahnsinnig viele Zitierungen, da sämtliche nachfolgenden Originalarbeiten im betreffenden Feld diese zitieren müssen. 

Schnell hatte Badguy also ein feines „Maßnahmenbündel“ geschnürt. Der „Umbau“ würde zwar noch ein kleine Weile dauern. Aber dann wollte Badguy doch mal sehen, ob er dieses European Journal of Molecular Blabology nicht doch bald… 

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Tatsächlich nur Fiktion? Weit weg von der Realität?

Grafik: iStock / Jossdim