Journal-Tuning

3. April 2019 von Laborjournal

Wir recherchieren gerade einen Fall, in dem ein Journal seinen Impact-Faktor offenbar auf unlautere Weise aufgeblasen hat — konkret durch übermäßiges Selbstzitieren. Dabei fiel uns ein, dass wir mal vor Jahren in einem fiktiven Stück beschrieben hatten, wie ein Chief Editor den Impact-Faktor „seines“ Journals auch ohne unlautere Mittel deutlich nach oben treiben könnte. Wir stellen es daher hier nochmals zur Diskussion:

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Zwanzig Jahre waren es bald, die Badguy nun Herausgeber von Molecular Blabology war. Eine Zeit, in der er viele Veränderungen erlebte. Vor allem in den letzten Jahren.

Lange war der „Chief Editor“ ein ungeheuer befriedigender Job gewesen. Immerhin war Molecular Blabology die offizielle Zeitschrift der größten blabologischen Fachgesellschaft der Welt — und vielen galt sie auch als die beste. Klar dass auch Badguy selbst im Licht der Zeitschrift erstrahlte, war er damit doch unzweifelhaft ein wichtiger und mächtiger Mann in der Szene.

Lange konnte er dieses Gefühl genießen — bis die Journal-Impact-Faktoren aufkamen. Und die bereiteten ihm eine herbe Überraschung: Molecular Blabology war in der Kategorie „Blabology and Gabblistics“ völlig unerwartet nur auf Platz sechs. Fünf Journals hatten bessere Impact-Faktoren. Und was das Schlimmste war: Auf Platz eins rangierte mit dem European Journal of Molecular Blabology ausgerechnet das Organ der konkurrierenden europäischen Fachgesellschaft.

Doch Badguy konnte nicht nur genießen, er konnte auch anpacken. Schnell wusste er bescheid, wie die Impact-Faktoren berechnet wurden — und bald hatte er auch einige Schwachstellen ausgekundschaftet, die er auf dem Weg zu einem besseren Faktor gnadenlos auszuschlachten gedachte.

Fallstudien und Essays bringen im Schnitt bei weitem nicht so viele Zitierungen wie Originalarbeiten und Technical Reports, hatte Badguy schnell herausgefunden. Zwar brachte Molecular Blabology keine Fallstudien, dafür aber vier Essays pro Heft. So schön diese in der Regel waren, Badguy würde sie streichen und statt dessen mehr Technical Reports aufnehmen. Oder besser noch: Die Zahl der Reviews pro Heft von bisher 2 auf 6 anheben, denn die bringen noch mehr Zitierungen.

Ebenso hatte Badguy spitz bekommen, dass die Zahl der Zitierungen in etwa proportional zu der Länge der einzelnen Artikel ist. Er würde also die Short Communications rausschmeißen und für die Artikel mehr Text — und damit zitierbaren „Content“ — verlangen. Seine einfache Rechnung: Weniger, aber längere Artikel, die zugleich jeder für sich häufiger zitiert werden — damit müsste der Impact-Faktor sofort einen Sprung machen. 

Badguy blieb auch nicht verborgen, dass die „Herren der Impact-Faktoren“ nur Artikel, Reviews und Notes für die Gesamtzahl der Artikel eines Journals berücksichtigten — „Citable Items“ nannten sie diese. Meeting Reports, Editorials und Correspondence-Briefe dagegen zählten sie nicht, obwohl deren Zitierungen wiederum in den Impact-Faktor eingingen. Eigentlich nicht zu verstehen, für Badguy war aber klar: Möglichst viele Meeting Reports, eine große Correspondence-Rubrik und knackige Editorials — das bringt noch mal zusätzlichen Schub.

Und dann hatte Badguy noch eine besondere Idee: Zweimal im Jahr wollte er eine Nomenklatur-Konferenz einberufen, deren Ergebnisse natürlich umgehend in Molecular Blabology erscheinen würden. Die bringen — das ist bekannt — wahnsinnig viele Zitierungen, da sämtliche nachfolgenden Originalarbeiten im betreffenden Feld diese zitieren müssen. 

