Biogassynthese und Mikrobiota
Die Biogassynthese lässt sich in vier Stufen unterteilen: Hydrolyse, Acidogenese, Acetogenese und schließlich Methanogenese. Konkret laufen dabei folgende Schritte ab: Bei der Hydrolyse werden zunächst komplexe Makromoleküle zu verschiedenen Oligo-, Di- und Monomeren abgebaut; diese werden während der folgenden Acidogenese zu Wasserstoff (H2), Kohlendioxid (CO2), Alkoholen und flüchtigen Fettsäuren umgesetzt; daraus entsteht Acetat (Essigsäure) und last but not least, Methan aus Acetat, Wasserstoff und/oder methylierten Verbindungen. Verschiedene Mikroorganismen sind dabei auf die jeweiligen Umsetzungsschritte spezialisiert und bilden sogenannte synthrophe Gemeinschaften, in diesem Fall bestehend aus Bakterien und Archaeen.
Die Dresdner und Cottbuser Preprint-Autoren sind Projektpartner beim international besetzten, EU-finanzierten Projekt Micro4Biogas. Dieses zielt darauf ab, biologische Prozesse zur Biogasproduktion effizienter und dadurch das Biogas im Energiemarkt wettbewerbsfähiger zu machen. Dafür nahmen die Forscher und Forscherinnen die für die Biogasproduktion relevante Mikrobiota genauer in den taxonomischen und chemischen Blick und beprobten 45 Biogasanlagen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.
Bakterielle Bewohner benannt
Metagenom-Analysen beispielsweise zeigten, dass sich fast zehn Prozent der Gesamtheit der Mikrobiota in Biogasanlagen den Archaeen zuordnen ließen, hier insbesondere der Gattung Methanosarcina. Bei den Bakterien dominierten Vertreter der Gattungen Proteiniphilum, Gallicola und Clostridium sensu stricto, vor allem aber MBA03 aus der Ordnung der Clostridiales. MBA03 ist schon länger im Kontext der Biogassynthese bekannt, genauere Charakterisierungen scheiterten bislang aber unter anderem daran, dass keine Methoden zur Kultivierung von MBA03-Arten bekannt sind.
Auch das Micro4Biogas-Forscherkonsortium konnte die Bakterien nicht kultivieren, dafür aber sequenzieren. Aus 30 Proben der Biogasanlagen assemblierte es 108 Metagenome von MBA03. Auf Basis der 16S rRNA Gene wurden molekulare Verwandtschaftsanalysen durchgeführt und ein Stammbaum erstellt, in dem MBA03 eine monophyletische Gruppe mit zwei Untergruppen bildet. Die Autoren schlugen daher eine neue Ordnung innerhalb des Bakterienreichs vor, der MBA03 angehört: Die Darwinibacteriales mit den beiden Spezies Darwinibacter acetoxidans und Wallacebacter cryptica – benannt nach den beiden Vätern der Evolutionstheorie Charles Darwin und Alfred Wallace.
Die genetischen Analysen erlaubten auch einen Blick in die metabolischen Ausstattungen der Darwinibacteriaceae und der Wallacebacteriaceae. Demnach verwerten Darwinibacteriales organische Nährstoffe und nutzen dreiwertiges Eisen (Fe3+) als Elektronen-Akzeptor für die anaerobe Atmung. Dass sie offenbar auch auf Schwefelwasserstoff (H2S) wachsen können, eröffnet, so die Autoren, interessante Fragestellungen zur Beteiligung dieser Bakterien am Schwefelkreislauf, der für die Biogasqualität ebenfalls eine Rolle spielt.
Optimierte Biogas-Mikrobiota
Das Set codierter Enzyme und Transportproteine legt nahe, dass Darwinibakterien unter anderem bakterielles Peptidoglykan, Stärke, Pektin und Chitin metabolisieren können, was auf ein breites Substratspektrum bei der initialen Hydrolyse der Biogassynthese schließen lässt. Syntrophe Acetat-oxidierende Bakterien verfügen über den sogenannten reversen Wood-Ljungdahl Weg, der an ein Glycin-Spaltungssystem gekoppelt ist. Dieser Pathway ist bei den Darwinibacteriaceae (nicht aber bei den Wallacebacteriaceae) genetisch komplett angelegt, was darauf hindeutet, dass diese Acetat zu H2 und CO2 oxidieren können. Aus dem frei werdenden Wasserstoff synthetisieren dann hydrogenotrophe Archaeen Methan, den Energieträger innerhalb des Biogases. Es scheint, dass die Darwinibacteriaceae ihre ökologische Nische in der anaeroben Fermentation gefunden haben und sich besonders in Habitaten wie Faultürmen oder eben Biogasanlagen wohlfühlen.
Um die Fermentationseffizienz und somit die Ausbeute an Biogas zu erhöhen, soll das Zusammenspiel der beteiligten Mikroorganismen durch sogenannte „Designer-Mikrobiome“ optimiert werden (Müll und Abfall, 5: 243-7). Mit der Identifikation und taxonomischen Einordnung von MBA03 als neue Ordnung Darwinibacteriales sind die Forscherinnen und Forscher diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen.
Ralph Bertram
Otto P. et al. (2023): Multivariate comparison of taxonomic, chemical and technical data from 80 full-scale an-aerobic digester-related systems. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.08.556802
Puchol-Royo R. et al. (2023): Unveiling the ecology, taxonomy and metabolic capabilities of MBA03, a potential key player in anaerobic digestion. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.08.556800
Bild: Micro4biogas-Blog
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