Zur Filterkraft von Literatur-Datenbanken

24. Januar 2024 von Laborjournal

Raub-Verlage (Predatory Publishers), gekaperte Zeitschriften (Hijacked Journals), Papiermühlen (Paper Mills), Citation Delivery Vehicles, … – schon oft berichteten wir, wie immer mehr „Unternehmen“ mit diesen und anderen windigen Manövern Profit aus den Zwängen und Nöten des wissenschaftlichen Publikationssystems schlagen. Siehe etwa hierhierhier
oder hier. Die Folge davon: Der Anteil an Publikationen von zumindest zweifelhafter Qualität, die diese Machenschaften in den Scientific Record spülen, schwillt immer stärker an.

Könnten die einschlägigen Literatur-Datenbanken für wissenschaftliche Publikationen hier nicht als Filter fungieren?

Ein internationales Autoren-Quartett hat in diesem Sinne Clarivate’s Web of Science und Google Scholar zumindest hinsichtlich eines Teilaspekts stichprobenartig  verglichen: Wie viele Zitierungen listen beide in ihren Datenbanken, die zu gekaperten Zeitschriften (Hijacked Journals) führen? (Equilibrium. Quarterly Journal of Economics and Economic Policy 18: No. 4).

Dazu halten die Vier zunächst einmal fest: 

Die Forschenden sind nicht ausreichend über gekaperte Zeitschriften informiert. Sie reichen ihre Manuskripte womöglich bei diesen ein, ohne ohne zu wissen, dass es sich dabei nicht um seriöse indizierte Zeitschriften handelt. Die Zahl der Autoren, die in diesen Zeitschriften veröffentlichen, steigt jedenfalls von Tag zu Tag.

Wie sie zu ihren Daten und Analysen kamen – das zu referieren, ersparen wir uns hier. Das kann, wer will, im Original-Paper studieren. Am Ende kommen sie jedenfalls zu folgendem Resultat:

In Web-of-Science-indizierten Zeitschriften, die Clarivate dafür im Rahmen eines strengen Selektionsverfahrens auswählt, erfolgten 53 Zitierungen von Artikeln in gekaperten Zeitschriften. Google Scholar hingegen führte gekaperte Zeitschriften in mehr als 13.500 Zitaten auf. Dies bedeutet, dass nicht begutachtete Wissenschaft in Google Scholar im Vergleich zu Web of Science eine sehr hohe Verbreitungsrate hat.

Wie angedeutet, liegt dieser frappante Unterschied an dem strengen Auswahlverfahren, das Zeitschriften bei Clarivate durchlaufen müssen, um sich als seriöses Journal für die Aufnahme in Web of Science zu qualifizieren. Ein Kernkriterium ist hierbei ein praktiziertes Peer-Review-Verfahren – ohne ein solches haben Journals von vornherein keine Chance bei Web of Science.

Google Scholar hingegen prüft nicht, sondern listet alle Journals und Zitate, wie und woher sie auch immer kommen – egal, ob mit oder ohne Peer Review.

Das Autoren-Quartett schlussfolgert daher auch:

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zitate aus gekaperten Zeitschriften in rigoros agierenden Zitationsdatenbanken nur sehr begrenzt vorkommen. In freien, offenen Datenbanken wie etwa Google Scholar können sie jedoch weit verbreitet sein. Damit werfen die Ergebnisse dieser Studie ein Licht auf die Zuverlässigkeit von Zitationsdatenbanken hinsichtlich des Zitierens von nicht-begutachteten Artikeln in gekaperten Zeitschriften.

Was eine Antwort auf die oben gestellte Frage zumindest andeutet. Im Zusammenhang dieser Studie zeigt Web of Science mit seinem rigorosen Journal-Auswahlverfahren, dass wissenschaftliche Literatur-Datenbanken sehr wohl zweifelhafte Sub-Standard-Veröffent­lichun­gen effektiv herausfiltern können. Vorausgesetzt, der Wille ist da, den entsprechenden Aufwand zu betreiben.

Google Scholar will es offenbar nicht.

Ralf Neumann

(Foto: iloveinspired.com / LJ)

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