Gibt es noch echte „Doktorväter“ und „Doktormütter“?

26. Februar 2016 von Laborjournal

Die Forschung hat Gesichter bekommen. Erfreulicherweise. Seit einiger Zeit schon nehmen Zeitschriften regelmäßig „eine Forschernase“ in den Mittelpunkt einer ganzen Seite — ob in Interviews oder Artikel — und zeigen diese auch in großen Fotos oder Zeichnungen. Und das nicht nur, wenn’s Nobelpreise gegeben hat, sondern regelmäßig.

Natürlich beäugen einige dies mit Misstrauen, rümpfen ihre eigenen Nasen über „zunehmenden Personenkult“ oder befürchten gar eine „Popstarisierung“ der Wissenschaft. Und zugegeben, manche Fragen der beliebten Asthma-artigen Frage-Antwort-Spielchen sind bisweilen ja auch wirklich blöd. Wen interessiert es zum Beispiel, wenn The Scientist fragt, ob einer lieber Coke oder Pepsi mag? Oder ein anderes Blatt zwischen Harry Potter und „Herr der Ringe“ wählen lässt?

Doch solche Dünnbrettbohrerei kommt glücklicherweise selten vor. Im Gegenteil, fast jedes Porträt wird richtig interessant, wenn „die Nase“ berichtet, welches die wichtigsten Bedingungen und Voraussetzungen für dessen oder deren Erfolg waren. Natürlich kommt dabei Verschiedenes rum, aber eines betonen auffällig viele: den prägenden Einfluss  eines  „Lehrers“ oder „Mentors“.

Die US-Immunologin Philippa Marrack berichtete etwa augenzwinkernd, dass sie einst als junge Studentin in die T-Zellforschung ging, weil damals der entsprechende Prof einfach am besten aussah. Aber das ist natürlich nicht der Punkt. All diese gestandenen Forscherinnen und Forscher berichten ziemlich deckungsgleich von „echten Vorbildern“, die in deren jungen Forscherjahren extrem inspirierend, motivierend, offen, orginell, risikobereit, jederzeit zugänglich, usw. waren. Und die sie vor allem aktiv zur Selbstständigkeit ermutigten und anleiteten. „Doktorväter“ und „Doktormütter“ im besten Sinne also.

Haben wir die eigentlich heute auch noch?

Das Dilemma der Medizinforscher

23. Februar 2016 von Laborjournal

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(via Digital Pathology Blog)

Mal viel allgemeiner als nur fördertechnisch: Besteht das grundsätzliche Dilemma der Medizinforscher nicht sowieso darin, dass es deren ultimatives — wenn auch wohl nie erreichbares — Ziel ist, sich selbst überflüssig zu machen?

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Ein paar kurze Gedanken zum Darwin-Tag

12. Februar 2016 von Laborjournal

Heute, am 12. Februar, ist Darwin-Tag — ganz offiziell und international. Heute vor 207 Jahren erblickte der kleine Charles das Licht der Welt; und ziemlich genau fünfzig Jahre später sollte er mit „On The Origin Of Species By Means Of Natural Selection“ das Werk herausbringen, das viele bis heute für das wichtigste in der gesamten Biologiegeschichte halten.

Warum eigentlich? Was ist es im Wesentlichen, was uns „den ollen Darwin“ heute immer noch derart feiern lässt? Weil er zeigte, dass Arten keine auf ewig festgelegten Kreationen sind, sondern sich vielmehr durch Modifikation und nachfolgende natürliche Selektion über Generationen hinweg stetig verändern? Ja, sicher! Aber worin genau besteht der große Einfluss von Darwins Einsichten auf die heutigen Biowissenschaften?

Holen wir etwas weiter aus. Die meisten werden zustimmen, dass das Herzstück guter Wissenschaft weniger ist, passende Antworten zu geben, sondern vielmehr, gute Fragen zu stellen. Und welche Fragen konnten die Biologen vor Darwin stellen? Fast ausschließlich nur „Was“-, „Wo“-, und „Wie“-Fragen.

Darwins Theorie jedoch, dass Arten sich dynamisch verändern und sich damit an eine sich stets verändernde Umwelt anpassen, bedeutete unmittelbar, dass jede biologische Struktur und jedes biologische System nicht einfach nur ist, was es ist, sondern darüber hinaus vielmehr zweierlei repräsentiert: ein biologisches Problem und einen Weg, dieses Problem zu lösen. Damit lieferten Darwins Erkenntnisse gleichsam die Basis, auf der Biologen überhaupt erst „Warum“-Fragen stellen können.

