Glücksbringer Impact-Faktor

18. Dezember 2015 von Laborjournal

Angeblich aktiviert der reine Anblick von Schokolade das Belohnungszentrum unseres Gehirns. Aber bei Schokolade ist natürlich noch lange nicht Schluss. Zumindest in Forscherhirnen meinen Lübecker Neurowissenschaftler mit funktionaler Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT) jetzt gar folgendes beobachtet zu haben:

Wenn Forscherinnen und Forscher eigene Publikationen in Fachzeitschriften mit hohem Journal Impact Factor (JIF) erwarten, wird ihr Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert.

Konkret ging das so:

19 Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern wurden in einem MRT-Gerät die vorbereiteten Titelseiten von hochrangigen Wissenschaftszeitschriften mit ihrem Namen gezeigt und dabei die Gehirnaktivitäten gemessen. […] Mit steigendem JIF einer antizipierten Publikation stieg die Aktivität im Nucleus Accumbens, einer zentralen Region im Belohnungszentrum des Gehirns. Es zeigte sich zudem, dass Forschende, die in der Vergangenheit mit höheren JIF publizierten, ein stärkeres Ansprechen des Belohnungssystems aufwiesen. Neben dem JIF einer Publikation modulierte auch die Reihenfolge der Autorenschaft die Aktivität im Nucleus Accumbens.

Diese Studie liefert einen ersten empirischen Beleg dafür, wie Forscherinnen und Forscher sich an die Anreizstrukturen des universitären Systems anpassen und den JIF als zentrales Bewertungskriterium ihrer Arbeit verinnerlichen.

Na ja, so skurril das klingt — wirklich verwunderlich ist es kaum. Hätten die Lübecker beliebige Leute von der Straße genommen und ihnen „vorbereitete“ Artikelseiten aus der ZEIT, der FAZ und dem Spiegel gezeigt, in denen ihre Namen in schmeichelhaftem Zusammenhang erwähnt sind — dann wären deren Nuclei vermutlich genauso angesprungen.

Allerdings scheinen die Autoren ihre Studie durchaus bewusst mit einem kleinen Augenzwinkern publiziert zu haben. Zumindest ein Indiz dafür bietet folgende Feststellung in den „Materials and Methods“ des Original-Papers (PLOS One 10(11): e0142537):

One participant was excluded from further analyses due to excessive sleepiness during the whole task. Notably, this was the only neuroscientist with a permanent position.

Noch größer wird das Augenzwinkern indes, wenn man ein Editorial dazu nimmt, das genau eine Woche später in Research Policy (Vol. 45(1): 1-7) erschien. Darin spricht Ben Martin, Professor für „Science and Technology Policy Studies“ an der University of Sussex in Brighton, dem Journal Impact Factor jegliche Glaubwürdigkeit ab, da ihn die Editoren der Forschungsblätter mittlerweile großflächig mit zweifelhaften Tricks und Kniffen nach oben frisieren:

Over time, editors have devised ingenious ways of enhancing their JIF without apparently breaching any rules. […] In the light of ever more devious ruses of editors, the JIF indicator has now lost most of its credibility.

Und nochmal an anderer Stelle:

We currently have a whole slew of editorial practices to boost JIF by fair means or foul. Consequently, in many cases all that the JIF indicator now measures is how assiduously a journal’s editors are playing the JIF ‘game’ (Metze, 2010, p. 939) and their willingness to steer as close as possible to, and perhaps even to cross, the boundary between appropriate and inappropriate behaviour in pursuit of that goal.

Keine wirklich neue Feststellung, aber das Ausmaß dieses JIF-Dopings scheint inzwischen doch erschreckend.

Und was hat das jetzt mit der obigen Lübecker Studie zu tun? Nun ja, in Kombination hieße das: Forscherhirne empfinden Glücksgefühle durch etwas, mit dem sie zunehmend verarscht werden.

Aber das geht ihren übrigen Artgenossen ja mit vielen anderen Dingen genauso.

Autoren am Rande des Nervenzusammenbruchs (18)

17. Dezember 2012 von Laborjournal

Da haben unsere Lab Times-Kolumnisten von Retraction Watch wieder mal eine nette Paper-Korrektur ausgegraben. Korrekturgrund war diesmal das schlechte Englisch Düsseldorfer Neuroforscher. Diese titelten im Jahr 2011 einen Artikel mit „Chronic progesterone treatment of male rats with unilateral 6-hydroxydopamine lesion of the dorsal striatum exasperates parkinsonian symptoms” (Neuroscience 196 (2011): 228-36). Statt „exasperate“ (jemanden verärgern, auf die Palme bringen) meinten sie aber vielmehr „exacerbate“ (etwas verschärfen, verschlimmern), wie sie jetzt in der Korrektur schreiben.

Klar, „Parkinson-Symptome verschlimmern“ macht ja auch deutlich mehr Sinn als „Parkinson-Symptome verärgern“. Gut also, dass das jetzt, 14 Monate später, endlich richtig gestellt ist. Die naheliegende Frage, warum die relativ blödsinnige Überschrift im Vorfeld keinem Reviewer oder Editor auffiel, wollen wir indes an dieser Stelle gar nicht weiter vertiefen.

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Flotter Impact-Dreier

10. Juli 2012 von Laborjournal

Dass Journals ihren jährlichen Impact-Faktor bisweilen gezielt durch zweifelhafte Selbstzitierungen hochhieven wollen, ist inzwischen bekannt. In schlimmeren Fällen übt der Verlag gar gezielt Druck auf Autoren und Gutachter aus, dass sie möglichst viele Referenzen aus dem eigenen Journal in die entsprechenden Publikationen einflechten.

Glücklicherweise sind solche Selbstzitat-Orgien relativ leicht aufzudecken. Und nicht zuletzt deshalb hat Thomson Reuters bereits vor einiger Zeit auf solche Machenschaften reagiert und schmeißt seitdem Journals mit auffällig hohem Anteil an Selbstzitaten rigoros aus seinem jährlichen Journal Citation Report raus.

Deutlich schwieriger ist dies bei sogenannten Zitier-Kartellen. Wie diese funktionieren, beschrieb vor einigen Wochen der ehemalige Forscher und Bibliothekar Phil Davis an einem realen Fall im Blog The Scholarly Kitchen (wohin übrigens auch alle obigen Links führen).

Davis fiel zunächst auf, dass das Journal Cell Transplantation, veröffentlicht von der Cognizant Communication Corporation in Putnam Valley, New York, seinen Impact Faktor zuletzt rapide steigern konnte: von 3,48 in 2006 auf 6,2 in 2010. Diesen Beitrag weiterlesen »