Sind Wasserbäder Stromfresser? Oder sind’s doch eher die Thermocycler?

8. März 2023 von Laborjournal

(Die folgenden Absätze zur Energiebilanz von Wasserbädern und Thermocyclern sind Teil des Textes zur Produktüber­sicht „Wasserbäder“ in unserer aktuellen Printausgabe. Da sie indes von größerem Interesse sein dürften und dort ein wenig versteckt erscheinen, bringen wir sie hier nochmals separat: …) 

[…] Wie der Name schon sagt, lässt man in Wasserbädern Proben zum Temperieren in Wasser schwimmen. Allerdings kann man auch auf Wasser verzichten und stattdessen kleine Metallkügelchen in die Wannen füllen. Die Temperaturübertragung ist mit den Beads zwar nicht ganz so gut wie mit Wasser, weil sie sich nicht so lückenlos an die Oberfläche der Gefäße anschmiegen wie eine Flüssigkeit. Die Gefahr von kleineren Überschwemmungen auf der Bench oder durch Kontaminationen des Wassers ist man mit ihnen aber endgültig los.

 

 

Kügelchen-Bäder haben aber noch einen weiteren Vorteil, der in Zeiten knapper und teurer Energie durchaus relevant ist: Ihr Stromverbrauch ist deutlich niedriger als derjenige klassischer Wasserbäder. Einer Studie des britischen Spezialisten für Energieeinsparung im Labor Andy Evans zufolge senken Metallkügelchen den Energieverbrauch eines Acht-Liter-Wasserbads bei 65 Grad Celsius um 72 Prozent verglichen mit einem älteren Standardwasserbad – und immerhin noch um 60 Prozent gegenüber einem energiesparenden modernen Wasserbad.

Allzu viel Einsparpotenzial sollte man sich von Wasserbädern aber dennoch nicht versprechen – die wahren Energiefresser im Labor verbergen sich an anderen Stellen. Zu diesem Schluss kam zumindest der Energiebeauftragte der Harvard University Quentin Gilly. Er fragte sich, ob bereits simple Verhaltensregeln für den Umgang mit Laborgeräten genügen, um Energie einzusparen, und startete das folgende Experiment

Als Versuchsobjekt wählte Gilly Marc Kirschners Labor an der Harvard University. Der ehemalige Chef des HMS Department of Systems Biology in Harvard ist zwar nicht mehr der Jüngste, er leitet aber immer noch eine Gruppe mit knapp zwanzig Forschern und Forscherinnen. Um zu ermitteln, wie viel Energie diese pro Arbeitstag im Labor verbrauchen, verband Gilly Thermocycler, Zentrifugen, Heizblock, Wasserbad, Pipetten-Ladestation, Schüttler und PCs der Gruppe mit Energiemessgeräten. Die kleinen über Wi-Fi mit einem PC kommunizierenden Stromzähler zeichneten viertelstündlich auf, wie viel Strom die angeschlossenen Laborgeräte aus den Steckdosen saugten. Nach zehn Arbeitstagen errechnete Gilly aus den erhaltenen Watt-Zahlen den durchschnittlichen täglichen Stromverbrauch der einzelnen Geräte, der als Basiswert für den weiteren Studienverlauf diente.

Vor Beginn der dritten Arbeitswoche versah er die Instrumente mit kleinen Zettelchen, die darauf hinwiesen, dass ihr Stromverbrauch überwacht wurde. Zudem sammelte Kirschners Labor-Manager vom Team Ideen zum Energiesparen und erhielt darüber hinaus von Gilly die Anweisung, nicht mehr benötigte Geräte am Abend zu überprüfen und wenn möglich auszuschalten. Nach diesen Instruktionen sammelten die Energiemessgeräte an fünf weiteren Arbeitstagen Daten zum täglichen Stromverbrauch von Kirschners Team.

Die größten Stromfresser waren der Thermocycler mit einem Verbrauch von 9.678 Watt pro Tag und eine große Zentrifuge, die ebenfalls mehr als 9.000 Watt pro Tag verschlang. Der PC verbrauchte noch etwa halb so viel Strom wie der Thermocycler, dicht gefolgt von einer kleinen Tischzentrifuge. Die zwei weiteren Mini-Zentrifugen, der Heizblock und das Wasserbad trugen relativ wenig zum Energieverbrauch des Kirschner-Labors bei, die Pipetten- Ladestation und der Schüttler fielen kaum ins Gewicht.

Interessant ist, wie sich der Energieverbrauch der Geräte nach den am Ende der zweiten Woche eingeführten Maßnahmen veränderte. In der dritten Woche sank er insgesamt um etwas mehr als die Hälfte, bei einzelnen Instrumenten wie dem Thermocycler sogar um siebzig Prozent. Der Strombedarf für das Wasserbad erhöhte sich hingegen um etwa dreißig Prozent. Dieser vermeintliche Widerspruch ist aber leicht zu erklären. Kirschners Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schalteten das Wasserbad schon vor Gillys Experiment immer aus, wenn es nicht benutzt wurde – und ließen es nicht unnütz vor sich hindampfen. Das Einsparpotenzial war hier also gleich null, der höhere Stromverbrauch ist auf die etwas stärkere Frequentierung des Wasserbads in der dritten Woche zurückzuführen.

Eine etwas bessere Energiebilanz als klassische Thermocycler mit massiven Silberblöcken haben Wasserbad-Thermocycler. Diese Urform des Thermocyclers, die schon der Erfinder der PCR Karry Mullis vor vierzig Jahren benutzte, um seine PCR-Ansätze zyklisch aufzuheizen, gibt es tatsächlich noch – und an ihrem Prinzip hat sich seither auch nichts geändert. Wie zu Mullis‘ Zeiten wird das PCR-Gefäß in vielen Zyklen nacheinander in drei Wasserbäder getaucht, die auf die nötige Schmelz-, Annealing- und Extensionstemperatur aufgeheizt sind.

Das Ganze funktioniert inzwischen aber meist vollautomatisch und teils mit enorm hohem Durchsatz – der Spitzenreiter schafft über 200.000 PCRs in einem einzigen Durchgang. Dazu müssen allerdings zigtausende PCR-Ansätze auf einmal von einem Roboterarm in dem jeweiligen Wasserbad versenkt werden. Dies erreicht man zum Beispiel mit speziellen Körben, die weit über hundert 384-Well-Platten aufnehmen können, die dann mit einem Rutsch im Wasser landen. Noch viel mehr Wells für PCR-Ansätze enthalten sogenannte Array Tapes aus dünnem Plastik, die sich zusammenrollen lassen, und so in eine wasserdichte Trommel passen. Taucht der Roboter gleich drei Array-Tape-Trommeln in die Wasserbäder, finden darin über 200.000 PCRs parallel statt.

Die wuchtigen automatisierten Wasserbad- Thermocycler sind aber nur etwas für Labore mit riesigem PCR-Durchsatz, etwa in der Pharma-Industrie. Für den bescheideneren Bedarf akademischer Labore gibt es einfache Wasserbäder mit drei nebeneinander liegenden individuell beheizbaren Wannen, die sich neben den üblichen Temperieraufgaben auch für die Wasserbad-PCR eignen. […]

Harald Zähringer

(Foto:@robertssmorgasbord via YouTube)

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