Schnell hatte Badguy also ein feines „Maßnahmenbündel“ geschnürt. Der „Umbau“ würde zwar noch ein kleine Weile dauern. Aber dann wollte Badguy doch mal sehen, ob er dieses European Journal of Molecular Blabology nicht doch bald… 

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Tatsächlich nur Fiktion? Weit weg von der Realität?

Grafik: iStock / Jossdim

Spitzenmediziner schaffen ein Paper pro Woche !?

21. Juli 2017 von Laborjournal

Wieder einmal hat jemand die Veröffentlichungsfrequenz von gewissen „Superstars“ der medizinischen Forschung geprüft. Die Autoren heißen Martin Schmidt, Benedikt Fecher und Christian Kobsda — und ihre Ergebnisse veröffentlichen sie unter anderem in ihrem Blog „Elephant In The Lab“. In dem Beitrag „Doctor coauthor“ etwa schreiben sie:

The 20 highest performing authors in Medicine published more than 7700 articles in seven years.

Genauer gesagt, sind es 7.741 Artikel, die die zwanzig „Über-Autoren“ in den sieben Jahren veröffentlicht haben. Und dies wiederum heißt, dass jeder einzelne von ihnen im Schnitt sieben Jahre lang alle 6,6 Tage ein Paper gezeichnet hat — jedenfalls wenn man unberücksichtigt lässt, dass womöglich zwei oder mehr von ihnen bisweilen auf ein und demselben Paper auftauchen.

Wie auch immer: Uns erinnerte das Ganze sofort daran, dass wir für die medizinischen Fächer solche Rechnungen ja schon mehrmals selber durchgeführt haben. Zuletzt hatten wir das Thema hier im Blog 2014 unter dem Titel „Jede Woche ein Paper — Geht das?“ zusammengefasst. Und wie der Titel schon sagt, kamen wir seit 2002 punktuell immer wieder zu ähnlichen „Spitzenwerten“ wie jetzt Schmidt, Fecher und Kobsda.

Damals schlossen wir den Beitrag mit folgender Frage ans Publikum:

Wer kann uns erklären, wie es jemand schafft, unter Einhaltung aller Kriterien für eine saubere Autorenschaft etwa jede Woche ein frisches Forschungs-Paper zu zeichnen? Oder umgekehrt: Wer kann uns erklären, warum das wahrscheinlich beim besten Willen nicht möglich sein kann?

Geantwortet hat damals leider keiner. Also stellen wir die Frage hiermit nochmals neu…

Ralf Neumann

Die Laborjournal-Redaktion macht Pause!

27. Dezember 2016 von Laborjournal

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Guter Tipp von Forscher Ernst hier links! Denn bis zum 8. Januar 2017 wird hier nix Neues zu lesen erscheinen. Allerhöchstens gibt’s eventuell ein paar spontane Tweets auf @Lab_Journal.

Und in unseren Archiven gibt’s tatsächlich allerhand, was auch heute noch lesenswert ist. Glaubt ihr nicht? Dann stöbert ruhig mal rum auf Laborjournal online — und überzeugt euch selbst!

Ansonsten bis irgendwann im Januar…

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Wozu Journals?

10. November 2016 von Laborjournal

 

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Es ist und bleibt interessant, immer wieder mal in unseren alten Ausgaben zu blättern. Nicht nur, aber auch, um zu sehen, wie sich gewisse Dinge in der Zwischenzeit entwickelt haben.

