Nasenspray oder Orgasmus?

21. Juni 2023 von Laborjournal

Kribbelt der Heuschnupfen auch mal wieder in Ihrem Rachen? Und Ihre Augen brennen? Sie brauchen nur ins Sonnenlicht zu zwinkern und schon entlädt sich – übrigens mit bis zu 160 Stundenkilometern – der nächste Nieser? In Zeiten zukünftiger Epidemien und Endemien und Pandemien vielleicht interessant zu wissen: Wie viele Meter schaffen Sie mit Ihrem Nasenauswurf? Das hängt ganz von der Schlagkraft Ihrer Sekret-Tröpfchen ab. Messen sie mehr als 100 Mikrometer im Durchmesser, folgen sie einer ballistischen Flugbahn. Dann ist nach etwa einem halben Meter Schluss. Zehnfach kleinere Partikel hingegen werden von Turbulenzen und Wirbeln der erzeugten Gaswolke weiter transportiert. Sie erreichen alles, was bis zu 2,50 Meter entfernt ist (J. Fluid Mech. doi.org/f5w535) – also auch Deckenventilatoren, Klimaanlagen und Lüftungsschächte zum Nachbarlabor. Zielen Sie bei Ihrer nächsten Niesattacke daher sorgfältig.

Unterdrücken können Sie sie schließlich nur schwerlich. Zwar ist der Niesreiz kein echter Reflex, weil willentlich beeinflussbar. So können Sie etwa auf Ihr Philtrum drücken, also die Rinne zwischen Nase und Oberlippe, oder Ihre Zunge an den Gaumen pressen. Aber warum sollten Sie das tun? Medizinisch ist es bekanntlich besser, jedem Niesreiz nachzugeben. Denn unterdrückte Nieser erzeugen in Ihrer Mundhöhle einen Luftdruck von bis zu 0,4 bar (Comput. Biol. Med. doi.org/f8ht4r). Nicht alle Blutgefäße und Trommelfelle halten diesem Druck stand.

Der Niesreiz selbst wird durch eine Reizung der Nasenschleimhaut ausgelöst – durch Fremdkörper, Krankheitserreger, zu viel Schleimhautsekret, aber auch Staub und helles Licht. Von Erkältungen und Nasennebenhöhlenentzündungen bis hin zu Allergien und Druckunterschieden auf Flugreisen kann vieles Ihre Nase verstopfen. Was aber tun, wenn Sie die unangenehme Schwellung der Schleimhaut lindern wollen, aber gerade kein Nasenspray zur Hand ist? Kein Problem: Ein Orgasmus tut‘s auch. Geschlechtsverkehr – mit obligatem Höhepunkt (!) – verbessert die Nasenatmung genauso gut wie ein schleimhautabschwellendes Arzneimittel (Ear Nose Throat J. doi.org/gm795r). Anders als ein solches Dekongestivum wirkt er ganzheitlich abschwellend. Einen Haken gibt’s allerdings: Im Gegensatz zum Nasenspray ist Ihre Nasenatmung drei Stunden nach einem Schäferstündchen wieder auf dem Ausgangsniveau. Für kontinuierliches Durchatmen müssten Sie also regelmäßig ran.

Von der medizinischen Notwendigkeit kontinuierlichen Beischlafs können Sie Ihre willfährigen Erfüllungsgehilfen recht einfach überzeugen: Weisen Sie auf die neurophysiologische Ähnlichkeit von Niesvorgang und Orgasmus hin. Bei beiden leiten sensorische Nervenfasern Reize an Ihren sensorischen Cortex, Spannung baut sich auf und Ihr Kleinhirn löst bei Überschreiten einer Aktivierungsschwelle plötzlich koordinierte Muskelreaktionen aus.

Welche Muskeln sich unwillkürlich kontrahieren – ob die im Rachen oder jene im Beckenbereich – ist dann doch beinahe Nebensache, oder? Schließlich aktiviert beides das Belohnungssystem Ihres Gehirns – und Sie verspüren Befriedigung.

Henrik Müller

(Illustration kreiert mit OpenAI’s KI „Dall-E2“)

 

(Der Text erschien in leicht anderer Form als Editorial unseres letzten Laborjournal-NEWSLETTERS. Wer den NEWSLETTER samt solcher Editorials regelmäßig alle zwei Wochen per E-Mail zugeschickt bekommen möchte, klicke sich bitte hier entlang!)