Editorial

Tipp 245: Schnelle Schnitterfolge mit dem Rapid-Tome

(12.12.2022) Schnittpräparate von Pflanzen müssen hauchdünn sein, um die Strukturen unter dem Mikroskop genau erkennen zu können. Mit dem Rapid-Tome aus dem 3D-Drucker gelingen sie auch Ungeübten ziemlich rasch.

Wer öfter mal mit der Gartenschere hantiert, Krustenbrot oder eine Fleischwurst schneidet, kennt das Problem: Feuchtes, nachgiebiges Material wird in der Nähe der Trennfläche unweigerlich gequetscht und verliert Saft. Hartes und Sprödes geht hingegen an vielen ungewollten Stellen zu Bruch – beim Schnitt in einen Löffelbiskuit bleiben meist nur Krümel übrig.

Auch beim Anfertigen von pflanzlichen Schnittpräparaten sind viel Fingerspitzengefühl, allerlei Tricks und das richtige Werkzeug gefragt, wenn man Kollateralschäden vermeiden will. Präparate für anatomische Studien am Mikroskop müssen intakt und vor allem hauchdünn sein, damit im Durchlichtmikroskop tatsächlich Zell- und Gewebestrukturen erscheinen – und nicht nur ein schwarzes Etwas. Einzelne Zellen lassen sich nur in dünnen Schnitten eindeutig voneinander unterscheiden. Sobald zwei oder mehr Zellschichten übereinanderliegen, wird es für den Betrachter oder die automatische Bildauswertungs-Software schwierig, etwas Vernünftiges zu erkennen. Mit solchen Proben ärgert man sich lieber nicht unnötig herum, sondern schmeißt sie besser weg und geht erneut ans Schneiden.

Prinzipiell gibt es zwei Herangehensweisen, wenn man gute Schnittpräparate erhalten will. Geduldige und routinierte Experimentatoren schneiden alles händisch mit einem Skalpell oder Rasiermesser. Geduld sollte man aber auch am Mikrotom mitbringen. Auch hier macht erst Übung den Meister – und die benötigt Zeit.

In der Pflanzenwelt sind die wenigsten Proben unkompliziert, denn oft treffen weiche und harte Lagen aufeinander, etwa bei Leitbündeln, die von verholzten sklerenchymatischen Zellen umgeben sind. Hohle Stengel und Proben, deren „Weichteile“ zermatscht würden, müssen vorher über Stunden oder gar Tage dehydriert und anschließend eingebettet werden, beispielsweise in Agarose, Wachs oder Harz. Geeignete Bedingungen beim Dehydrieren und Infiltrieren des Einbettungs-Materials muss der Experimentator je nach Art der Probe empirisch ermitteln.

Einfacher könnte es mit dem von Laura Bartleys Gruppe an der Washington State University konstruierten Rapid-Tome gehen, mit dem Pflanzenproben ohne aufwendige Vorbereitung geschnitten werden können. Beim Rapid-Tome entfällt die Einbettung, und somit auch die Gefahr, an den Gewebestrukturen etwas zu verfälschen (bioRxiv doi.org/jnt3).

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Das Rapid-Tome wird aus wenigen Teilen zusammengebaut, die mit dem 3D-Drucker hergestellt werden oder aus dem Baumarkt stammen. Foto: AG Bartley

Handlich und ohne Strom

Die meisten Bauteile des Do-it-yourselfMikrotoms stammen aus dem 3D-Drucker, die restlichen Kleinteile, etwa eine Unterlegscheibe, Bolzen, Schrauben sowie doppelseitiges Klebeband, aus dem Heimwerkermarkt. Hightech-Komponenten oder komplizierte Elektronik benötigt das Rapid-Tome nicht, und anders als so manches kommerzielle Mikrotom kommt es auch ohne Strom aus. Dank der handlichen Größe kann man es überall hin mitnehmen. Im Vergleich zum Rapid-Tome wirken gängige Rotationsmikrotome ziemlich wuchtig – sowohl beim Platzbedarf als auch bei den Anschaffungskosten. Bartleys Mikrotom der Marke Eigenbau besteht im Wesentlichen aus einem halbrunden Griff mit einer als Probenaufnahme dienenden axialen Bohrung in der Mitte sowie einem Schlitten für die Messerhalterung. Mit einem kleinen Schieber wird die Probe im Griff des Rapid-Tomes zum Schlitten geschoben, der im 90-Grad-Winkel am Ende des Griffs angebracht ist.

