Reformvorschlag gescheitert
(30.05.2023) Eine Reform des WissZeitVG sollte die Befristungsmöglichkeiten nach der Promotion auf drei Jahre begrenzen. Ein gut gemeinter Vorschlag, aber …
Seit 2007 bringt das WissZeitVG junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Bedrängnis, weil sie sich über kurze Laufzeiten an Kettenverträgen entlanghangeln und häufig in Unsicherheit gelassen werden, ob sie etwa eine Promotion überhaupt auf einer bezahlten Stelle zu Ende führen können.
Wie kann man also die Universitäten motivieren, ihren Mitarbeitern während und nach der Promotion sichere und gegebenenfalls sogar unbefristete Perspektiven zu bieten? Hierzu legte das BMBF Mitte März ein Eckpunktepapier vor, das nach der Promotion eine Senkung der Höchstbefristungsdauer von sechs auf drei Jahre vorsieht. Ein sicher gut gemeinter Vorschlag, denn ein Postdoc müsste anschließend einen unbefristeten Vertrag bekommen. Umgekehrt aber könnte das zu einem faktischen Berufsverbot führen, das einfach nur um drei Jahre vorgezogen ist.
Es ist kompliziert
Kaum war das Eckpunktepapier veröffentlicht, hagelte es Kritik. Schnell war klar: Die Vorschläge werden es nicht in einen Reformentwurf zum WissZeitVG schaffen. Dafür berief das BMBF eine Anhörung ein, zu der vor Ort und per Stream zugeschaltet insgesamt 13 Repräsentanten unterschiedlicher Organisationen geladen waren. Darunter GEW, Deutscher Hochschulverband (DHV), das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss), die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und #IchBinHanna-Mitbegründerin Amrei Bahr.
Ein Resümee seitens des NGAWiss dürften wohl die meisten Anwesenden unterschreiben: Ob man nun Dauerstellen im Mittelbau schaffen oder den Weg zur Professur stärken will, das Limit der drei Jahre verbindet „das Schlechteste aus beiden Welten“. Ein Arbeitgeber, der nach wie vor nicht willens ist, unbefristet zu beschäftigen, wird dann eben den Dreijahresvertrag auslaufen lassen. In dieser Zeit wird sich aber kaum ein Postdoc habilitiert und für eine Professur qualifiziert haben. Darauf weist zum Beispiel auch der Biochemiker und Präsident der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie Volker Haucke in einem Interview mit Laborjournal hin (siehe „Praktisch ein Berufsausübungsverbot“ vom 03.04.2023 auf LJ online). Viele dürften nach den drei Jahren also ohne Job und ohne Aussicht auf eine Professorenkarriere dastehen.
Das Video der Anhörung vom 30. März beim BMBF ist in voller Länge abrufbar (Stand am 20.04.2023).
Gute Forschung wird verhindert
Persönlich sprechen konnten wir mit Lisa Janotta. Die Sozialpädagogin engagiert sich für das NGAWiss und kennt die Befristungen von ihrer eigenen Karriere. Seit einem halben Jahr habe sie eine 100-Prozentstelle, was ziemlich selten sei in der Wissenschaft. „Mein jetziger Arbeitsvertrag geht insgesamt drei Jahre“, erklärt sie, „ich habe auch keine Aussicht auf Entfristung an meinem aktuellen Arbeitsplatz“. Neben der Unsicherheit für die persönliche Lebensplanung nennt Janotta noch ein weiteres Argument gegen Verträge mit kurzen Laufzeiten und den Mangel an Dauerstellen: „Das ist absolut forschungs- und lehrfeindlich, die Qualität der Forschung leidet unter diesem System!“
Das beginnt mit der halben Stelle, die man dann aber faktisch doch in Vollzeit oder darüber hinaus ausfüllt. Mehr als zehn Überstunden pro Woche kommen in einer Teilzeitstelle durchschnittlich zusammen. „In einer eigenen Evaluation zum WissZeitVG haben wir nach den Gründen gefragt, und die Antwort lautet: Weil die Qualifikation anders nicht zu leisten wäre.“ Hinzu kommen neben der eigenen Forschung die Lehre oder Sitzungen im Institut. „Solche Dinge halbieren sich nicht zwangsläufig, nur weil ich eine halbe Stelle habe.“
Nun mag man fragen, warum die Wissenschaft dieses Sonderrecht für sachgrundlose Befristungen für sich einfordert. Projekte seien begrenzt, hört man oft. Doch auch der Bauunternehmer muss sich nach einem neuen Projekt umschauen. Er darf seine Mitarbeiter nicht mit dem Argument über Kettenverträge befristen, dass er ja nicht wisse, ob in zwei Jahren wirklich ein neuer Kunde ein Haus in Auftrag gibt. Ebenso sollte man doch auch die Unis in der Pflicht sehen, neue Drittmittel einzuholen, und könnte das analog zur Kundenakquise sehen.
