Unseriöse „Datenduplikation“ oder „böswillige Behauptungen“?

14. Juli 2011 von Laborjournal

In der aktuellen Laborjournal-Ausgabe 7-8/2011 berichten wir auf Seite 23 über eine mutmaßliche „Datenvervielfachung“, welche dem Lübecker Dermatologen Ralf Paus zur Last gelegt wird („Sextuplikation in Lübeck fördert Frust in Freiburg!“).

Die Anschuldigungen stammen von der Biologin Karin Wiebauer, die bereits die Enthüllung der Fälschungsaffäre in der Arbeitsgruppe von Silvia Bulfone-Paus (früher Charité, jetzt FZ Borstel) ins Rollen brachte (siehe Seiten 16-22 der gleichen Ausgabe). Die laut Wiebauer verdächtigen Daten wurden in sechs Publikationen zwischen 1997 und 2003 veröffentlicht.

Gegenüber Laborjournal wollte sich Ralf Paus Ende Juni zu den Anschuldigungen Wiebauers noch nicht äußern. Die Universität Lübeck (der Arbeitgeber von Paus) untersucht die Angelegenheit; vor Jahresende sei kein Ergebnis zu erwarten, heißt es dort. Paus sagte gegenüber Laborjournal, ihm würden Nachteile entstehen, falls er sich äußern würde.

Die Universität Manchester hingegen, an der Paus und seine Gattin Bulfone-Paus ebenfalls (zu 20 %) angestellt sind, wies unlängst die Anschuldigungen Wiebauers zurück (siehe hier). Wie die englische Zeitung Times Higher Education am 7. Juli berichtete, habe es ein universitäres Gremium („a panel of screeners“) für nicht nötig befunden, eine offizielle Untersuchung einzuleiten, „because there was insufficient substance to the allegations or, in some cases, they were adequately explained by professors Paus and Bulfone-Paus“.

Paus sagte gegenüber Times Higher Education, er habe dem Gremium erklärt, die Datenduplikation sei entstanden, weil die betreffenden RNA-Proben aus der gleichen Bank stammen würden. Ferner gab Paus gegenüber dem Blatt an, das Gremium aus Manchester habe die Beschwerden unfundiert und böswillig genannt.

Dem Vernehmen nach hat man in Manchester die Vorwürfe nicht eingehend anhand der Originaldaten untersucht, sondern lediglich den Beschuldigten (Paus) angehört.

Karin Wiebauer, die auf die verdächtigen Daten gestoßen war, reagierte „verblüfft“ („puzzled“) über die Erklärung von Paus und die Entscheidung der Universität Manchester. Offensichtlich hält Wiebauer an ihrer Darstellung fest, nach der es keine wissenschaftlich korrekte, rationale Erklärung für die „Sextuplikation“ gebe (siehe Laborjournal 7-8/2011).

Und jetzt? Am besten, Sie machen sich selbst ein Bild zur Sachlage. Hier finden Sie Wiebauers grafisch aufbereitete Analyse der sechs ihrer Meinung nach verdächtigen Publikationen.

Was meinen Sie? Haben Paus und seine Kollegen korrekt gearbeitet oder nicht?

5 Gedanken zu „Unseriöse „Datenduplikation“ oder „böswillige Behauptungen“?“

  1. Pseudomonas sagt:

    Tja, wären die beiden Beschuldigten nicht so vergleichsweise unbekannt und unbedeutend, gäbe es schon längst eine Website im Stile eines VroniPlagWiki, und spätestens nächste Woche wüsste alle Welt, was Sache ist…

  2. Liebe Kollegen,

    Warum sollen dieselben Fehlerbalken eigentlich mal SD mal SEM darstellen?

    Was haltet Ihr von „RobertosFehlerbalkenWiki“?

    Man könnte natürlich auch einen anderen Vornamen verwenden!

    Herzliche Grüße
    Roberto Kleinschmidt

  3. Martin B. sagt:

    Ich habe gerade erst kapiert, das ich R. P. und S. B.-P. sogar über eine Ecke kenne — aus meiner Zeit als studentische Hilfskraft…

  4. Streptococcus sagt:

    Also, wenn die gleichen RNA-Quellen benutzt werden, könnte ich eine leichte Übereinstimmung verstehen.
    ABER die Gelbilder und die Balkendiagramme passen nicht zueinander. Zudem sind die PCR-Bedingungen jedes mal SEHR unterschiedlich (schon verdächtig), so dass man bei der quantitativen Auswertung Unterschiede sehen müßte. Zudem machen 35 PCR-Zyklen für densiometrische Analysen keinen Sinn, weil dann normalerweise die Reaktion maximal ausgereizt ist und überall massiv dicke Banden zu sehen sein müßten. Unterschiede sieht man eher bei so 25 bis 30 Zyklen, vor allem für solch ein häufiges Haushaltsgen wie beta-Actin.
    Dies legt die Vermutung nahe, dass die Balknediagramme dupliziert wurden. Damit wären die Daten für das „Gene of interest“ wertlos, selbst wenn sie „frisch“ produziert wurden. Wie steht’s dann um die Aussagekraft des Artikels bzw. die Glaubwürdigkeit der Autoren?

  5. Winfried Köppelle sagt:

    @Streptococcus:
    „Wie steht’s dann um die Aussagekraft des Artikels bzw. die Glaubwürdigkeit der Autoren?“

    Tja, das ist die Frage, auf die es bisher keine schlüssige Antwort der Autoren gibt. Um feststellen zu können, dass in den genannten Publikationen mehrere Dinge nicht zusammenpassen, reicht augenscheinlich der gesunde naturwissenschaftliche Menschenverstand.

    Leider („leider“, weil so abzublocken wissenschaftlich schlicht unakzeptierbar ist) hat man sich in Manchester entschlossen, die Angelegenheit nicht weiter zu untersuchen, einen Persilschein auszustellen sowie auf Presseanfragen ausweichend bzw. gar nicht zu antworten.
    Die Alternative wäre eine eingehende und keine Fragen offenlassende Untersuchung gewesen. Diese ist in M. unseres Wissens unterblieben.

    Mal sehen, ob die Untersuchungskommission Lübeck mit der Sache glaubwürdiger umgeht als die Uni Manchester – und am Ende schlagkräftige Beweise vorlegt (ob für oder gegen ein Verschulden der Autoren, sei dahingestellt).

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