Kürzlich etwa blieb ich an folgendem Text unserer „Inkubiert“-Kolumne aus Heft 4/2000 (!) hängen:

Wozu braucht man Fach-Journale? Vor allem doch wohl als Vehikel von Information. Allerdings ist da das Internet mittlerweile schneller, billiger, einfacher und vielseitiger. So gesehen erfüllen die Fachblätter also ihre primäre Aufgabe inzwischen nicht mehr optimal. Allenfalls als glorifizierte Listen von Leseempfehlungen taugen sie noch. Womit wir direkt bei der nächsten Frage wären: Braucht man noch ein System des Vorab-Peer Review? Zumal doch gerade auf dem gut gedüngten Boden des anonymen Peer Review-Systems die menschlichen Schwächen der Gutachter oftmals allzu üppig wuchern. Warum also nicht gleich einfach alles unmittelbar und direkt im Internet publizieren — allenfalls durch eine grobe Vorab-Kontrolle von blankem Unsinn freigehalten? Beurteilt nicht sowieso jeder Forscher selbst die Artikel, die ihn interessieren — ob von Gutachtern empfohlen oder nicht? Was ein echter Forscher ist, sollte dies jedenfalls alleine können. Herrliche Diskussionen direkt im Anhang an die einzelnen Artikel könnten sich entwickeln. Nachlesbar und gezeichnet. Ein Artikel wäre nicht nur Information, sondern auch Anstoß zur Debatte. Jedenfalls die guten unter ihnen. Und daran wiederum würde man sie erkennen. Ja, ja — jetzt schreien wieder einige, dass unter solchen Bedingungen doch am Ende jeder Schrott publiziert würde. Hmm? Ohne Journals publiziert vielleicht tatsächlich nur, wer wirklich etwas Neues hat. Und schielt nicht vorrangig danach, durch Publikation in prestigeträchtigen Journals Impact-Punkte zu sammeln.

Scheint es nur mir so, dass wir heute, 16 Jahre später, in dieser Diskussion immer noch weitgehend auf demselben Stand sind?

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Zitat des Monats (21)

12. September 2014 von Laborjournal

Glomski’s problem was that he could only get funding to do very predictable, unexciting research. When money gets tight, often only the most risk-averse ideas get funded, he and others say. […] Funding is so competitive that reviewers shy away from ideas that might not pan out.

[…] Historically, payoffs in science come from out of the blue — oddball ideas or unexpected byways. Glomski says that’s what research was like for him as he was getting his Ph.D. at the University of California, Berkeley. His lab leader there got funding to probe the frontiers. But Glomski sees that farsighted approach disappearing today.

Aus dem lesenwerten NPR-Artikel „When Scientists Give Up“ über zwei Wissenschafts-Aussteiger (der obige Glomski ist einer davon).

Das Gute liegt… manchmal woanders

6. September 2010 von Laborjournal

Es gehört zum Schicksal eines Laborjournal-Redakteurs, dass er immer wieder auf Artikel stößt, bei denen er ganz schnell denkt: Warum steht der nicht bei uns? Ein Phänomen, das inzwischen zunehmend auch bei der Lektüre von  Wissenschaftsblogs auftritt.

So auch jetzt wieder. Im sowieso empfehlenswerten Wissenschaftsblog „Gute Gene, schlechte Gene — Ein Wissenschaftsblog zur Grünen Gentechnik“ ist ein wirklich guter Artikel zum Thema „Wie Wissenschaft funktioniert — und vor allem, wie nicht!“ erschienen. Das Thema allein  ist schon viel. Doch der Artikel enthält noch mehr. Nämlich vor allem ein Fallbeispiel, wie die Politik selektiv Studien mit ihr genehmen Ergebnissen instrumentalisiert, auch wenn diese grottenschlecht gemacht sind. Und wie sie dabei zeitgleich andere, gute Studien mit konträren Ergebnissen ignoriert.

Bevor ich aber jetzt die Details referiere, gebührt der Anstand jedoch vielmehr auf das Original zu verweisen. Es tut zwar weh, „unsere“ Leser aktiv zum Wegklicken auf andere Seiten zu motivieren, aber Autor Stefan Rauschen hat es einfach verdient. Nicht ganz neidfreie Glückwünsche und Danke für den Beitrag auch von dieser Stelle.