Und haben sich solche „Warum“-Fragen seitdem nicht als die interessantesten und fruchtbarsten erwiesen? In der Biologie, aber oft auch in der Medizin? Warum pflanzen wir uns sexuell fort? Warum sind wir bewusste Wesen? Warum werden Krankheitserreger resistent gegen Medikamente? Warum bekommt unser Körper Krebszellen nicht in den Griff?…

Die Menge der guten Fragen, die uns prinzipiell erst durch Darwins Theorie eröffnet wurden, ist unzählbar. Auch deshalb werden wir den Darwin-Tag an seinem Geburtstag wohl noch sehr lange feiern.

Die Lance Armstrongs der Tour de Science

3. Februar 2016 von Laborjournal

Und wieder ein Zitat aus einer E-Mail an unsere Redaktion. Ein Bio-Emeritus im aktiven Unruhestand prangert darin mit deutlichen Worten einige „Unsitten“ im aktuellen Forschungsbetrieb an:

Da die Zahl der für das öffentliche und private Leben relevanten Skandale meine Fähigkeit zu kotzen weit überfordert […], bemühe ich mich schon seit einiger Zeit um eine gewisse pragmatische Rangordnung. Im Hinblick auf Wissenschaftsskandale heißt das für mich, dass ich nach den Lance Armstrongs der internationalen Tour de Science und vor allem nach den Strukturen frage, die diesen Figuren zur Verfügung stehen.

Da komme ich dann auf Fragen zum Wahnsinn der Impact Faktoren und CNS-Publikationen als Kriterium wissenschaftlicher Befähigung. CNS hat nichts mit Gehirn zu tun, sondern steht für Cell, Nature, Science — und damit gleichsam für den Glauben an die Weisheit der Editoren von Journalen, deren Hauptziel darin besteht, den Impact Faktor ihres Journals zu steigern oder wenigstens zu halten.

Ich beschäftige mich weiter mit dem Problem, was alles „behind the scenes“ passiert und offenbar möglich ist. Ich frage mich, warum ich immer wieder auf Arbeiten stoße, die in High Impact-Journalen veröffentlicht wurden und die völlig perfekt erscheinen — abgesehen davon, dass sich die Hauptergebnisse nicht reproduzieren lassen.

Ich frage mich, warum viele Wissenschaftler das Gefühl haben, dass man in einem Manuskript die — oftmals ja leider berechtigten — eigenen Sorgen wegen der Grenzen der verwendeten Methoden, beispielsweise aufgrund unerwünschter, schwer zu kontrollierender Artefakte, besser gar nicht erst andiskutieren sollte.

Ich frage mich, warum es üblich scheint, Ergebnisse besser wegzulassen, die nicht ins Schema der perfekten Reproduzierbarkeit passen und die möglicherweise die Beweisführung für oder gegen eine bestimmte Hypothese untergraben könnten.

Ich frage mich, wie es dazu kommt, dass heute umgehend immer nur nach einem molekularen Mechanismus gefragt wird, selbst wenn die phänomenologischen Grundlagen des untersuchten biologischen  Systems noch weitgehend ungeklärt sind.

Ich frage mich, wie das Begutachtungssystem verändert werden sollte — und vor allen Dingen, wie es öffentlich gemacht werden kann. Ich für meinen Teil habe seit etwa einem Jahr begonnen, alle meine Zeitschriftengutachten mit meinem Namen zu zeichnen.

Ich frage mich, wie es kommt, dass Gutachter ihren Auftrag dahingehend missbrauchen, dass sie die Autoren eingereichter Arbeiten zwingen, eine To-do-Liste abzuarbeiten, nach der die geforderten zusätzlichen Experimente gar nichts mehr mit notwendigen Kontrollen zu tun haben, sondern lediglich willkürliche Erweiterungen nach dem Geschmack des Gutachters darstellen.

Fragen, die viele zwar schon lange kennen — die deswegen aber nicht aufhören zu schmerzen. Antworten und Meinungen dazu, wie immer, direkt unten als Kommentar zu diesem Blog-Beitrag, oder auch per E-Mail an redaktion@laborjournal.de.

(Foto: Fotolia/erkamit)

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