Die netten Gutachter von nebenan

22. Mai 2019 von Laborjournal

Als der Autor dieser Zeilen noch Nachwuchsforscher war, begab es sich, dass er mit seinem damaligen Chef ein Manuskript einreichte. Und wie es so üblich war, schlugen sie zugleich eine Handvoll gut bekannter Kollegen vor, die sie für die Begutachtung des Inhalts als besonders geeignet hielten. Beim entsprechenden Journal saß jedoch einer der ärgsten Kompetitoren der beiden im Editorial Board. Schlichtweg ignorierte dieser die Liste und beauftragte umgehend zwei „Experten“ mit dem Peer Review, die selbst eine unvereinbare Konkurrenzhypothese zur Lösung des betreffenden Problems verfolgten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Glücklicherweise wurde es am Ende gar nicht „böse“. Die Gutachter aus dem „anderen Lager“ bewerteten das Manuskript völlig fair und frei von niederen Motiven — und so erschien das Paper einige Zeit später mit nur kleinen Änderungen.

Schöne Anekdote, oder? Zumal dieser Ausgang rein instinktiv auf diese Weise nicht unbedingt zu erwarten war.

Dass diese gegenläufige Erwartung damals dennoch prinzipiell in die richtige Richtung ging, haben inzwischen mehrere Studien unabhängig voneinander bestätigt. Übereinstimmend kamen sie nach Durchmusterung der dokumentierten Begutachtungsgeschichten von zig hunderten eingereichten Manuskripten zu derselben Schlussfolgerung: Von den Einreichern vorgeschlagene Gutachter bewerten Manuskripte im Schnitt signifikant besser und empfehlen deutlich häufiger deren Veröffentlichung, als wenn Editoren die Reviewer gänzlich unabhängig aussuchen. (Siehe etwa hier, hier und hier.)  Diesen Beitrag weiterlesen »

Welche Forschung ist exzellent?

19. Juli 2018 von Laborjournal

Gehen wir die Frage mal mit einem Gedankenexperiment an: Stellen Sie sich vor, Sie begutachten Forschungsanträge für einen großen europäischen Forschungsförderer. Und nehmen wir an, dieser Förderer hätte als Leitlinie ausgegeben, dass einzig „wissenschaftliche Exzellenz“ als Kriterium für die Entscheidungen gelte. Das Anwendungspotenzial der Projekte sei unerheblich, es gebe keinerlei thematische Prioritäten und auch der Grad an Interdisziplinarität spiele keine Rolle. Nur die pure „Exzellenz“!

Okay, verstanden! Sie nehmen sich also die Anträge vor. Der erste formuliert eine brillante neue Hypothese zu einem Phänomen, für das die „alte“ Erklärung erst kürzlich spektakulär in sich zusammengefallen war.

Der nächste dagegen visiert eine „ältere“, ungemein attraktive Hypo­these an, die sich bislang aber jedem rigorosen experimentellen Test entzog — und genau diese quälende Lücke wollen die Antragsteller jetzt auf höchst originelle und einleuchtende Weise füllen.

Der dritte präsentiert einen klaren Plan, wie sich gewisse neue Erkenntnisse für eine völlig neue Methode rekrutieren ließen — eine Methode, die, wenn sie dann funktionierte, ganze Batterien neuer Experimente zu bislang „verschlossenen“ Fragen ermöglichen würde.

Der vierte kombiniert verschiedene vorhandene Tools und Ressourcen auf derart geschickte Weise, dass die Antragsteller damit in der Lage sein würden, riesige Datenmassen zu erheben, zu ordnen und zu analysieren — ein „Service“, mit dem das gesamte Feld zweifellos einen Riesensprung machen würde.

Der fünfte schließlich will auf überzeugende Weise sämtliche zu einem bestimmten Kontext publizierten Daten re- und meta-analysieren, um dann mit dem Paket ein möglichst robustes Simulationsprogramm zu entwickeln — ein Programm, das sicher mannigfach die Entwicklung neuer Hypothesen ermöglichen würde…

Jetzt halten Sie erstmal inne. „Mir war bisher nicht bewusst, auf welche verschiedene Arten Wissenschaft exzellent sein kann“, denken Sie. „Genauso wie exzellente Äpfel, Birnen und Orangen alle exzellentes Obst darstellen. Und die soll man ja bekanntlich nicht miteinander vergleichen.“

Ralf Neumann

x

Forschung steht auf einer Säule, nicht auf vier

3. September 2015 von Laborjournal

Die Institutionen sollen ihren Teil zu Reproduzierbarkeit und zuverlässige Forschung beitragen — das fordern Ulrich Dirnagl, Leiter des Schlaganfallcentrums an der Charité Berlin, sowie Glenn Begley, leitender Wissenschaftler bei der US-Firma TetraLogic Pharmaceuticals, und Alastair Buchan, Medizindekan an der Universität Oxford ganz frisch in Nature (Vol. 525: 25–27).

In ihrem Meinungsartikel identifizieren die drei Autoren die Universitäten und andere akademische Forschungseinrichtungen als mitverantwortlich für die mangelnde Reproduzierbarkeit publizierter Ergebnisse und werfen ihnen gar einen laxen Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten ihrer Forscher vor. Statt die Akademiker zu immer mehr und immer bombastischeren Publikationen zu anzutreiben, sollten die Institutionen lieber Sorgfältigkeit, Selbstkritik, gute Mitarbeiterschulung und zuverlässige Versuchsaufzeichnungen fördern — so die Autoren weiter. Konkret sollten sie dazu interne Regeln für die sogenannte Good Institutional Practice einführen. Wissenschaftler, die diese vorbildlich umsetzen, sollten mit Beförderungen belohnt werden, deren nachlässigere Kollegen hingegen Personal- und Fördermittelkürzung befürchten müssen.

Allesamt gute und sehr sinnvolle Vorschläge, ohne Frage. Nur wirken sie ein wenig wie das Weiterreichen von Verantwortung. Diesen Beitrag weiterlesen »

Nature entdeckt den Profit in Open Access

15. November 2012 von Laborjournal

Immer mehr Forschungsförderer verlangen als Voraussetzung für die Projektförderung, dass die Wissenschaftler die resultierenden Publikationen frei zugänglich, also „Open Access“, veröffentlichen. Einige von ihnen gehen indes noch einen Schritt weiter und verpflichten die Forscher, zusätzlich dafür zu sorgen, dass deren Artikel unter eine sogenannte offene Creative Commons (CC) Lizenz gestellt werden, die dem Nutzer weitreichende Verwendungsoptionen eröffnet.

So fordern etwa der Wellcome Trust und die Research Councils UK (RCUK) in England, die von ihnen geförderten Projekte unter der CC-Lizenzvariante „By“ (CC-By) zu veröffentlichen. Diese offenste aller Varianten erfüllt explizit die Ansprüche der sogenannten Open Definition, wodurch Nutzer die jeweiligen Artikel kostenfrei sowohl privat wie auch kommerziell weiterverwerten können. Lediglich die Urheberschaft der Artikel muss hierbei vermerkt sein.

Die Argumentation der Forschungsförderer ist dabei so simpel wie einleuchtend. Die Entstehungskosten der Publikationen, so sagen sie, seien bereits durch die öffentliche Hand beglichen. Also sollten sie auch für jeden frei nutzbar sein.

Da die Forscher auf diese Weise zunehmend an die Open Access-Politik ihrer Förderorganisationen gebunden werden, gerät damit so manches altehrwürdiges Wissenschaftsblatt unter Zugzwang. Diesen Beitrag weiterlesen »