Editorial

Laborgeister anwesend?

Erlebnisse einer TA (81)

Annette Tietz


Die TA

Ob es nicht tatsächlich einen kleinen Laborgeist gibt, der seine Runden kreist und je nach Laune Versuche zum Scheitern bringt, die als todsicher gelten?

Neulich kam mein Chef mit diesem gewissen Gesichtsausdruck ins Labor, der das kleine TA-Herz zu spontanen Fluchtversuchen antreibt. „Du, ich hab da ’ne tolle Idee. Wenn wir den PCR-Ansatz in nur 20 µl machen, die Annealing-Temperatur anpassen, den neuen Puffer nehmen und die Blotting-Zeiten verlängern – dann könnte womöglich die Sonde besser binden und wir kriegen ein stärkeres Signal. Dann hätten wir auch die optimale Abbildung fürs Paper, weißt Du?“ Ich wartete kurz, ob er noch mal Luft holt.

„Und weist Du was?“ Ich hielt mich bedeckt und holte für uns beide Luft. „Die TA nebenan hat da ein super Protokoll. Ich hab schon mit ihrem Chef gesprochen, Du kannst gleich rübergehen!“ Super, das klang nach einem perfekt funktionierenden Versuch.

Sabine erwartete mich schon und drückte mir ihr ausgefeiltes Protokoll in die Hand. Mein Glückstag! Ich bedankte mich und wollte gerade das Labor wieder verlassen, als sie mich am Arm packte und meinte: „Warte mal, Du brauchst noch ein paar Infos!“ OK, kann ja nicht schaden.

Nur mit rotem Deckel

Zunächst war mir jedoch nicht klar, warum sie vorschlug, den Versuch in ihrem Labor zu machen. Schließlich haben wir auch alle Geräte. „Weißt Du, das ist nicht so einfach!“ Ahh, schade! Ich dachte schon, ich hielt die Lösung für alle Probleme in meiner Hand. „Am besten, Du machst den Versuch in dieser Gelkammer, in der anderen ist das Gel nicht so gut geworden. Und nimm den linken Power Supply. Außerdem solltest Du keine PCR-Maschine nehmen, die neben der Türe steht – da hab ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Die Puffer lege ich immer ins unterste Gefrierfach, da sind sie einfach sicherer.“ Ich traute mich nicht zu fragen, vor wem oder was.

„Außerdem schneide ich die Blotting-Membran immer direkt, bevor ich sie brauche – nicht schon Stunden vorher. Und bau die Blotting-Apparatur an einem geschützten Ort im Labor auf!“ Schutz vor dem Laborgeist?

„Am besten legst Du den Versuch auf Dienstag, dann kannst Du ganz in Ruhe die Sonde labeln, bevor es mittwochs stressig wird. Und nimm das Glasröhrchen mit dem roten Deckel, der blaue ist nicht so gut.“ Pause. Ich wartete und holte Luft. Darin war ich heute echt Spezialist.

„Wenn Du den Film drauflegst, kannst Du gerne unsere Packung nehmen – die hab ich ausgetestet. Wir haben sämtliche Chargen da. Die mit der Nummer 3438665-D ist am besten. Die 3438685 geht auch. Auch mit -D.“ Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, ob Sabine nur unglaublich nett ist oder schon leichte paranoide Züge zeigte.

Kurz bevor ich das Labor mit dem Protokoll inklusive perfektionierter Sonderedition verlassen wollte, sprang sie mir noch einmal in den Weg und meinte: „Also wenn Du Deinen Versuch hier machst, dann pipettiere die PCR nie an diesem Platz, da ist nämlich die Lüftungsanlage drüber! Am besten, Du gehst ganz da rüber und schließt die hintere Türe von innen zu.“ Ich nickte, bedankte mich, ließ Sabine mit ihrem Laborgeist alleine zurück und lief tief ein- und ausatmend in mein Labor.

Wenigstens war hier außer mir kein Geist weit und breit. Allerdings erschien mein Chef postwendend und fragte, ob ich nun alles habe für die perfekte Abbildung. „Ja, aber ich werde den Versuch am besten hier machen. Da drüben ist alles etwas ungeschützt!“



Letzte Änderungen: 01.08.2018