Editorial

Wirkstoff des Monats: Nirmatrelvir und Ritonavir

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 1-2, 2022)


Stichwort

(07.02.2022) Die Wirkstoff-Kombination von Pfizer, die das Unternehmen unter dem Markennamen Paxlovid verkaufen wird, ist das erste COVID-19-Medikament, das man in Form einer Tablette einnehmen kann. Am 22. Dezember sprach die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Emergency Use Authorization (EUA) zur Behandlung erkrankter, gefährdeter COVID-19-Patienten aus. Auch die europäische Arzneimittel-Agentur EMA begann mit der Begutachtung von Pfizers Zulassungsantrag, empfiehlt aber auf der Basis der Daten einer klinischen Phase-2/3-Studie jetzt schon die Anwendung des Medikaments. Paxlovid könne das Risiko der Hospitalisierung und von Todesfällen um 89 Prozent senken, teilte Pfizer mit. Das weckt Hoffnung. Die Bundesregierung kaufte eine Million Packungen.

Editorial

Die beeindruckend große relative Zahl von 89 Prozent geht aus der EPIC-HR-Studie hervor, einer randomisiert-kontrollierten Phase-2/3-Studie mit 2.246 ungeimpften Risikopatienten. Die tatsächlichen Patientenzahlen sind wie folgt: Innerhalb von 28 Tagen nach der Randomisierung erkrankten in der Verumgruppe 389 Personen, davon mussten fünf in die Klinik, keiner starb. In der Placebogruppe infizierten sich 385 Menschen, davon kamen 44 in ein Krankenhaus, neun überlebten nicht. Den Wirkstoff verabreichten die behandelnden Ärzte innerhalb von drei Tagen nach Beginn der Symptome. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich, wenn der Zeitraum auf fünf Tage verlängert war.

Paxlovid ist ein Virostatikum, das die Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir enthält. Ersteres hemmt die virale 3-Chymotrypsin-like(3CL)-Protease. Diese Endopeptidase benötigen Coronaviren wie SARS-CoV-2, um das von der RNA als Polyprotein transkribierte Molekül in funktionelle Peptide zu zerlegen. Nirmatrelvir stammt nach Angaben des Herstellers aus einem Drug-Screening-Projekt. Ritonavir hingegen verlangsamt den vom Cytochrom-Enzym P450-3A4 (CYP3A4) bewerkstelligten Abbau von Nirmatrelvir und sorgt somit für eine längere Wirkung des Medikaments. Eine solche Unterstützung leistet Ritonavir schon bei Medikamenten, die zur Therapie von HIV- und Hepatitis-C-Infektionen eingesetzt werden.

Da CYP3A4 bei vielen physiologischen Vorgängen benötigt wird, muss man die Ritonavir-Dosis genau einstellen. Damit hatten die Entwickler zeitweise Probleme, bis sie erkannten, dass das Molekül in zwei verschiedenartige Strukturen (Polymorphen) kristallisiert, von denen aber nur eine gut verstoffwechselt werden kann. Unglücklicherweise reichen schon wenige Kristalle der nicht wirksamen Variante in einer Dosis aus, um alles unwirksam zu machen. Dieses Problem konnten die Entwickler beheben, indem sie die Herstellungsmethode und Formulierung änderten.