Gleich unter Ersten oder Erster unter Gleichen?

2. Februar 2022 von Laborjournal

Bereits vor einem knappen dutzend Jahren hatten wir die damals gerade aufflammende Praxis der Benennung von „Equal First Authors“ und „Co-Corresponding Senior Authors“ in Forschungsartikeln persifliert. Zugegeben, unsere Zuspitzung geriet damals ziemlich extrem, sodass wir uns damit umgehend eine ordentliche und irgendwie auch verdiente Replik eines „Betroffenen“ einhandelten (beides hier nachzulesen).

Natürlich kam unserem Chefredakteur diese Episode gleich wieder in den Sinn, als er kürzlich auf den Artikel „A Qualitative Study of Equal-Co-First Authorship“ aus dem Jahr 2020 stieß (Account. Res. 27(8):496-520). In dessen Abstract heißt es übersetzt:

In den letzten Jahren hat die Zahl der wissenschaftlichen Artikel, bei denen zwei oder mehr Autoren eine „gleichberechtigte Erstautorschaft“ (ECFA) einnehmen, deutlich zugenommen. Diese Studie […] erörtert die wahrscheinlichen Ursachen für ihre zunehmende Verwendung und untersucht die Argumente für und gegen diese Praxis. Anschließend werden die Ergebnisse einer qualitativen Studie vorgestellt, in der die Meinungen von 19 Autoren, die als gleichberechtigte Erstautoren von aktuellen Veröffentlichungen in führenden Wissenschaftsblättern gelistet sind, zu dieser Praxis eingeholt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Umstände, die zur Zuweisung einer gleichberechtigten Erstautorschaft führen, erheblich voneinander unterscheiden. Zwar sei die Entwicklung einer einheitlichen Strategie für solche Situationen sicherlich nicht einfach, meinten die Teilnehmer, allerdings trage das Fehlen klarer und konsistenter Kriterien für die Zuweisung und Bewertung von gleichberechtigten Erstautorschaften zu Spannungen zwischen den betroffenen Autoren bei – und verschleiere letztlich die angemessene Zuweisung von „Credit“.

Die beiden Verfasser des Artikels hatten 139 Artikel gesammelt, die ihre Autorenzeilen mit gleichberechtigten Erstautoren starten. Diesen Beitrag weiterlesen »

Vergessliche Auftraggeber

25. November 2020 von Laborjournal

(In unserem Artikel „Verdient, aber verschwiegen“ vom 30.10.2020 berichteten wir über eine Studie, nach der auf jedem fünften Life-Science-Paper mindestens ein Nachwuchsforscher fehlt, der die Co-Autorschaft eigentlich verdient gehabt hätte. Der folgende Kommentar, den wir auf daraufhin erhielten, legt nahe, dass es im Forschungsgeschäft offenbar noch eine andere Gruppe gibt, die gerne mal bei der Zusammenstellung von Autorenlisten vergessen wird:…)

 

 

Zu Ihrem Artikel „Verdient, aber verschwiegen“ möchte ich folgendes beitragen: Aus eigener Erfahrung als langjähriger Leiter einer Core Facility für Proteinproduktion/Reinigung kann ich etliche Beispiele nennen, in denen Beiträge von Core-Facility-Mitarbeitern bestenfalls in den Acknowledgements auftauchen, obwohl der Beitrag nicht nur „technischer“ Natur war.

Darunter war beispielsweise die Strukturaufklärung eines Proteinkomplexes, an der die Strukturbiologie-Kollegen gescheitert waren – weswegen sie sich letztlich an unsere Core Facility gewandt haben, da sie eines der beiden Proteine nicht exprimiert bekamen. Wir haben diverse Konstrukte und Bedingungen ausgetestet und schließlich eine Ko-Expression vorgeschlagen, diese erfolgreich durchgeführt und gezeigt, dass der Komplex stabil durch die Gelfitration läuft und sich somit reinigen lässt. Nebenbei haben wir die Phosphorylierungs-Aktivität der Kinase in diesem Komplex gezeigt und zusammen mit der von uns beauftragten Massenspektrometrie-Facility die Phosphorylierungs-Sites des Komplex-Partners nach­ge­wie­sen.

Da die Publikation jedoch erst zwei bis drei Jahre später erschien, wurde der Beitrag beider Core Facilities im Nachhinein wohl nicht als substanziell angesehen. Vielleicht wurde er auch vergessen, man sollte nicht immer hinter allem böse Absicht vermuten. Immerhin wurden wir im Acknowledgement erwähnt – allerdings ohne ins Detail zu gehen, was wir genau beigetragen hatten.

Fairerweise muss man dazu sagen, dass nicht alle „Auftraggeber“ so vergesslich waren – aber mit der Zeit kamen doch einige „Einzelfälle“ zusammen.

Das Beispiel oben mag extrem sein. Allerdings gab es doch etliche solcher Fälle, in denen man als Labormitglied mit Sicherheit als Co-Autor auf dem Paper erschienen wäre – aber eben nicht als Core-Facility-Mitarbeiter. Da es indes immer mehr Core Facilities gibt, die den „richtigen“ Forschern ihre Arbeit erleichtern, indem sie ihnen in der Regel mehr als nur bei der Nutzung eines Geräts helfen und wichtige Ideen beitragen, vermute ich, dass ein hoher Anteil der verschwiegenen Co-Autoren in Core Facilities arbeitet.

Mit freundlichen Grüßen,

Ein ehemaliger Leiter einer Core Facility für Proteinexpression und -reinigung [Name ist der Redaktion bekannt]

(Illustr.: AdobeStock /Good Studio)