Reviewer No. 3

2. Oktober 2014 von Laborjournal

Während einer Recherche zum Thema Peer Review folgende nette Geschichte gehört:

Professor X erinnerte sich, wie er seinerzeit als Doktorand sein allererstes Manuskript abgeschickt hatte und nun aufgeregt auf den Bescheid des Journals wartete. Er kam schließlich mit drei Reviews. Zwei waren positiv, wenn auch mit einigen Änderungswünschen — Review No. 3 dagegen war ein Schlag in die Magengrube. Dass der Gutachter das Paper inhaltlich in tausend Fetzen zerriss, war das eine. Dazu kam das Wie. Reviewer No. 3 präsentierte seine Kritik in einem derart herablassend-aggressiven Ton, dass Jung-X zunächst einmal förmlich die Luft wegblieb. Es wimmelte darin geradezu vor Vokabeln wie „naiv“, „trivial“, „unangemessen“, „unvollständig“, „verirrt“, „Fehlschluss“, „schlampig“, „lächerlich“,…

Als er sich schließlich halbwegs von dem Schock erholt hatte, stieg Zorn in ihm hoch — und er begann, sich „das Arschloch“ vorzustellen. „Sicher so ein frustrierter alter Sack, kurz vor der Pensionierung“, dachte X. „Ein ergrautes, faltiges Alphatier, das Spaß daran hat, den Jungen nochmal so richtig zu zeigen, wo der Hammer hängt. Der ansonsten aber gerade darüber verbittert, dass seine Zeit nun endgültig bald vorbei ist. Da kommt ihm ein Manuskript von so einem kleinen Würstchen wie mir natürlich gerade recht, um all den Frust und die Verbitterung unerkannt, aber wirksam rauszulassen.“

X fand nie heraus, wer tatsächlich dieser „Reviewer No. 3“ war. Allerdings wurde er später selbst Editor und Chief Editor bei mehreren Zeitschriften. Und da gingen natürlich jede Menge weiterer solcher „Reviewer No. 3“-Gutachten über seinen Tisch. Nicht dass er gezielt danach geschaut hatte, aber irgendwann fiel ihm dabei auf, dass die meisten dieser „Reviewer No. 3“-Gutachten eben nicht von bärbeißigen alten Platzhirschen verfasst waren. Ganz im Gegenteil, vielmehr stammten sie auffallend oft aus den Federn junger Senior-Postdocs oder Nachwuchsgruppenleiter.

Gefragt, ob X dafür irgendeine Erklärung habe, antwortete er: „Ich glaube, es kommt von der Unerfahrenheit und Unsicherheit. Die Leute kriegen teilweise ihr erstes Manuskript auf den Tisch — und haben vorher nirgendwo lernen können, wie man einen Review eigentlich macht. Da wollen sie natürlich keinen Fehler machen, um Himmels willen nichts Wichtiges übersehen oder vergessen. Ebenso möchten sie natürlich nicht als „zu sanft“ oder unkritisch erscheinen. Und in dem Zwang, all dies vor allem sich selbst beweisen zu müssen, verlieren sie irgendwann das rechte Maß — und schießen am Ende über das Ziel hinaus…“

Also eher junge aufgeregte Kläffer als bärbeißige graue Platzhirsche.

Best of Science Cartoons (22)

22. November 2013 von Laborjournal

Von The Upturned Microscope.

Paper-Einbruch

10. Juni 2013 von Laborjournal

Oft heißt es, heutzutage würden immer weniger Originalartikel tatsächlich gelesen. Wer dies jedoch noch halbwegs regelmäßig tut, dem dürfte es beim Paperlesen ziemlich sicher schon mal folgendermaßen gegangen sein:

Ein Paper fängt richtig stark an. In der Einleitung führt es ganz verschiedene Befunde äußerst eingängig zusammen und entwickelt dabei eine derart neue und originelle Perspektive, dass sich am Ende die zentrale Frage des Artikels überraschend klar und logisch herausschält. Dann der Ergebnisteil: Saubere Experimente mit allen denkbaren Kontrollen bringen mehr als genug Daten, um eine wasserdichte Statistik durchzuziehen. Drei, vier absolut überzeugende Abbildungen entstehen auf diese Weise. Die Schneise ist damit ins Dickicht geschlagen, der weitere Pfad liegt klar und hell vor einem. Gespannt wartet man als Leser nur noch auf den entscheidenden Clou…

