Editorial

Putzmatrix, Membranrührer und Organboxen

(20.10.2022) Mit diesen Geschäftsideen haben die drei Start-ups Lumatix Biotech, BioThrust und Vivalyx die Jury des BioRiver-Boost!-Wettbewerbs überzeugt.
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Ausgezeichnete Geschäftsideen: Die Affinitätsmatrix von Lumatix und im kleinen Bild der Membranrührer von BioThrust

Mit Gewinn der neunten Ausgabe des jährlich ausgetragenen BioRiver-Boost!-Start-up-Wettbewerbs dürfen sich die drei Jungunternehmen nun über Experten-Coachings, Unterstützung beim Marketing und umfassende Geschäftskontakte freuen. Veranstaltet wird der Wettbewerb durch BioRiver e.V., dem nach eigenen Angaben größten Industrieverband der Biotech- und Life-Science-Branche in Nordrhein-Westfalen. Die Mitgliederliste des 2004 gegründeten Vereins liest sich wie ein Who’s Who nicht nur der NRW-Wissenschafts­landschaft. So finden sich neben global agierenden Unternehmen wie Bayer, Lonza und Qiagen auch die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die RWTH Aachen und die Universität zu Köln darunter.

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Menschen hinter den Start-ups

Der Hildener Biotech-Konzern Qiagen stellte für den diesjährigen Start-up-Wettbewerb seine Räumlichkeiten zur Verfügung. Dabei dient der seit 2014 ausgetragene Wettbewerb insbesondere der Netzwerk­bildung, wie Frauke Hangen, Geschäfts­führerin des BioRiver e.V., in einer Pressemitteilung erläutert: „Zahlreiche Repräsentanten der Life-Science-Industrie und Branchen-interessierte Investoren nutzen diesen Tag, um die Menschen hinter den Neugründungen und ihre innovativen Ideen kennenzulernen.” Die teilnehmenden Start-ups begutachtete eine Jury aus hochkarätigen Vertretern von Bayer, Janssen-Cilag/Johnson & Johnson, Lonza und Qiagen sowie des High-Tech-Gründerfonds und der Universität Düsseldorf.

Die Jury wählte zunächst acht Finalisten auf Basis fester Kriterien aus. Dabei interessierte sich das Bewertungs­gremium für den potenziellen Kundennutzen und die Neuheit der Technologie. Hinzu kam die Einschätzung des Geschäftsmodells und der Erfahrung des Teams. Die so ausgewählten Finalisten präsentierten sich und ihre Geschäftsidee dann in sogenannten „Elevator Pitches“ der Jury. Dabei konnten sich die Jungunternehmen Lumatix Biotech, BioThrust und Vivalyx durchsetzen.

Lichtgesteuerter Antikörper-Fänger

Der Ansatz des Garchinger Start-ups Lumatix Biotech konnte die Jury am meisten überzeugen. Das Unternehmen stellt eine mit Licht steuerbare Affinitäts­matrix her, die zur gezielten Reinigung von Antikörpern aus Zellkultur-Überständen eingesetzt werden kann.

Und das funktioniert so: Die aufzureinigenden Antikörper binden an die Matrix, wenn diese mit langwelligem Licht bestrahlt wird. Durch mehrere Waschschritte werden Verunreinigungen entfernt. Durch kurzwelliges Licht können die gereinigten Antikörper anschließend von der Matrix gelöst und verwendet werden. Das Beste daran: Nach jeder Aufreinigung wird die Matrix durch Bestrahlung mit langwelligem Licht regeneriert und ist für einen neuen Reinigungs­schritt einsetzbar. „Wir könnten damit alle Biomoleküle – von viralen Partikeln bis zum Protein – sehr schonend und effizient reinigen,“ ist sich Team-Mitglied Ingmar Polte sicher. Er und Gründer Andreas Reichert nahmen den Preis persönlich entgegen.

Damit dem Bioreaktor nicht die Luft ausgeht

Das erst im September dieses Jahres in Aachen gegründete Unternehmen BioThrust verpasste den ersten Platz in Hilden nur knapp. Das Unternehmen, das durch Mitgründer Patrick Bongartz und Konstantin Kurz vertreten wurde, hat zwei Gerätschaften zur besseren Belüftung beziehungsweise Durchmischung von Fermentern und Bioreaktoren kreiert.

Beim ersten Ansatz wird Gas über einen porösen Spiralsprinkler (porous sparger) feinperlig in das Kultivierungs­gefäß eingebracht. Dies ermöglicht nach Angaben des Start-ups einen drastisch verbesserten Gastransfer und eine homogene Bläschen­größe. Bei der zweiten Erfindung der Aachener handelt es sich um einen Membranrüher (membrane stirrer), der eine bläschenfreie Durchmischung und einen verbesserten Gastransfer in Reaktions­gefäßen ermöglicht. Ob Sprinkler oder Rührer, BioThrust hat große Pläne: in naher Zukunft sollen ihre Produkte „in jedem Biotech-Labor und großflächig in der Pharmaproduktion genutzt werden können,“ so CEO Bongartz in einer früheren Pressemitteilung.

Schonender Organtransport

Auch die Drittplatzierten Vivalyx sind eine Ausgründung der RWTH Aachen, genauer des dortigen Universitäts­klinikums. Das ebenfalls erst kürzlich aus der Taufe gehobene Jungunternehmen hat ein Konzept für den blutfreien Transport von Spenderorganen entwickelt, das eine spezielle Flüssigkeit und eine besondere Transportbox beinhaltet. Bei der Flüssigkeit handelt es sich um ein synthetisches Perfusat, das diverse Komponenten wie Antioxidantien, Elektrolyte und Aminosäuren enthält. In seinem Pitch verriet Mitinitiator René Tolba, dass dem heutigen Perfusat 20 Jahre intensive Forschung vorausgegangen sind. Zusammen mit der von Vivalyx entwickelten Transportbox soll so ein „warmer“ und somit viel schonender Organtransport ermöglicht werden.

Tobias Ludwig

Bild: Lumatix & BioThrust


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Letzte Änderungen: 20.10.2022