Eine Lobby für die „Unsichtbaren“
(25.05.2020) Kaum jemand setzt sich für die Belange von TAs ein. Kann eine Interessenvertretung, wie am Berliner MDC, ihre Position stärken? Wir haben uns umgehört.
Technische Assistent(inn)en, kurz TAs, sind in vielen Laboren das Fundament, auf dem alles aufgebaut ist. Sie beherrschen die meisten Methoden und sind oft schon so lange dabei, dass sie sich sogar noch an Details aus dem vorletzten Doktoranden-Projekt erinnern – und sofort die Proben von damals wiederfinden. Andererseits dürfen sie oft wenig mitbestimmen oder ihre Sorgen und Nöte werden nicht besonders beachtet. Das meinten jedenfalls die TAs am Max-Delbrück-Centrum (MDC) in Berlin und gründeten deshalb letztes Jahr eine Interessenvertretung, um sich mehr Gehör zu verschaffen.
Seither kommen im Schnitt etwa 10–12 TAs zusammen, die das Sprachrohr aller TAs am Centrum sind. Gewählt sind sie nicht und die Teilnahme ist rein freiwillig. Sie eint jedoch der Gedanke, die Stellung der TAs stärken zu wollen, etwa wenn es um Fortbildungen geht oder bessere Computer am Arbeitsplatz. Bislang seien sie nämlich „unsichtbar“ gewesen, meint eine der TA-Vertreterinnen im Interview für „Wir am MDC“.
Keine Kurse für TAs
Auch Maike Ruprecht, die seit Anfang des Jahres für Laborjournal aus dem Alltagsleben einer TA berichtet, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Das Phänomen der ‚unsichtbaren TAs‘ gibt es an unserer Universität genauso, auch wenn das von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe stark unterschiedlich ist“, meint sie. „Auch was die Bedarfsorientierung der Weiterbildung anbelangt. Das eigentlich vielseitige Angebot enthält wenig bis gar keine Kurse für TA-relevante Themen zu modernen Technologien wie Massenspektrometrie oder Elektronenmikroskopie“, so Ruprecht, die auf 18 Jahre Berufserfahrung zurückblickt. Dabei seien Fortbildungen für TAs besonders lohnend, da diese neben den Professoren zumeist am längsten an der Uni bleiben.
Auch aus diesem Grund haben die TAs an der Goethe-Universität Frankfurt ebenfalls eine Interessenvertretung gegründet, wie Maike Ruprecht berichtet: „Vor einigen Jahren haben wir begonnen, ein TA-Netzwerk aufzubauen. Wir haben unter anderem ein monatliches Treffen, bei dem wir uns über alles Mögliche austauschen“, sagt sie. Der TA-Treff wird als Arbeitszeit anerkannt und ist in die Broschüre für innerbetriebliche Weiterbildung aufgenommen worden. „Dort haben wir unter anderem einen Leitfaden für neue TAs zusammengestellt“, so Ruprecht. Außerdem besprechen die TAs in ihrem Netzwerk praktische Fragen, etwa wie man Trockeneispakete international verschickt oder gemäß der aktuellen Gefahrstoffverordnung korrekt empfängt. Trotzdem verfüge das TA-Netzwerk über keinerlei offizielle Entscheidungsgewalt, sagt Ruprecht.
Mehr Akzeptanz, bitte!
Gegründet hat das Netzwerk an der Uni Frankfurt Ingrid Weber und zwar bereits im Jahr 2008. Auch sie fühlt sich „unsichtbar“. „Oft habe ich den Eindruck, dass die TA an vorderster Front im Labor steht und der Vorgesetzte gar nicht weiß, was dort los ist, solange der Laden läuft. Für persönliche Befindlichkeiten ist da oft kein Platz“, meint sie. Mit dem TA-Netzwerk bemüht sie sich um mehr Präsenz und mehr Akzeptanz in den höheren Ebenen und bei den Professoren. „Wir machen eine gewisse Lobby-Arbeit für uns TAs und versuchen, unsere Interessen soweit es uns möglich ist zu vertreten. Denn ohne die TAs geht eher wenig in den meisten Laboren“, sagt Weber.
