Editorial

Synergetische Photonen - Präzise 3D-Nanoskopie

Mario Rembold


(15.05.2023) Bei den üblichen Techniken der dreidimensionalen Nanoskopie teilen sich die nicht gerade im Überfluss vorhandenen Photonen auf und tragen entweder zur lateralen oder zur axialen Lokalisierung eines anvisierten Moleküls bei. Eine deutlich höhere Auflösung erreicht man, wenn man die axiale Position mit dem Graphen-Energietransfer ermittelt.

Die Community der Nanoskopie-Tüftler lässt sich offensichtlich auf ihrem Weg zu Auflösungen, die weit jenseits des 200-Nanometer-Limits von Ernst Abbe liegen, durch nichts mehr stoppen. Nicht immer ist dazu ein komplett neues nobelpreisverdächtiges Gerät nötig – ihre Trickkiste ist inzwischen so reichhaltig gefüllt, dass die Forscher und Forscherinnen allein durch das Kombinieren unterschiedlicher Werkzeuge Verbesserungen erzielen oder bestehende Probleme überwinden können.

Den Beleg hierfür liefert ein Team unter Federführung von Philip Tinnefeld von der LMU München. Es entwickelte ein Verfahren, mit dem ein präziser dreidimensionaler Blick in die belebte Nanowelt möglich ist. Die Gruppe kombinierte dazu die superauflösenden Mikroskopie-Techniken p-MINFLUX sowie DNA-PAINT mit dem sogenannten Graphen-Energietransfer. Durch das Zusammenwirken der drei Verfahren lassen sich einzelne Moleküle mit einer Präzision von rund zwei Nanometern in der xy-Ebene und 0,3 Nanometern in der z-Achse lokalisieren (Light Sci. Appl. 12(1): 70).

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Jonas Zähringer und seine Kollegen aus Philip Tinnefelds Team kombinierten die Super-Resolution-Techniken DNA-PAINT sowie p-MINFLUX mit dem Graphen-Energietransfer. Da Letzterer vom vertikalen Abstand abhängt, lässt sich die axiale Position eines Moleküls sehr exakt bestimmen. Illustr.: Gruppe Tinnefeld (Bild größer)

Doch gehen wir zunächst ein paar Jahre zurück. 2016 stellten Forscher und Forscherinnen um Francisco Balzarotti und Stefan Hell ein superauflösendes Konfokalmikroskop mit „minimalen Photonenflüssen“ vor, dem sie den Namen MINFLUX gaben (Science 355(6325): 606-12). Ähnlich wie Hells STED-Mikroskop wirft auch das MINFLUX-Mikroskop einen Donut-förmigen Laserstrahl auf die Probe. Ein getroffenes Fluorophor leuchtet im helleren äußeren Ring des Lichtstrahls auf, zeigt in der Mitte des Donuts, in der das Anregungslicht sein Minimum hat, hingegen keine Fluoreszenz. Der Laser rastert die Probe ab und zeichnet die Signale auf. Ist der Strahl auf ein Fluorophor gerichtet, korrigiert die Software die Ausrichtung so lange, bis die Fluoreszenz minimal wird. An diesem Punkt lässt sich die Lokalisation des Moleküls auf den Nanometer genau bestimmen. Tatsächlich genügt es, die Intensität eines Fluorophors mit drei geeigneten Laser-Positionen zu erfassen, um daraus die Koordinaten für die zweidimensionale Lokalisation zu errechnen.

„Wir haben aber nicht mit MINFLUX gearbeitet, sondern mit p-MINFLUX“, ergänzt Jonas Zähringer, Erstautor der aktuellen Publikation und Doktorand in Tinnefelds Gruppe. P steht für Pulsed Interleaved: Im Gegensatz zu MINFLUX regt der Laser den Fluorophor jeweils durch einen kurzen Lichtpuls an (Nano Lett. 21(1): 840-46). Spoilerwarnung: Dieser kleine, aber entscheidende Unterschied wird bei der Kombination mit dem Graphen-Energietransfer noch wichtig werden!

