Wo sind die „Doktorväter“?

8. März 2013 von Laborjournal

„Doktorvater“ (oder „Doktormutter“). Wer sagt das heute eigentlich noch? Liegt das am etwas altbackenen Klang? Hat unsere dynamische, sich ständig modernisierende Sprache den „Doktorvater“ über den Tellerrand gekippt, wo er jetzt im nebeligen Sumpf süßlich-verklärter Nostalgie dümpelt? Verdrängt durch das pragmatisch-schnodderige „mein Prof“ oder die Allerweltsfloskel „mein Chef“?

Oder steht „Doktorvater“ heute auf der Liste der gefährdeten Wörter, weil die, die der Begriff bezeichnen soll, heute ebenso fast ausgestorben sind? Die gelehrten Persönlichkeiten, die ihren Schülern tatsächlich noch Vorbild sind — fachlich sowieso, aber auch als Mensch und Charakter; aus deren reichen Erfahrungsschatz man sich zum Wohle der eigenen Erkenntnis bedienen kann; die einen aber auch zu Konflikten zwingen wie mit dem leiblichen Vater; an denen man das eigene Profil durch ständige Reibung schärft und von denen man sich, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen ist, sauber abnabelt. 

Es scheint, als ließe der moderne Massenbetrieb Forschung, je mehr er sich an den Leitsätzen von Wirtschaft und Management orientiert und je stärker er auf eine reine Ergebnisfabrik reduziert wird, solch innige Beziehungen kaum noch zu. Wo aber kalte Effizienz und reiner Pragmatismus das Klima beherrschen, da klingt der immer auch ein wenig liebevoll gemeinte „Doktorvater“ tatsächlich seltsam unpassend. Also lassen wir ihn lieber friedlich entschlummern — bevor er als hohles Etikett für allzu viele völlig Falsche noch unverdient gequält und arg entwertet wird.

 

P.S.: Googelt man den „Doktorvater“, bekommt man zuallererst jede Menge Seiten zu den Plagiatsfällen von Guttenberg, Schavan und Co. Das hat der Begriff nicht verdient.

P.P.S.: Als Gegenpol zu den „Doktorvätern“ passt hier durchaus der Aufsatz „Academic assholes and the circle of niceness“, den Inger Mewburn, Director of research training at the Australian National University, frisch in ihrem Blog The Thesis Whisperer veröffentlicht hat — samt seinen nahezu 200 Kommentaren.)

P.P.P.S.: Schön auch die Glosse „Ich bin kein Doktor-‚Vater'“, in dem der Autor sich von den Anforderungen des Doktorvater-seins erdrückt fühlt.

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Ein Gedanke zu „Wo sind die „Doktorväter“?“

  1. efdm sagt:

    Ehrlich gesagt, ich benutze „mein Professor“ resp. „mein Chef“, bei Betreuern ohne Habilitation.

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