Auch für sie ist das Hauptthema Fortbildungen. „Oft werden Bitten auf Weiterbildungen mit der Begründung von Seiten der Vorgesetzten abgelehnt, dass die Laborarbeiten oft so speziell sind, dass es dafür keine Fortbildungen gibt. Und außerdem weiß man ja auch schon alles, was man für die alltägliche Arbeit braucht“, schildert uns Weber. Und an die Kosten müsse man ja auch noch denken, so die Netzwerk-Gründerin weiter. Daher organisiert das TA-Netzwerk selbst Fortbildungen zum Beispiel durch Inhouse-Schulungen von Firmen.
Elisabeth Kalden, die das TA-Netzwerk zusammen mit Ingrid Weber organisiert, betont, dass es durchaus auch wohlwollende Stimmen an der Uni Frankfurt gibt. „Neue Professoren sind sehr dankbar, dass ihre Mitarbeiter schnell über das Netzwerk integriert und mit Informationen versorgt werden. Dafür haben wir ja den Leitfaden entwickelt, der regelmäßig überarbeitet wird“, sagt sie. Es gibt aber leider immer noch Professoren, die mauern und jedem fachlichen Austausch den Verrat von geheimen Protokollen unterstellen, erzählt sie weiter.
Auf dem Dekanats-„Schirm“
Die Vorteile eines solchen Austausches sollten aber offensichtlich sein. So könne man beispielsweise auch aussortierte Laborausstattung oder ungenutztes Material innerhalb der Arbeitsgruppen verschenken. Zudem ist Kalden stolz auf den E-Mail-Verteiler, über den die meisten TAs der Uni wichtige Informationen erhalten. „Was für mich persönlich wichtig ist, ist die Tatsache, dass wir es inzwischen auf den ‚Schirm‘ von zwei Dekanaten gebracht haben. Von dort kommt Unterstützung“, betont sie.
„Ich stehe für meine Interessen lieber selber ein“, meint dagegen Silvia, die an einem Institut in Süddeutschland arbeitet. Sie möchte lieber nicht erkannt werden und weder ihren Arbeitsplatz noch echten Namen preisgeben. „Wenn etwa mein Arbeitscomputer zu langsam wäre, würde ich einfach selbst den Chef fragen“, sagt sie uns. „Wenn der meint, die Drittmittel geben einen neuen Computer gerade nicht her und dann komme ich wieder, diesmal mit einer Interessenvertretung, ist das Arbeitsklima doch kaputt“. Daher wünscht sie sich auch gar keine Interessenvertretung.
Und „unsichtbar“ fühlt sie sich auch nicht, ganz im Gegenteil: „In meiner Erfahrung ist es so, dass die Arbeit der TAs immer sehr geschätzt wird. Wir beherrschen viele Techniken, haben eine breite Grundausbildung und arbeiten über viele Jahre in der gleichen Gruppe, während Doktoranden und Postdocs ja häufig wechseln“. Silvia selbst war schon in drei unterschiedlichen Arbeitsgruppen und hat fast 20 Jahre Berufserfahrung voll. Und nirgends hat sie die Lage so empfunden wie die TAs am MDC berichten.
Hört auf die TA!
Das Einzige, das auch Silvia bemängelt, ist, dass in strukturellen Fragen zu wenig auf TAs gehört wird. „Wenn man zum Beispiel vorschlägt, doch einen Plan für die Benutzung eines bestimmten Gerätes zu machen.“ Auch bei anderen Vorschlägen für den Arbeitsalltag würde gerne mal abgeblockt. Immer nach dem Motto: Mach deinen Job im Labor und lass die Gestaltung uns anderen.
Über verschiedene Forschungseinrichtungen hinweg zeigt sich also ein gemischtes Bild: es gibt sie die TAs, die sich wertgeschätzt fühlen, aber es gibt auch viele „Unsichtbare“. Hier kann ein Netzwerk helfen, dass Interessen mehr beachtet werden.
Karin Lauschke
Foto: Pixabay/RAEng_Publications