… Doch völlig unvermittelt bricht das Paper ein. Die letzten zwei, drei Datensätze passen zwar irgendwie, lassen die Story aber auf der Stelle treten Diesen Beitrag weiterlesen »

Problematischer Nachwuchs

3. Juni 2013 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. T. Ortenbauer, Forschungszentrum Teilstadt.

LJ: Herr Professor Ortenbauer, ehrlich gesagt — Sie wirken niedergeschlagen?

Ortenbauer: Bin ich wohl auch.

LJ: Warum denn?

Ortenbauer: Schon wieder leer ausgegangen bei der aktuellen Antragsrunde. Wie beim letzten Mal.

LJ: Woran liegt’s?

Ortenbauer: Tja, die Konkurrenz ist zu stark. Beide Male hieß es, sie hätten in meinem Feld schon das Maximum an Projekten bewilligt. Und die wären alle erfolgversprechender als meines.

LJ: Und wie sehen Sie das?

Ortenbauer: Einige andere Gruppen kenne ich ja — und die sind schon sehr gut. Das Tragische dabei ist, dass da ein paar von meinen eigenen Ex-Studenten dabei sind. Leute also, die ich selber ausgebildet habe. Diesen Beitrag weiterlesen »

Zweckentfremdet

27. Mai 2013 von Laborjournal

Oftmals sind es einzelne Anekdoten, die ein besonders scharfes Licht auf den Wissenschaftsbetrieb werfen. Dies sogar umso mehr, wenn es um etwaiges Schindluder geht, das mancher dort bisweilen treibt.

In diesem Sinne ist auch die folgende kleine Geschichte zum Thema Empfehlungsschreiben („Letter of Recommendation“) zu verstehen, die ein Forscher vor einigen Jahren im Rahmen einer Befragung  erzählte. Demnach hörte er in seiner Postdoc-Zeit über einen sehr bekannten Institutsdirektor, dass dieser solche „Letters of Recommendation“ komplett für seine eigenen Bedürfnisse zweckentfremdete: War jemand richtig gut, schrieb er absolut lausige Empfehlungen, um sie/ihn möglichst lange in seinem Labor zu halten; genügte dagegen jemand seinen Ansprüchen nicht, lobte er sie/ihn über den grünen Klee, um sie/ihn möglichst schnell loszuwerden.

Offenbar sprach sich dieses ethisch mehr als fragwürdige Gebahren jedoch ziemlich schnell hinter den Kulissen herum, so dass den meisten bald klar war: Stellte sich jemand aus dem Labor dieses Schlaumeiers mit lausiger Referenz vor — unbedingt nehmen!

 

Rechtliche Möglichkeiten gegen PIs…

5. November 2012 von Kommentar per Email


… — gibt es die überhaupt? Dies fragte uns vor kurzem ein Leser aus der Schweiz, indem er schrieb:

Sehr geehrte Laborjournal-Redaktion,

ich weiß nicht, ob dieses Thema im Laborjournal schon einmal behandelt wurde, aber aus aktuellem Anlass habe ich mich kürzlich gefragt, was Doktoranden und Postdocs eigentlich für rechtliche Mittel haben (sowohl innerhalb der Hochschule, als möglicherweise auch zivilrechtlich), um gegen sogenannte Principal Investigators (PIs) vorzugehen, falls dieses es “zu bunt treiben”. Damit meine ich Situationen, in denen der PI seine Machtposition über Gebühr ausnutzt und Mitarbeiter nach Gutdünken benachteiligt — und dies meist aus persönlichen oder taktischen Gründen.

Ein — natürlich rein hypothetisches — Beispiel:

Der Doktorand/Postdoc X verlässt das Labor. Nachdem er weg ist, wird sein Name von Manuskripten gestrichen, auf denen er ursprünglich “mit drauf” war, und die unpublizierten Daten seiner Arbeit werden nach Belieben ausgeschlachtet. Seine Projekte und Ideen werden von anderen Leuten übernommen und weitergeführt — und wenn er Glück hat, wird er irgendwo allenfalls noch als Co-Autor auftauchen.

