Von leuchtenden Tieren und gestreiften Menschen

1. Februar 2023 von Laborjournal

Frage an die Kinogänger unter unseren Leserinnen oder Lesern: Für wie abwegig halten Sie die bildgewaltige, bunte, biofluoreszente Welt der Avatar-Filmreihe? Cineastischer Humbug, finden Sie?

Vielleicht ähnelt aber unsere Flora und Fauna den fantastisch leuchtenden Kreaturen auf Pandora, mehr als Sie vermuten. Und Sie sehen es nur nicht.

Dazu ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich kurz mal vor, Sie seien ein tasmanischer Beutelteufel. Ihren Alltag bestimmt der tägliche Kampf um Aas und Sex. Soweit nichts Ungewöhnliches. Spannend wird’s erst in der Dämmerung. Denn dann glüht Ihr schwarzer Pelz plötzlich wie unter einer Discokugel.

 

Auch Schnabeltiere leuchten. Jedenfalls im richtigen Licht.

(Foto: J. Martin, Northland College)

 

Moment! Das Haarkleid eines Säugetiers leuchtet? Ja, tatsächlich biofluoreszieren Nasenbeutler, Beuteldachse, Plumpbeutler, Beutelteufel, Gleitbeutler und Beutelratten unter UV-Strahlung (Queensland Mycologist. 15:5-12; Mammalia, doi.org/d7nwkf).

Der Beutelsäuger-Liebhaber unter Ihnen hat es natürlich erkannt: Sind etwa nur Marsupialia betroffen? Nein, auch Mitglieder des Schwestertaxons der Kloakentiere wie etwa Ameisenigel und Schnabeltier stehen in ihrer Leuchtkraft nicht hintan. Auch ihr Pelz erglüht im grün-cyanen Spektralbereich (Mammalia, doi.org/js9c). Tatsächlich erwiesen sich im UV-Rampenlicht bisher nur Kängurus als langweilig.

Und höhere Säugetiere wie Sie und ich? 

Pech gehabt. Es sei denn, Sie sind ein afrikanischer Springhase (Sci Rep, doi.org/js53), ein neuweltliches Gleithörnchen (J Mammal, doi.org/js54) oder manch andere Art im Nagetier-Reich (Sci Rep, doi.org/js9d). Dann erstrahlt auch Ihre Körperbehaarung unter UV-Licht – vielleicht orange-rot, vielleicht pink, vielleicht cyan (J Ark Acad Sci, doi.org/js9f; North Queensland Naturalist, 51:1-8).

Das Warum dieses UV-Spektakels liegt unterdessen im Dunkeln. Hilft es dabei, Paarungspartner abzuchecken? Oder zwischenartlich Coolness zu demonstrieren? Oder ist es einfach nur ein Artefakt ohne evolutive Bedeutung? Niemand weiß es. Allen im UV-Bereich umtriebigen Spezies ist nur eines gemein: Sie sind nacht- oder dämmerungsaktiv.

Das Wie von UV-Absorption und folgender Biofluoreszenz ist hingegen besser verstanden: Es beruht auf keratinisierten Schuppen und Borsten (Sci Rep, doi.org/js9d) oder fluoreszierenden Porphyrinen, die sich infolge der Häm-Biosynthese in Haut und Haaren ansammeln (Sci Rep, doi.org/js53).

Sie, liebe Leserin oder Leser, tangiert all dieses Leuchtspektakel natürlich wenig. Schließlich sind Sie im Gegensatz zu vielen Fischen, Amphibien, Vögeln und Säugern blind dafür. Der Retina Ihrer Augen fehlen Photopigmente, die unter 400 Nanometern noch ausreichend Elektrosignale in Ihr Hirn feuern.

Fühlen Sie sich jetzt von Mutter Natur ausgeschlossen? Brauchen Sie nicht! Haben Sie einfach stets eine UV-Lampe griffbereit; bei Bedarf schalten Sie das Raumlicht aus und überprüfen beiläufig, ob Ihr Gegenüber UV-Strahlung in Fluoreszenz umwandelt.

Oder „besser“ noch: Lassen Sie sich einfach Ihre Augenlinsen operativ entfernen. Denn sie sind es, die Sie UV-blind machen. Der chirurgische Eingriff dauert nur wenige Minuten und schon sind die UV-absorbierenden Übeltäter leicht mit Ultraschall zerkleinert und über einen millimeterfeinen Schnitt abgesaugt. Nicht mal einen Krankenhausaufenthalt erfordert es und die Welt erstrahlt für Sie in ganz neuem Licht (Vision Res, doi.org/bfttkz).

Und endlich verstünden Sie, dass auch Sie über das Charisma eines Beutelteufels oder Kloakentieres verfügen. Denn tatsächlich zieren coole Streifen Ihre Haut – ein bisschen wie bei einem Zebra oder Tiger. Diese sogenannten Blaschko-Linien sind V-förmig auf Ihrem Oberkörper, S-förmig an Ihren Seiten und wellenförmig in Ihrem Kopfbereich angeordnet und spiegeln den dorsoventralen Ausbreitungsweg ektodermaler Zellen während Ihrer Embryogenese wider (J Am Acad Dermatol, doi.org/djz5br). Sichtbar sind sie allerdings nur unter UV-Licht.

 

 

Was, Sie glauben Laborjournal nicht!? Gern dürfen Sie sich mit einer UV-Lampe bewaffnet in die nächstbeste Dunkelkammer zurückziehen und entkleiden. Vergessen Sie aber besser nicht abzuschließen. Auch das Verständnis Ihrer Kollegen kennt bestimmt Grenzen.

Und sobald Sie dann zuhause sind, und Ihr Hund oder Ihre Katze Sie mal wieder verwirrt anschaut, während Sie sich ihrer Kleider entledigen, fragen Sie sich vielleicht kurz, warum. Im Gegensatz zu Ihnen sind die Augen von Hunden und Katzen nämlich UV-sensitiv (Proc R Soc B, doi.org/gg3dt7). Was die wohl in Ihnen sehen?

Henrik Müller

 

(Der Text erschien in leicht anderer Form als Editorial unseres letzten Laborjournal-NEWSLETTERS. Wer den NEWSLETTER samt solcher Editorials regelmäßig alle zwei Wochen per E-Mail zugeschickt bekommen möchte, klicke sich bitte hier entlang!)

 

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