Gebt uns bitte mehr Wörter!

10. Januar 2019 von Laborjournal

Ob bei Paper-Manuskripten oder Konferenzen — überall werden einem strenge Limits für Sprechzeiten oder Wörterzahlen gesetzt. Die Autorin des folgenden Gastbeitrags hat sich gerade ganz besonders darüber geärgert…

Okay, vielleicht ist es mein ganz persönliches Problem. Denn ja, ich gebe zu: Bereits in der Schule habe ich mit Vorliebe ausschweifend Gedichte interpretiert und mit Freude lange Diskussionen über biologische Fragestellungen verfasst. Und dennoch, mit zunehmender Reife habe ich mittlerweile auch etwas gegen Geschwafel und unnötige Repetitionen oder Füllwörter — sei es in Text- oder Sprechform — und versuche diese grundlegend zu vermeiden. Auch ist es klar, dass man zur besseren Verständlichkeit und „Verdaulichkeit“ für Außenstehende komplexe Sachverhalte in klare, präzise und eindeutige kurze Sätze fassen (können) sollte — zumal dies überdies den Eindruck von besonderer Kompetenz in dem jeweiligen Gebiet vermittelt.

Dennoch befinde ich mich diesbezüglich gerade in einem Zwiespalt. Und bin zunehmend frustrierter.

In Journal Clubs beschweren wir uns über Publikationen, bei denen unserer Meinung nach unerhörterweise wichtige Details „nirgendwo erwähnt werden — nein, auch nicht in den Supplements!“. Ebenso ärgern wir uns bei der Etablierung oder Optimierung von Methoden und Fragestellungen über all die Publikationen, in denen Zellzahlen, Konzentrationen, Antikörper-IDs, usw. nicht oder nur unzureichend angegeben werden. Im Gegensatz dazu bricht Freude aus, wenn wir tatsächlich eine komplette Doktorarbeit (!) zu dem gewünschten Thema im Netz finden, mit der man nun endlich Schritt für Schritt sämtliche Abläufe und Details komplett nachvollziehen kann.

Wir alle arbeiten an komplexen Themen und Fragestellungen. Und um diese einem Außenstehenden ausreichend erklären zu können, bedarf es nun mal eines Mindestmaßes an Zeit oder Worten. Aber nein, gerade wir jüngeren Wissenschaftler bekommen auf Fachkonferenzen ganze drei, fünf oder — welch’ ein Glück! — zehn Minuten zur Verfügung gestellt, um unser Projekt und unsere Ergebnisse vorzustellen (oder gar uns selbst und unsere Kompetenzen?).

Sicherlich, man sollte diese Präsentationen als „Teaser“ verstehen, in denen man kurz und knackig auf sich aufmerksam macht — das Interesse weckt, um dann in der darauffolgenden Pause oder Poster-Session auf mehr und konkretere Resonanz zu hoffen. Wenn es aber um Publikationen geht, frustriert mich die Lage endgültig.

Natürlich kann ich mein Manuskript kürzen, indem ich Aussagen sinnvoll konkretisiere oder aber mit List und Tücke (etwa Bindestrichen…) die Wortzahl künstlich drücke. Aber allem ist irgendwo eine Grenze gesetzt. Und so sehe ich mich letztlich gezwungen, Details im Material- und Methodenteil rauszustreichen, da dies alles ja offenbar „Common Knowledge“ sei. Oder ich verbitte mir jeden tieferen Gedankengang oder Einblick in meine Daten, nur um der lieben Wörter willen.

Irgendwann befinde ich mich dann an dieser kritischen Grenze, ab der sich mein Manuskript durch weiteres Kürzen zwar mehr und mehr der gewünschten Wortzahl nähert, es mit jedem Wort aber auch an Stärke, an Tiefe und letztlich an lebensnotwendiger Substanz verliert. Und ich beginne mich zu fragen, ob und wo ich wohl jemals genug Zeit bekommen werde und genug Wörter verwenden werden darf, um die viele Arbeit, die ich geleistet habe, in angemessenem Maße darlegen zu dürfen? Inklusive all meiner daraus resultierenden Daten sowie den zu Grunde liegenden wichtigen Details und Erkenntnissen. Oder muss ich dafür eigens einen YouTube-Kanal einrichten beziehungsweise extra ein Buch schreiben (quasi eine weitere Dissertation)?

