Tatsächlich wurde bereits 2011 ein erstes derartiges Programm an der Medizinischen Hochschule Hannover ins Leben gerufen. „Da das FWJ eine Möglichkeit der Förderung des Nachwuchses in der Wissenschaft darstellt und gleichzeitig den Fokus auf die MINT-Fächer legt, bieten wir in jedem Jahr auch Plätze in der Medizin und den Life Sciences an, unter anderem an der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, dem HZI Braunschweig und der Tierärztlichen Hochschule Hannover“, sagt die Leiterin des Büros für die Freiwilligendienste von der MHH Nadine Dunker.
Seit den Anfängen im Jahrgang 2011/12 haben sich die Zahlen von 57 Freiwilligen im Jahrgang 2019/20 auf 134 Freiwillige mehr als verdoppelt. Dabei nahm vor allem der Anteil der weiblichen Teilnehmerinnen von 44 % (2014/2015) auf 55 % (2019/2020) zu. „Die Zunahme der Teilnehmerinnen über die Jahrgänge ist besonders positiv zu bewerten, da der konzeptionelle Ansatz des FWJ auch mit der Nachwuchsgewinnung insbesondere von Frauen im MINT-Bereich beschrieben ist“, so Dunker.
Mehr Bewerbungen als Plätze
Seit 2015 bietet auch die Universität Oldenburg ein FWJ an, das jedoch keinesfalls ein geschützter Begriff ist wie Nadine Brandt, Koordinatorin des Programms in Oldenburg, erklärt: „Wir sind ein Bundesfreiwilligendienst und nennen das einfach Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr.“ Angenommen wird das Ganze sehr gut: So trudeln für die jährlich 10–15 vorhandenen Plätze manchmal über hundert Bewerbungen aus ganz Deutschland ein. „Die Auswahl für den oder die passende Kandidatin fällt den Arbeitsgruppen oftmals nicht leicht, da die Qualität der Bewerbungen in vielen Fällen sehr hoch ist“, so Brandt.
Dass die Arbeitsgruppen in der Regel zufrieden mit ihrer getroffenen Wahl sind, sieht man auch daran, dass sie sich in den darauffolgenden Jahren wieder an dem Programm beteiligen. Zwar sei der Betreuungsaufwand in der ersten Zeit hoch, wie Brandt ausführt, doch: „Diese zeitliche Investition rentiert sich relativ schnell, da die FWJler und FWJlerinnen anschließend sehr selbstständig unterstützende, aber auch anspruchsvollere Aufgaben innerhalb der Forschungsprojekte übernehmen können und somit zu einem wichtigen Bestandteil der Arbeitsgruppen werden.“
Sehr positiv äußern sich die Freiwilligen auch selbst auf der Uni-Homepage. „Natürlich würden die FWJler und FWJlerinnen die Herausforderungen eines Studiums oder einer Ausbildung auch ohne das vorherige Absolvieren eines FWJ bestehen, aber die Erfahrungen, die sie in diesem Jahr sammeln, bilden eine gute Grundlage sich darauf vorzubereiten“, zieht Brandt ein Fazit aus den Erfahrungsberichten. „Zum einen, weil sie neben der Tätigkeit in den Arbeitsgruppen die Möglichkeit nutzen können, an diversen universitären Veranstaltungen teilzunehmen und so einen Einblick in das Hochschulleben zu gewinnen, aber auch lernen, selbstständig zu arbeiten, ihre Zeit zu planen und sich intensiv mit Studien- und Berufswünschen auseinanderzusetzen.“
Den Berufsweg klären
Auch am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und an der RWTH Aachen gibt es ähnliche Projekte. An der Uni Aachen werden seit 2017 FWJ-Stellen im Rahmen des SFB 1120 „Bauteilpräzision durch Beherrschung von Schmelze und Erstarrung in Produktionsprozessen“ an sechs verschiedenen Instituten angeboten. Zu den Aufgaben der Freiwilligen gehörten laut Fatma Akyel vom Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik der RWTH Aachen unter anderem Probenvorbereitungen, Datenauswertungen und mechanische Bearbeitung. Aber auch anspruchsvollere Arbeiten bis hin zur Durchführung von eigenen Experimenten sind möglich. Zwar hätten bisher nicht sehr viele Freiwillige das Angebot wahrgenommen. „Die Rückmeldungen waren aber äußerst positiv“, so Akyel, „viele haben sich anschließend für ein Studium in einem MINT-Fach entschieden“.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ermöglicht seit 2014 im Rahmen des „Freiwilligen Sozialen Jahres im wissenschaftlichen Bereich“ in seinen Forschungslaboren Projekte in der klinischen, biomedizinischen und Grundlagen-Forschung. An der LMU München gibt es dagegen noch keine Erfahrungen mit dem FWJ. Im Prinzip gilt das auch für die Technische Universität München wie Pressereferentin Katharina Baumeister zugibt: „Laut unserer Personalabteilung wäre ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr an der TUM aber prinzipiell nicht ausgeschlossen. Die Verantwortung dafür liegt dezentral bei den jeweiligen Lehrstühlen.“ Vorhanden wären allerdings Stellen für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. „Und gerade beim FÖJ an einer Hochschule und beim FWJ kann es ja Überschneidungen geben“.
Gute Erfahrung für beide Seiten
So betreut Hans Pretzsch an der TUM School of Life Sciences, Inhaber des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde, schon seit Jahren FÖJler. „Wir haben diese Stelle, zunächst Zivi, dann das FÖJ, an meinem Lehrstuhl eingerichtet, um jungen naturwissenschaftlich interessierten Leuten eine Phase der Orientierung zu bieten“, erklärt Pretzsch. „Die Freiwilligen werden hier voll eingebunden und gefordert mit dem Ziel, sie herausfinden zu lassen, was ihnen liegt und wohin sie beruflich wollen.“
Das ist offensichtlich geglückt, denn von den Ehemaligen haben einige tatsächlich den entsprechenden Weg eingeschlagen und sind beispielsweise in Forstwissenschaft habilitiert oder Betriebsleiter geworden, während andere in der Zeit herausgefunden haben, dass diese Fachrichtung überhaupt nichts für sie ist, wie Pretzsch zusammenfasst. „Beide Resultate sind uns wichtig, wir wollen mit der Stelle primär freie Entwicklung unterstützen, den Leuten dazu verhelfen, rauszufinden, wofür sie sich langfristig nützlich machen können.“
Bis auf wenige Ausnahmen haben die Betreuer sehr gute Erfahrungen mit den jungen FÖJlern gemacht, die Pretzsch als engagiert, motiviert, einsatzstark und jede und jeder auf seine Art und Weise als eine Bereicherung beschreibt. „Die meisten meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und auch ich, haben selber mehrere Kinder in der Ausbildung, und so wissen wir, wie wichtig die Kommunikation, Förderung, Einbindung in dieser Entwicklungsphase ist.“
Larissa Tetsch
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