„Viel Work, wenig Balance“

25. August 2021 von Laborjournal

Aus unserer Reihe „Gut gesagt!“:

 

__________________________

[…] Damit wieder zurück zu unserer idealen Welt. Wo sind wir jetzt, im Idealfall? Wir haben einen tollen Forschungsantrag geschrieben, den auch bewilligt bekommen und sind nach langer Suche nun Professorin oder Professor an einer Universität. Jetzt brauchen wir erst mal motivierte Studentinnen und Studenten, die für uns im Labor arbeiten; schließlich waren wir selbst da ja wohl lange genug tätig… Da kommt dann aber schon das nächste Problem: die heutige Generation der Studierenden. Diese nennt sich Generation Y (= Why?), weil sie alles hinterfragt und – wie mir kürzlich ein Student sagte – nach einer „Work-Life-Balance“ sucht. Aha, „Work-Life-Balance“. Erzählen Sie das mal jemand in Oxford, Cambridge, am MIT, in Berekley, an der ETH Zürich, etc…. Die erklären ihn gleich mal, was „Work-Life-Balance“ ist: nämlich viel „Work“ und wenig „Balance“. […] Kürzlich fragte mich beispielsweise ein Student, ob er wegen eines Kletterwettkampfes in Mumbai (Indien) zwei von sechs Praktikumstagen versäumen könnte, weil er eben beides machen wollte – Klettern und Studium; alternativ könnte ich für ihn persönlich ein zusätzliches Praktikum anbieten, in dem er die verlorenen Tage nachholen könnte. Ich glaube, hier läuft irgendetwas wirklich ganz, ganz falsch. Aber ist es „politically correct“, das auch mal so auszusprechen? Man ist ja sonst wieder gleich der autoritäre Ordinarius aus der Vorzeit […]

__________________________

 

 

… Sagte Alexander Hüttenhofer, Professor für Molekularbiologie am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck und Leiter des dortigen Instituts für Genomik und RNomik, in Laborjournal 7-8/2016 („Von Gutachten, Gutachtern, Geldgebern und allem anderen“, S. 6-11)

 

Vom Goldkind zum Gelackmeierten (2)

23. Mai 2017 von Laborjournal

Dass Doktoranden und Masterstudenten während ihrer Laborarbeit in ihren Arbeitsgruppen nicht immer fair behandelt werden, ist ein offenes Geheimnis. Entsprechend porträtierten wir in unserer aktuellen Heftausgabe 5/2017 unter dem Titel „Vom Goldkind zum Gelackmeierten“ die vier exemplarischen Fälle von Carsten, Juliane, Katrin und Florian [Namen geändert]. Die Moral aus den vier „Geschichten“ fasste unsere Autorin Juliet Merz in dem Artikel folgendermaßen zusammen:

Publikationen als Lockmittel und lapidare Verteilung von Autorenschaften: Was Carsten, Juliane, Katrin und Florian erlebt haben, ist nicht die Regel – aber auch keine Seltenheit. Carstens Idee wurde geklaut, Julianes Mitarbeit vertuscht und von Florian dreist abgeschrieben. Dahingegen musste sich Katrin die Lorbeeren mit einer anderen Doktorandin teilen, obwohl eigentlich nur sie die Arbeit erledigt hat. Wenn es um Autorschaften auf Papern in deutschen Laboren geht, wird die Gemeinschaftlichkeit gerne mal ad acta gelegt. Der Druck ist groß: Jeder möchte so viel publizieren wie möglich, um die wissenschaftliche Karriereleiter weiter nach oben zu klettern oder schlicht am Ball zu bleiben.

Wahrlich schreiben nicht alle Labore solche Geschichten. Im Zuge unserer Recherche stießen wir vielmehr immer wieder auf die Aussage: „Zu Autorenstreitigkeiten kann ich Ihnen nichts erzählen, da lief bei mir immer alles gut.“ Gut, dass es folglich doch noch viele ehrliche und rücksichtsvolle Arbeitsgruppen mit gerechten und aufmerksamen Professoren gibt. Dummerweise stehen heutzutage jedoch gerade Doktoranden, Postdocs und auch jüngere Professoren unter höllischem Zugzwang, viel und gut zu publizieren. Dass jeder auf Biegen und Brechen versucht, hierbei nicht auf der Strecke zu bleiben, ist geradezu nachvollziehbar. Eine Kultur des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ kann dabei offenbar nicht immer vermieden werden.   

Umgehend bekamen wir zwei Rückmeldungen zu dem Artikel, in denen die Verfasserinnen uns ihre eigene, zum Thema passende Geschichte mitteilten. Diesen Beitrag weiterlesen »