Janotta räumt aber ein, dass diese Situation nicht auf Hochschulen übertragbar ist. „Man muss immer mitdenken, dass eine Uni anders funktioniert als die freie Wirtschaft und auch das Recht zur betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst so nicht greift. Das ist in Großbritannien härter, dafür kann man dort aber auch leichter entfristet werden.“ Würde also eine Universität in Deutschland keine Arbeit mehr für einen unbefristet eingestellten Mitarbeiter haben, müsste sie beweisen, dass es im gesamten Land keine alternative Beschäftigung gibt. „Arbeitsrechtlich ist das eine große Hürde.“
Alternativen zur Professur
Trotzdem betont Janotta die Forderung des NGAWiss: „Entweder eine direkte Entfristung nach der Promotion oder allenfalls eine minimale Übergangszeit; und befristete Verträge nur mit einer Anschlusszusage, wenn man nochmal eine Zwischenqualifikation erreicht.“
Auch die Forderungen der GEW gehen in eine ähnliche Richtung, erklärt uns deren stellvertretender Vorsitzender Andreas Keller. „Es gibt gute Erfahrungen mit dem Tenure Track“, nennt er ein Beispiel. Er könnte sich dazu analog vorstellen, weiterhin eine Befristung von sechs Jahren nach der Promotion zuzulassen, aber mit einer Entfristungszusage, die an bestimmte vorab vereinbarte Ziele gekoppelt ist. „Natürlich muss das transparent sein und erreichbar, denn sonst lädt das zum Missbrauch ein“, betont Keller. Die GEW stellt aber klar, dass eine Promotion der höchste Bildungsabschluss ist und man ja spätestens mit dem Master als Wissenschaftler qualifiziert ist. Auch Keller beklagt daher das Alles-oder-nichts-System in Deutschland, bei dem man alles auf die eine Karte der Professur setzen muss.
Das BMBF nimmt die Kritik an jener Dreijahresregel nach eigenen Angaben ernst und beschreibt den Austausch hierzu als konstruktiv. Per E-Mail schreibt uns die Presseabteilung: „Zudem sieht die Bundesregierung ein großes Potenzial in der unbefristeten Anstellung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch mithilfe von Drittmitteln. Beispielsweise ermöglichen die Regularien der Projektförderung des BMBF grundsätzlich auch, die Tätigkeit von unbefristet angestelltem Personal in Projekten zu finanzieren.“ Ob das allen Unis schon bekannt ist?
Mario Rembold
Dieser hier gekürzte Artikel erschien zuerst in ausführlicher Form in Laborjournal 5/2023.
Bild: AdobeStock/larshallstrom
Weitere Artikel aus dem aktuellen Laborjournal
- Frische Winzlinge
Die Forschungsgruppe um Norbert Hübner am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) suchte nach zuvor übersehenen Mikroproteinen und stellte fest: Sie sind quasi aus dem Nichts entstanden.
- Synergetische Photonen
Bei den üblichen Techniken der dreidimensionalen Nanoskopie teilen sich die nicht gerade im Überfluss vorhandenen Photonen auf und tragen entweder zur lateralen oder zur axialen Lokalisierung eines anvisierten Moleküls bei. Eine deutlich höhere Auflösung erreicht man, wenn man die axiale Position mit dem Graphen-Energietransfer ermittelt.
- Stichwort: Gravitaxis
Während Leben über die letzten vier Milliarden Jahre entstand und sich entwickelte, blieb nur ein Umweltparameter allzeit konstant: die Schwerkraft. Sie prägte maßgeblich, welche Formen lebende Systeme annahmen.