Wie man den eigenen Körper überlistet

7. Februar 2024 von Laborjournal

Ihr nächster Vortrag kommt bestimmt – sei es auf einer Konferenz, vor einem DFG-Panel oder vor einem Bewerbungskomitee. Inhaltlich sind Sie natürlich exzellent vorbereitet. Jetzt fehlt nur noch das richtige Mindset – selbstbewusst, überzeugend und zuversichtlich.

Unsere Empfehlung: Ab mit Ihnen aufs nächstbeste WC, Beine schulterbreit stellen, Arme in die Hüfte stützen – und genau so für zwei Minuten verharren. Denn diese Wonder-Woman-Pose bewirkt Magisches. Ihr Hypothalamus stimuliert Ihre Hypophyse, die wiederum Ihren Hoden oder Eierstockfollikeln – je nachdem, was Sie persönlich präferieren – signalisiert, das Dominanz-Hormon Testosteron ins Blut auszuschütten. Gleichzeitig inhibiert Ihre Hypophyse Ihre Nebennierenrinden und die Konzentration des Stresshormons Cortisol in Ihrem Blut sinkt. Das Resultat: Dank des hormonellen Jungbrunnens fühlen Sie sich nicht nur relaxt, sondern überlegen. Das DFG-Komitee soll Ihre Arbeit ruhig kritisieren. Ihrer Ausstrahlung wird es nicht lange widerstehen können.

Psychofirlefanz erwidern Sie? Tatsächlich hat Power Posing kleine, aber statistisch signifikante Konsequenzen: Es beeinflusst die Herzfrequenz (Acta Psychol. doi.org/ggrjq5), kann Angstzustände verringern (PLoS One. doi.org/f46p) und die Erfolgschancen in Jobinterviews erhöhen (J. Appl. Psychol. doi.org/f7j7xs).

Übrigens können Sie Power Posing auch an jeglichem Ort in der Öffentlichkeit betreiben. Wir empfehlen dennoch einen gewissen Sichtschutz. Verstörte Blicke aus Ihrer Umgebung könnten die Botenstoffmagie Ihres Blutes drosseln.

Das ist jedoch nur ein Beispiel, wie leicht sich unser Körper überlisten lässt. 

Sie fühlen sich niedergeschlagen, gefrustet, cranky? Verschwinden Sie für eine Minute ins stille Kämmerlein und grinsen Sie möglichst breit! Die ersten 20 Sekunden kommen Sie sich absolut dämlich vor. Versprochen! Schließlich sind Sie sauer. Aber halten Sie durch! Ihre Musculi buccinator, also Wangenmuskeln, drücken auf Ihren Nervus facialis. Ihr Hirn denkt: „Oh, wir lachen!“ – und setzt Endorphine frei. Die Glückshormone fressen die Kampfhormone auf. Wohlbefinden flutet Sie.

Einzige Herausforderung bei dieser Verhaltensübung: Sie müssen eine Minute ununterbrochen dämlich grinsen – ohne Pausen. Sechs mal zehn Sekunden funktionieren nicht. Alternativ können Sie sich aber auch einen Stift quer zwischen die Zähne klemmen. Das stimuliert ebenfalls Ihren Gesichtsnerv und überlistet Ihre Hypophyse (Psychol Sci. doi.org/x66). Und falls Sie an dieser Stelle proaktiv tätig werden wollen, dann grinsen Sie doch einfach jeden Tag fünf Minuten dämlich in die Gegend – auch ohne Niedergeschlagenheit, Zwist oder Krise. Das wäre jedes Mal ein Mini-Urlaub für Ihren Organismus.

Was? In Ihrem Großraumlabor funktioniert das nicht, ohne dass jemand direkt den Notarzt ruft? Dann kramen Sie doch einfach häufig in einer bodennahen Schublade oder sortieren Sie in einer Ecke des Raumes Ihre Proben neu! Ihr Körper wird es Ihnen danken. Wie heißt es schließlich so schön: „Fake it till you make it!“

Natürlich soll das an dieser Stelle kein Aufruf zur Unaufrichtigkeit sein. Doch wenn minimale Haltungsänderungen im Laufe der Zeit tatsächlich das Potenzial haben, Ihren Karriereweg positiv zu beeinflussen (J. Appl. Psychol. doi.org/f7j7xs), wie wäre es dann stattdessen mit einem „Fake it till you become it!?”

Henrik Müller

(Fotos: Warner Bros., elixxier.com)

 

(Der Text erschien in leicht anderer Form als Editorial unseres letzten Laborjournal-NEWSLETTERS. Wer den NEWSLETTER samt solcher Editorials regelmäßig alle zwei Wochen per E-Mail zugeschickt bekommen möchte, klicke sich bitte hier entlang!)

 

Schlagworte: , , , , , , ,

Ein Gedanke zu „Wie man den eigenen Körper überlistet“

  1. Wolf sagt:

    Für die Powerpose empfehle ich eher: raus an die frische Luft! Jede noch so mickrige Hecke oder Wiese tut meiner Stimmung besser als der Zustand der Keramikabteilung in einem Institut aus den 1970er Jahren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha loading...