Soll Peer Review Fälschung aufdecken? – 2.0

22. November 2023 von Laborjournal

Im Wall Street Journal erschien unlängst ein Artikel mit dem Titel „What’s Wrong With Peer Review?“ Darin stellt die Autorin die Frage, ob angesichts vieler aufsehenerregender Retractions in der jüngsten Vergangenheit der Peer-Review-Prozess seine Funktion überhaupt noch erfüllt – nämlich zu entscheiden, welche Studien tatsächlich zur Veröffentlichung taugen.

In dem Artikel erregte ein Zitat der Chief-Editorin von Nature, Magdalena Skipper, besondere Aufmerksamkeit. Hinsichtlich des Aufdeckens gezielter Fälschungen in Forschungsartikeln hält sie fest, dass dies keineswegs Job der Reviewer ist – und fügt hinzu:

Ich möchte meine Peer-Reviewer eigentlich nicht als eine Art Polizeikommando ansehen, das solches Fehlverhalten aufspürt.

Schon im Artikel werden Editoren-Kollegen mit anderer Meinung zitiert. Für noch mehr Diskussionen sorgte Skippers Aussage indes in den Sozialen Medien. So wunderte sich etwa die australische Psychologie-Professorin Simine Vazire auf X (ehemals Twitter):

Die Zitate der Nature-Chief-Editorin Magdalena Skipper zur Frage, ob Zeitschriften im Rahmen des Peer-Review auch auf Fehler und Datenqualität prüfen sollten, überraschen mich doch sehr.

Und mit dieser Überraschung war sie bei weitem nicht allein.

Es gibt aber auch andere Stimmen. So entgegnete etwa der kanadische Biologe Zen Faulkes in einer Antwort:

Die Editorin hat recht. Das sollte nicht die Aufgabe der Peer-Reviewer sein. Es sollte die Aufgabe der Mitarbeiter des Journals sein.

Insgesamt wird damit eine Diskussion aufgewärmt, die keineswegs neu ist. Auch wir führten sie bereits vor über acht Jahren in unserem Beitrag „Soll Peer Review Fälschung aufdecken?“. Damals schrieben wir:

Zum Glück findet man deutlich mehr Beiträge im Internet, die klar sagen, dass dies [Fälschungen aufdecken] gar nicht die Aufgabe des klassischen Peer Review ist. Schließlich begutachten nicht irgendwelche FBI-Spezialisten oder Magier mit „sehenden Augen“ die Manuskripte – sondern ganz normale Forscherkollegen. Und die gehen zu Recht erst einmal davon aus, dass die Autoren eines Manuskripts sie weder belügen noch betrügen wollen. Peer Review würde unter einem solchen Generalverdacht wohl kaum vernünftig funktionieren – weder in der Prä-Publikations- noch in der Post-Publikations-Variante.

Und an anderer Stelle:

Peer Review kann auf verschiedene Weise missbraucht werden, keine Frage. Das darf aber nicht überdecken, dass Gutachter idealerweise (!) die Aufgabe haben, die Arbeiten der Kollegen zwar kritisch, aber möglichst wohlwollend zu beurteilen – und eben nicht jeden Autoren von Vornherein des potenziellen Betrugs zu verdächtigen. Diese „Vor-Einstellung“ ist gut so, funktioniert offenbar mehrheitlich – und wird auf genau diese Weise auch weiterhin gebraucht.

Um dann zu schließen:

Die sicherlich dringend notwendige Aufgabe, manipulierte Daten in eingereichten Manuskripten aufzuspüren, müssen folglich andere übernehmen. Auch, weil man sonst das Ideal des wohlwollend helfenden und verbessernden Peer Review womöglich gleich mit auskippt.

Das ist auch heute noch unsere Meinung! Und da die Diskussion offenbar gerade wieder frisch auflebt, werfen wir sie hiermit erneut in den Ring.

Ralf Neumann

(Illustr.: Cosmos Magazine)

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