Zeitlich versetzte Laserpulse

Anstatt einen einzelnen Laser zu verschieben, bis das Signal des Fluorophors erscheint, arbeitet p-MINFLUX mit vier Lasern, deren Donuts auf eine Position gerichtet sind. Die Laser geben nacheinander jeweils einen Laserpuls ab, nach jedem Laserpuls wird das Signal des Fluorophors ausgewertet. „Die Pulse sind zeitlich um rund 12 Nanosekunden verschoben“, erläutert Zähringer. „Da wir sehr genau wissen, wann der jeweilige Laser aktiv ist und welche Donut-Position ihm zuzuordnen ist, können wir die Position des Fluorophors ermitteln, ohne die Donuts zu verschieben.“

Für die Auflösung in der dritten Dimension könnte man ebenfalls Laser verwenden, fährt Zähringer fort, doch müsste man dann mehr Photonen für die Anregung einsetzen. p-MINFLUX nutzt das Team daher nur um die xy-Koordinaten zu bestimmen. Mit einem Trick erfasst die Gruppe auch die exakte Position auf der z-Achse. Dazu platziert sie die Probe auf Deckgläschen, die mit der Kohlenstoffmodifikation Graphen bedeckt sind. Der angeregte Fluorophor überträgt Energie auf das Graphen – wie stark der Energietransfer ist, hängt von der Entfernung zwischen Fluorophor und Graphen ab.

Für die Messung ist die Fluoreszenz-Lebensdauer entscheidend, die sich verkürzt, je stärker der Energietransfer ist. Weil die Gruppe kein konstantes Anregungslicht einsetzt, sondern Laserpulse, kann sie diese Zeit messen. „Diese Information erhalten wir praktisch gratis“, erklärt Zähringer.

Nimmt der Fluorophor die Energie des Anregungslasers auf, verharrt er für wenige Piko- bis Nanosekunden im angeregten Zustand, bevor er ein Photon abgibt. Die Dauer des angeregten Zustands variiert im Einzelfall, ist aber im Mittel voraussagbar. „Wenn man das Anregen mehrmals wiederholt und ein Histogramm über hundert Photonen hat, findet man die Fluoreszenz-Lebensdauer heraus“, so Zähringer.

Zweifach genutzte Photonen

Je kleiner der Abstand des Fluorophors zum Graphen-Deckgläschen, desto kürzer ist die Fluoreszenz-Lebensdauer. In der Kombination mit p-MINFLUX wird jedes Photon synergetisch genutzt: Das vom Sensor eingefangene Photon liefert Informationen zur Lage des Fluorophors in der xy-Ebene. Die gemittelte Dauer zwischen Anregung und Emission enthält die räumliche Information zur Position auf der z-Achse.

Der Energietransfer auf Graphen verkürzt nicht nur die Fluoreszenz-Lebensdauer, sondern reduziert auch die Helligkeit des Fluorophors. Dieses sogenannte Quenching fällt umso stärker aus, je kürzer der Abstand des Fluorophors zum Graphen-Deckgläschen ist. „Bei einem Prozent Lebensdauer liegt auch die Intensität nur noch bei einem Prozent“, verdeutlicht Zähringer die Kopplung. Weil das Quenching direkt an der Oberfläche der Probe bei nahezu einhundert Prozent liegt, habe dies zudem den Vorteil, dass störende unspezifische Effekte „stummgeschaltet“ werden. „Wir sind also insensitiv für solche störenden Events“, stellt Zähringer fest.

Bei der superauflösenden Lichtmikroskopie geht es aber nicht immer darum, ein einzelnes fluoreszierendes Molekül exakt zu lokalisieren – auch wenn die auf den Nanometer genaue Auflösung eindrucksvoll ist. „Es könnten ja auch zwei Fluorophore, deren Abstand man erfassen möchte, eng beieinanderliegen. In diesem Fall würde man nur ein sogenanntes Centre of Mass erhalten“, erläutert der Doktorand. Anders ausgedrückt: Liegen zwei Moleküle eng beieinander, die für sich genommen lokalisierbar wären, so ist nur ein einziger verwaschener Fleck zu sehen. Den Schwerpunkt der Helligkeit kann man ermitteln, die beiden Fluorophore lassen sich aber nicht unterscheiden. „Mit MINFLUX alleine kann man zunächst keine Abstände messen“, bestätigt Zähringer.