Das Team steckte einiges an Entwicklungsarbeit in den vordergründig einfach erscheinenden Aufbau und musste viele Prototypen verwerfen. Als Knackpunkte stellten sich die Bewegung des Schlittens in einem etwas nach unten gerichteten Winkel sowie die möglichst starre Fixierung der Rasierklinge in der Halterung heraus. Hierdurch wird sichergestellt, dass das Messer ganz leicht nach oben gebogen wird, wenn es während des Schnitts über eine horizontal angebrachte Unterlegscheibe aus Metall gleitet. Die Biegespannung hält die Schnittkante der Klinge während des Schnitts eben, wodurch einheitlich dicke Schnitte entstehen. Es ist ratsam, die Klemmschraube, die die Rasierklinge des Rapid-Tomes fixiert, sowie die dazugehörige Mutter als Erstes zu drucken. Passen Schraube und Mutter zusammen, reicht die Druckqualität des 3D-Druckers auch für die anderen Komponenten aus.

Die Proben, etwa Pflanzen-Stengel, richtet man auf eine ungefähre Länge von zehn Zentimetern zu und legt sie in den vertikalen Hohlraum des Griffs. Die linke (nichtdominante) Hand des Experimentators umgreift den Griff – damit sich brüchige Stengel nicht in Längsrichtung aufspalten, kann man sie mit einem Parafilm straff umwickeln. Und wie wird das Ende des Stengels kontrolliert bis zur Schnittebene bewegt, damit reproduzierbar dünne Präparate entstehen? Ähnlich wie bei einem Lippenstift wandert der in der axialen Bohrung des Griffs untergebrachte Stempel nach oben, wenn man an der sogenannten Advancement Screw am unteren Ende des Griffs dreht, und befördert die Probe in die Schnittebene.

Die Präparate werden anschließend mit einer sanften Bewegung des Schlittens geschnitten, die hauptsächlich vom Daumen und Zeigefinger der rechten beziehungsweise der dominanten Hand ausgeführt wird – beim Schneiden wandert der Daumen auf den Zeigefinger zu. Anschließend schiebt man den Schlitten mit dem Zeigefinger wieder in seine Ausgangsposition zurück und dreht die Einstellschraube um 180 Grad – oder so weit bis die gewünschte Dicke für den nächsten Schnitt erreicht ist.

Das frisch geschnittene Präparat landet automatisch in einem vorab auf der Klingenoberseite deponierten Wassertropfen und kann von dort leicht mit einer Pinzette transferiert werden.

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Mit dem Rapid-Tome angefertigte Schnittpräparate von verschiedenen Pflanzenproben. Foto: AG Bartley

Der Karotten-Trick

Nun wäre es aber etwas einseitig, nur Querschnitte von zylindrischen Proben mit den passenden Maßen anfertigen zu können. Was ist, wenn eine Probe zu kurz ist und selbst bei maximalem Herausdrehen nicht mehr die Schnittebene erreicht? In diesem Fall schafft ein zweiter Stempel Abhilfe, der auf dem unteren aufliegt und als künstliche Verlängerung der Probe dient.

Und wie sieht es mit Proben aus, die sehr dünn sind, keine zylindrische Form haben oder längs geschnitten werden sollen? Hier hilft der „Karotten-Trick“ weiter, der um einiges schneller und einfacher ist als ein echtes Einbettungs-Verfahren – und zudem ohne Dehydrieren sowie Infiltrieren auskommt. Karotten haben neben ihrer ganzjährigen Verfügbarkeit auch andere Vorzüge als Probenhalterung für Schnittpräparate: Ihr festes Gewebe sorgt für Stabilität und bewahrt die Proben vor Quetschungen. Dennoch lassen sich Karotten gut schneiden, und das Gewebe ist etwas nachgiebig. Außerdem bietet die feuchte Umgebung der Karotte Schutz vor dem Austrocknen. Um eine Probe mit einer beliebigen Form mit dem Rapid-Tome schneiden zu können, bohrt man mit dem Handbohrer ein Loch in die Karotte und steckt die Probe hinein. Anschließend spannt man die Karotte in das Rapid-Tome ein. Das Messer gleitet zunächst durch die Karotte und danach durch die eigentliche Probe hindurch. Da Letztere nur in die Karotte hineingelegt wird, ohne sie weiter zu fixieren, geschweige denn zu verkleben, löst sich das Präparat wieder von selbst aus der Karotte heraus.

Die Gruppe prüfte das Rapid-Tome mit unterschiedlichen Pflanzenproben auf Herz und Nieren, beispielsweise mit Internodien und Wurzeln von Hirse sowie Zweigen verschiedener Baumarten. Auch bei teils sehr faserigen Proben wurden die Chlorenchyme (Assimilationsgewebe) nicht gequetscht und es entstanden Präparate mit intakten und gut erkennbaren subzellulären Komponenten – inklusive der Chloroplasten.

Das nötige Fingerspitzengefühl für die Bedienung des Rapid-Tomes kann man sich offensichtlich verblüffend schnell aneignen. Schon nach einem einstündigen Workshop hatten Studenten, die Bartleys Gruppe als Testpersonen dienten, den Dreh raus und lieferten mit dem Rapid-Tome saubere Präparate ab.

Andrea Pitzschke