Antrags-Timing

17. Juli 2011 von Laborjournal

Wie man im Laufrad der Antragsstellerei am ehesten das Tempo hält, ist ein offenes Geheimnis: Man hat das Projekt möglichst schon fast fertig, bevor man den Antrag dazu schreibt. Allerdings sollte man es damit nicht zu weit treiben — denn sonst rügt einen die DFG.

Im letzten Laborjournal schreiben wir unter „Inkubiert“ (S. 8):

Nach dem Antrag ist vor dem Antrag. […] Kaum ist ein Antrag durch, muss man schon den nächsten vorbereiten. Vor allem größere Gruppen haben daher schon seit einiger Zeit eine Art Patentrezept entwickelt: Projekt und zugehörigen Antrag zeitlich gegeneinander verschieben. Heißt also, man beantragt zwar Projekt n, startet mit den bewilligten Mitteln aber bereits (hauptsächlich) Projekt n+1. Konkret bedeutet das, dass man einen Antrag erst stellt, wenn das darin beantragte Projekt n so gut wie fertig ist — und dabei so tut, als wolle man Experimente machen, die man größtenteils schon längst in der Tasche hat. Wird der Antrag dann bewilligt, macht man Projekt n schnell noch fertig, schreibt das Paper — und investiert die restliche Laufzeit und den Großteil des Geldes bereits in das nächste Projekt n+1. Bis n+1 dann tatsächlich beantragt wird, hat man schon genug Ergebnisse für einen soliden Folgeantrag in der Festplatte — und der Zyklus geht von neuem los. Auf diese Weise laufen die Anträge den Projekten hinterher wie der sprichwörtliche Esel der Karotte, die an einem langen Stab vor seinem Gesicht baumelt.

Das Timing muss bei diesem „Spiel“ allerdings stimmen. So sollte man sich etwa dringend davor hüten, vor der Antragsstellung auch schon ein Manuskript bei einer Zeitschrift einzureichen. Dies könnten die Gutachter der DFG nämlich durchaus herausbekommen. Und dann könnte Deutschlands oberste Forschungsförderungs-Organisation sehr wohl ziemlich verschnupft reagieren — wie sie erst kürzlich in einer Pressemitteilung bewies. Unter der Überschrift „DFG spricht erneut Rüge wegen Fehlverhalten aus“ heißt es:

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zieht ein weiteres Mal Konsequenzen aus dem wissenschaftlichen Fehlverhalten von Antragstellern. Der Hauptausschuss sprach jetzt erneut eine „schriftliche Rüge“ gegen einen Wissenschaftler aus. Der Antragsteller hatte in einem bei einer Zeitschrift eingereichten Manuskript über Untersuchungen und Arbeitsergebnisse berichtet, die er laut seines bei der DFG eingereichten Antrags eigentlich erst noch nachweisen und durchführen wollte. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurde festgestellt, dass die Arbeitsziele des Antrags tatsächlich bereits experimentell durchgeführt worden und durch das eingereichte Manuskript und die später veröffentlichte Publikation belegt waren. Dies stellt nach Auffassung des Hauptausschusses ein wissenschaftliches Fehlverhalten dar. Mit seiner Rüge folgte der Hauptausschuss einer Empfehlung des DFG-Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

Nach Ansicht des DFG-Ausschusses und nun auch des Hauptausschusses setzt sich der Antragsteller dem Vorwurf einer „Falschangabe“ im Sinne der Verfahrensordnung der DFG zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten aus, wenn er in seinem Antrag die Durchführung von Experimenten in Aussicht stellt und vorgibt, diese Untersuchungen müssten erst noch erfolgen, obwohl diese tatsächlich bereits durchgeführt worden sind und die Ergebnisse vorliegen.

Oops, die „Esel-Karotten-Taktik“ als wissenschaftliches Fehlverhalten? Da könnten jetzt sicherlich so manchem die Knie weich werden. Allerdings fügt die DFG noch relativierend hinzu:

[…] Nach Auffassung des DFG-Ausschusses entbindet jedoch auch dies einen Antragsteller gegenüber der DFG nicht von der Sorgfaltspflicht, seinen Antrag bei Einreichung mit dem Stand beabsichtigter Publikationen abzugleichen. Bei einer Antragstellung müssten sicherlich auch überzeugende Vorarbeiten geleistet worden sein. Ein fertiges Manuskript mit den entsprechenden Arbeitsergebnissen dürfe aber noch nicht vorliegen.

Puuh, durchatmen! Klar, ein fertiges Manuskript ist sicherlich zu viel des Guten. Aber wie viele Ergebnisse sich wie weit unter „überzeugende Vorarbeiten“ einordnen lassen, ist doch glücklicherweise seeeeehr dehnbar.

Wieder einmal heißt es also: Alles bleibt besser!

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3 Gedanken zu „Antrags-Timing“

  1. mhm sagt:

    und wie soll es sonst funktionieren?
    Ich meine wenn ich noch keine Gelder habe wie soll ich dann „überzeugende Vorarbeit“ leisten?
    Bei diesem System ist doch wissenschaftliches Fehlverhalten und Betrug vorprogrammiert.

  2. Ralf Neumann sagt:

    Als „Antragsstarter“ kommt man in dieses Schema meist nur rein, wenn man sich vom Kuchen des Mentors ein Stückchen mitnehmen kann. Was ja auch oft passiert…

  3. Ralf Neumann sagt:

    Übrigens hat Florian Freistetter das Thema in seinem Blog Astrodicticum Simplex aufgegriffen. Gleich der erste Kommentar verweist auf einen supergut passenden Cartoon bei PHD Comics, den wir auch unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=1431

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