Doch was bleibt mir anderes übrig? Ich beuge mich dem Druck, denn Publikationen „sind alles, was zählt“ — sagen „sie“. Und so sitze ich hier und kürze mein Manuskript, von 4.000 Wörtern auf 3.000, auf 2.500 Wörter,… — ganz nach dem Geschmack des jeweiligen Journals. Und die ganze Zeit trauere ich jedem Absatz, jedem einzelnen Wort hinterher, das doch so wichtig gewesen wäre, um von vorne bis hinten eine verständliche, nachvollziehbare und reproduzierbare Geschichte zu erzählen…

Britta Klein
Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Gießen

Kaffeefahrten statt Meetings

12. Oktober 2017 von Laborjournal

Auch wir Laborjournalisten besuchen hin und wieder Meetings. Erst kürzlich hatte einer von uns wieder das Vergnügen.

Doch einmal im Auditorium, formierten sich während der einzelnen Vorträge wiederholt Gedanken in seinem Hirn wie etwa: „Ah ja, EMBO Journal, vor fünf Jahren ungefähr“. Oder: „Natürlich, die alte Science-Story. Auf die ist er immer noch stolz. Aber kam da seitdem gar nichts mehr nach?“

Zum Schluss gab es schließlich die Closing Lecture vom vielfach gepreisten Großmeister des Faches höchstpersönlich. Einen Review seiner letzten drei Reviews lieferte er ab — brillant vorgetragen, zugegeben. Dennoch die Story kannten wirklich alle — und das schon seit langem. Dafür hätte er sich nicht für vier lange Tage von Frau und Enkelkindern verabschieden müssen…

Kann es denn Sinn von Meetings sein, fast ausschließlich Nachlesbares zu präsentieren? Früher einmal war das nicht so, da wurde tatsächlich öfter noch Work in Progress diskutiert. Aber heute?

Ein italienischer Forscher schrieb denn auch vor kurzem dazu: „Meetings sollten kein Forum sein für artig abgeschlossene Arbeiten, vielmehr sollten sie als Bühne dienen, um neue, durchaus auch gewagte Hypothesen vorzustellen und zu diskutieren.“

Recht hat der Mann. Und er hat weiterhin recht, wenn er noch anfügt: „Heute sind Meetings nur noch dazu nützlich, um Freunde zu treffen, neue Leute kennenzulernen oder Kooperationen zu planen. Deswegen ziehe ich selbst mittlerweile die Kaffeepausen den offiziellen Präsentationen deutlich vor.“

Da gibt es dann wenigstens heißen Kaffee, bei all dem kalten in den Vorträgen.

Vielleicht sollte man sich doch überlegen, statt teuren Meetings einfach gleich ausgedehnte Kaffeefahrten zu organisieren, um die Leute zusammenzubringen…

„Journey-to-Publication“ Clubs

30. Januar 2013 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. B. E. Wahre, Forschungszentrum Bleibfurt.

LJ: Hallo, Herr Wahre! Sie kommen aus dem Seminarraum — Journal Club gehabt?

Wahre: Genau!

LJ: Worum ging’s?

Wahre: Na ja, genau genommen hatten wir heute einen „Journey-to-Publication“ Club. Das machen wir so etwa sechs- bis achtmal im Jahr.

LJ: „Journey-to-Publication Club“, was ist das denn?

Wahre: Wenn jemand ein Manuskript endgültig akzeptiert bekommen hat, stellt der Autor alle Versionen vom ersten Einreichen bis zum finalen Paper vor. Und zusammen gehen wir dabei durch, welche Änderungen letztlich konkret zum akzeptierten Artikel geführt haben.

LJ: Okay, aber…. Entschuldigen Sie meine Offenheit — bringt das was?

Wahre: Oh ja, wir lernen jedes Mal wirklich viel dabei. Diesen Beitrag weiterlesen »