Natürlich wäre die Frage nicht nur für diesen speziellen Fall relevant, sondern sicherlich von allgemeinerem Interesse, ob sich Doktoranden/Postdocs von den gottgleichen PIs eigentlich alles gefallen lassen müssen. Oder anders herum: Wo sollte/kann man eine Grenze ziehen, und welche Mittel gibt es im Fall von “Grenzüberschreitungen” des PI.

Wer weiß dazu Genaueres? Wer hat womöglich entsprechende Erfahrungen gemacht?

„Prof Perfide“

18. Juni 2012 von Laborjournal

Vor allem Postdocs sind die Arbeitspferde der biomedizinischen Forschung. Und oft genug sind sie auch ziemlich clever. Dass diese daher immer wieder Probleme mit ihren Chefs/Profs/PIs bekommen, ist nichts Neues — vor allem wenn letztere unter dem ein oder anderen Persönlichkeitsdefizit leiden (auch nicht unbedingt selten).

Solche Konstellationen bergen folglich einigen Sprengstoff, der sich immer wieder auch zu haarsträubenden Geschichten entlädt. Wie etwa zu der folgenden, die uns letzte Woche zu Ohren kam:

Eine Postdoktorandin bekam ihr zweites Kind, kurze Zeit später wurde ihr Vertrag nicht verlängert. Irgendein Zusammenhang? — Man weiß es nicht. Jedenfalls war dies für die Frau natürlich der Karriere-Killer.

Aber was machte der Prof? Dieser räumte sämtliche Klone und Zelllinien, die die Postdoktorandin hergestellt hatte, aus den Schränken — und warf sie weg. Dies tat er indes wohlweislich nicht mit den Klonen, die sie von anderen Labors erhalten hatte — und natürlich behielt er auch ihr Laborbuch.

Dieses gab er daraufhin einer TA und wies sie an, die Experimente genau so zu wiederholen, wie sie darin standen. Innerhalb von neun Monaten reproduzierte sie auf diese Weise exakt die Experimente der ehemaligen Postdoktorandin — so dass „Prof Perfide“ den Artikel schließlich ohne ihren Namen veröffentlichen konnte.

Letzteres übrigens in Nature Genetics.

 

Acht typische Laborkollegen…

15. November 2011 von Laborjournal

… beschreibt Autor Upturned Microscope im Biodata Blog als Comic und im Text. Zum Beispiel diesen hier:

„The Mooch“ samt den übrigen sieben Typen gibt’s hier (als Comic) und hier (die acht Texte). Have fun!

„Information“ von einem Gelehrten

7. Oktober 2011 von Laborjournal

Seit mehr als 15 Jahren bearbeite ich nun Texte für Laborjournal und Lab Times, print wie online. Eine ganz schöne Menge ist da inzwischen zusammen gekommen. Viele davon vergisst man schnell wieder — mit zunehmendem Alter manchmal schneller, als einem lieb ist. Doch manche bleiben im Gedächtnis hängen, einige wenige sogar richtig lange.

Valentin Braitenberg

Zu letzteren gehört ein Essay, den Valentin Braitenberg, ehemaliger Direktor am Tübinger Max Planck-Institut für biologische Kybernetik, im Jahr 2000 für unsere damalige Rubrik „Wenn ich heute Postdoc wär…“ schrieb. Sein Titel war „Informationsbiologie“ und ich erinnere mich aus zwei Gründen an ihn. Einmal enthielt der Essay viele kluge Gedanken und war gut geschrieben. Zum anderen aber hatte man das Gefühl, dass hier einer aus der Gattung Wissenschaftler schreibt, bei denen einem umgehend der Begriff „Gelehrter“ einfällt. Gleichsam jedoch wurde einem bei der Lektüre bewusst, dass diese Gattung Wissenschaftler inzwischen sehr selten geworden ist — und vom Aussterben bedroht.

Valentin Braitenberg ist letzten Monat im Alter von 85 Jahren gestorben. Hier nochmal sein Laborjournal-Essay aus dem Jahre 2000: Diesen Beitrag weiterlesen »