Ordentliche Power
"Die Studie umfasste 449.563 Teilnehmer, die zu Beginn der Studie keine Herzrhythmusstörungen oder andere kardiovaskuläre Erkrankungen aufwiesen. Das Durchschnittsalter lag bei 58 Jahren, 55,3% waren Frauen. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen aus, in dem sie gefragt wurden, wie viele Tassen Kaffee sie täglich tranken und ob sie gewöhnlich Instantkaffee, gemahlenen Kaffee (z. B. Cappuccino oder Filterkaffee) oder entkoffeinierten Kaffee tranken. Anschließend wurden sie in sechs Kategorien des täglichen Kaffeekonsums eingeteilt: null, weniger als eine Tasse sowie eine, zwei bis drei, vier bis fünf und mehr als fünf Tassen pro Tag. Bei 198.062 (44,1%) der Teilnehmer war der übliche Kaffeetyp Instantkaffee, bei 82.575 (18,4%) gemahlener Kaffee und bei 68.416 (15,2%) entkoffeinierter Kaffee. 100.510 (22,4%) waren Nicht-Kaffeetrinker, die als Vergleichsgruppe dienten."
Für eine ausreichende statistische Power dürften die Autoren damit allemal gesorgt haben.
Weiter heißt es dann zur Methodik:
"Die Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfällen wurde zwischen Kaffeetrinkern und Nicht-Kaffeetrinkern verglichen, nachdem Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Diabetes, obstruktive Schlafapnoe, Raucherstatus sowie Tee- und Alkoholkonsum berücksichtigt worden waren. Die Informationen zu den Ergebnissen wurden aus den Kranken- und Sterbebüchern entnommen. Der Median der Nachbeobachtungszeit betrug 12,5 Jahre."
Todesrisiko reduziert
Tja, was soll man sagen: Glückwunsch, wer derart umfangreiche Biobank-Daten nutzen kann. Sowas gibt’s ja nicht gerade überall.
Nun aber zu den Ergebnissen:
"Insgesamt 27.809 (6,2%) Teilnehmer starben während der Nachbeobachtungszeit. Alle Arten von Kaffee waren mit einer Verringerung des Todesrisikos verbunden, unabhängig von der Ursache. Die größte Risikoreduktion wurde bei zwei bis drei Tassen pro Tag beobachtet, die im Vergleich zu keinem Kaffeekonsum mit einer um 14%, 27% bzw. 11% geringeren Sterbewahrscheinlichkeit für entkoffeinierte, gemahlene und Instant-Zubereitungen verbunden waren."
Gemahlener Kaffee schnitt also am besten ab. Zumindest zwei bis drei Tassen pro Tag reduzierten im Vergleichszeitraum das Todesrisiko gegenüber Nicht-Kaffeetrinkern um über ein Viertel.
Etwas geringer fielen die risikoreduzierenden Effekte dagegen bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus:
"Bei 43.173 (9,6%) Teilnehmern wurde während der Nachbeobachtung eine Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert. Alle Kaffee-Subtypen wurden mit einer Verringerung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Auch hier wurde das geringste Risiko bei zwei bis drei Tassen pro Tag beobachtet, was im Vergleich zum Verzicht auf Kaffee mit einer um 6%, 20% bzw. 9% verringerten Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen für entkoffeinierten, gemahlenen und Instant-Kaffee verbunden war."
Entkoffeiniert ist weniger gut
Hier betrug die Risikoreduktion bei zwei bis drei Tassen gemahlenem Kaffee pro Tag also immer noch ein Fünftel, Instant- und entkoffeiniertem Kaffee rutschten dagegen unter die Zehn-Prozent-Marke.
Doch es geht noch weiter:
"Bei 30.100 (6,7%) Teilnehmern wurde während der Nachbeobachtung eine Herzrhythmusstörung diagnostiziert. Gemahlener und Instantkaffee, nicht aber entkoffeinierter Kaffee, wurde mit einer Verringerung von Herzrhythmusstörungen, einschließlich Vorhofflimmern, in Verbindung gebracht. Im Vergleich zu Nichttrinkern wurden die geringsten Risiken bei vier bis fünf Tassen gemahlenen Kaffees pro Tag und bei zwei bis drei Tassen Instantkaffee pro Tag beobachtet, mit 17% bzw. 12% reduziertem Risiko."
Gegen Herzrhythmusstörungen hilft also noch größerer Konsum gemahlenen Kaffees am besten: Vier bis fünf Tassen davon reduzieren das entsprechende Risiko um ein knappes Sechstel.
Das Koffein ist's aber eher nicht
Interessant ist jedoch, dass entkoffeinierter Kaffee hier im Vergleich zu Kaffee-Verweigerern gar keinen Effekt zeigt. Denn zu den möglichen Ursachen, warum der Kaffeekonsum Herz und Leben derart schonen könnte, zitiert die Meldung den Studienleiter Peter Kistler folgendermaßen:
"Koffein ist der bekannteste Bestandteil von Kaffee, allerdings enthält er mehr als hundert weitere biologisch aktive Komponenten. Von daher ist es wahrscheinlich, dass die nicht koffeinhaltigen Verbindungen für die beobachteten positiven Zusammenhänge zwischen Kaffeetrinken, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Überleben verantwortlich sind."
Hm … warum schneidet dann aber gerade der entkoffeinierte Kaffee überall deutlich schlechter ab als der gemahlene? Gehen beim Entkoffeinierungsprozess noch andere bioaktive Stoffe aus dem Kaffee verloren? Und dann womöglich ausgerechnet ein guter Teil der herzgesunden?
Es bleiben also noch Fragen. Aber wahrscheinlich sind entsprechende Folgestudien ja schon beantragt oder gar bereits auf dem Weg.
In der Zwischenzeit brauchen sich aber Wissenschaftler offenbar zumindest keine übermäßigen gesundheitlichen Sorgen über ihren – berufsbedingten? – Kaffeekonsum zu machen. Im Gegenteil! Vorausgesetzt jedoch, dieser liegt zwischen zwei und fünf Tassen pro Tag – und der dunkle Stoff kommt nicht entkoffeiniert.
Ralf Neumann
(Illustration kreiert via deepAI)
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