Aber auch dieses Problem lässt sich mit den Werkzeugen aus der Superresolution-Trickkiste lösen: „Üblicherweise erzeugt man mithilfe geeigneter Chemikalien ein stochastisches Blinken und misst über einen längeren Zeitraum. Bei benachbarten Fluorophoren leuchtet mal das eine und mal das andere auf. So erhält man die Information zu ihrem Abstand.“ PALM und dSTORM sind die bekanntesten Superresolution-Mikroskopie-Verfahren, die auf dieser Technik basieren.

Bei eng beieinanderliegenden Fluorophoren kommt es jedoch zum Energietransfer. Obwohl nur eines der beiden Moleküle durch ein Photon angeregt wird, kann es Energie an das benachbarte übertragen. „Diese Fluorophore können wir dann nicht mehr einzeln aktivieren. Außerdem führt der Energietransfer zu einem stärkeren Photobleichen“, konstatiert Zähringer. Natürlich kommt es darauf an, was man unter dem Mikroskop beobachten möchte. Liegen die durch einzelne Fluorophore markierten Strukturen weit auseinander, gibt es keine Probleme. In einer sehr dicht gepackten Umgebung lassen sich die Abstände zwischen den benachbarten Fluorophoren aber selbst durch stochastisches Blinken nicht mehr auflösen.

„Stattdessen muss man darauf achten, dass immer nur ein Fluorophor zur selben Zeit am selben Ort auftaucht. Das stellen wir mit der DNA-PAINT-Technik sicher“, betont Zähringer. DNA-PAINT basiert auf der reversiblen Paarung komplementärer Basen. Dazu stellt man aus einer Nukleinsäure ein Aptamer her, das spezifisch an ein Protein in der Probe bindet. Das Aptamer enthält aber keinen Fluorophor. Stattdessen ist der Farbstoff an eine DNA-Sequenz gekoppelt, die sich frei im Medium bewegen kann und mit dem Aptamer hybridisiert. Dieser sogenannte Imager ist nur gelegentlich am Zielmolekül zu finden, das während dieser Zeit genau lokalisierbar ist. Durch eine geeignete Konzentration des Imagers stellt man sicher, dass der Fluorophor nicht zur selben Zeit an zwei benachbarten Zielmolekülen auftauchen kann.

Statt eines Aptamers kann man auch einen Antikörper einsetzen, dem man eine kurze, zur Sequenz des Imagers komplementäre DNA-Sequenz anfügt. Im Grunde wird das zufällige Blinken des Fluorophors bei PALM oder dSTORM im Fall von DNA-PAINT durch die zeitlich begrenzte Bindung des Fluorophors an das Zielmolekül ersetzt.

Angeleinter Imager

Will man die Probe in kürzerer Zeit aufnehmen, benötigt man höhere Imager-Konzentrationen. Durch die frei diffundierenden Fluorophore verschlechtert sich aber auch das Verhältnis zwischen Signal und Hintergrund. Daher stellte das Team eine modifizierte Variante von DNA-PAINT vor. Bei dieser enthält die mit dem Fluorophor markierte DNA neben dem Imager-Motiv einen sogenannten Concentrator, der länger oder sogar dauerhaft an eine Zielregion bindet. Die Imager-Sequenz hängt über einen Linker sozusagen an der (mehr oder weniger langen) Leine des Concentrators und kann die Umgebung abtasten. Findet sie ein komplementäres Ziel, bindet sie daran, löst sich aber auch wieder von diesem ab – während der Concentrator den Imager dauerhaft in der Nähe hält. Statt den Imager in hoher Konzentration einzusetzen, reichert man ihn nur lokal an. Das Verfahren nennt sich daher auch Lokales-PAINT oder L-PAINT.

Zähringer bestätigt, dass die Kombination aus p-MINFLUX, Graphen-Energietransfer sowie DNA-PAINT zunächst als Proof of Concept gedacht ist. Die Gruppe verwendete daher keine natürlichen biologischen Proben, um die Technik zu testen, sondern Strukturen, die sie mit DNA-Origamis herstellte. Grundsätzlich sei das Verfahren aber besonders geeignet, um dichte lokale Cluster aufzulösen – und ist prinzipiell auch mit dem Imaging lebender Zellen kompatibel.

Zähringer hat dazu offenbar auch schon konkrete Ideen, möchte aber noch nicht zu viel verraten.