Editorial

Special Live Cell Imaging

Kunterbunt auf einen Streich
von Karin Hollricher, Laborjournal 09/2019



Wie zaubert man mit drei Fluorophoren Bilder in 124 Farben? DNA-PAINT macht’s möglich. Auch in Zellen?

Mikroskopische Dreifarben-Bilder von Zellen zieren so ziemlich jede zellbiologisch geprägte wissenschaftliche Publikation. „Mit blau, gelb und rot können wir aber 124 Farben darstellen, und das in nur wenigen Minuten“, sagt der Physiker Johannes Wöhrstein von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Wie geht das denn?

Schön und elegant

„Gute Frage“, sagt er – und freut sich sichtlich in Erinnerung an die Experimente, die zwar schon vor längerer Zeit stattfanden, die er aber erst jetzt zusammen mit Orsolya Kimbu Wade als Co-Erstautor veröffentlichte (Nano Lett. 19: 2641-6). „Das war eine unfassbar schöne und elegante Arbeit.“ Neben Wade und Wöhrstein waren daran noch weitere Forscher aus der Gruppe von deren Chef Ralf Jungmann beteiligt, die neben der LMU München noch eine zweite Heimat am Max-Planck-Institut für Biochemie hat.

Wie angedeutet setzten die Münchner nicht etwa 124 verschiedenfarbige Fluorophore ein, vielmehr entstand die gewaltige Farbpalette durch die Kombination von drei Fluorophoren, die an DNA-Moleküle gekoppelt in verschiedenen Frequenzen blinkten. Das kann man so erst mal nicht verstehen – dafür muss man wissen, wie die hierfür verwendete Methode namens DNA-PAINT funktioniert:

„PAINT“ steht für Point Accumulation for Imaging in Nanoscale Topography. Die Idee für PAINT entwickelte der Experte für molekulare Spektroskopie Robin Hochstrasser mit seinem damaligen Mitarbeiter Alexey Sharonov im Jahr 2006 an der University of Pennsylvania in Philadelphia (PNAS 103: 18911-6). Damals visualisierten die beiden zufällige Begegnungen von Nilrot-Molekülen mit künstlichen Vesikeln. In wässrigem Milieu ist Nilrot dunkel, in einer hydrophoben Umgebung, wie Vesikel sie bieten, leuchtet der Farbstoff. Indem die Partner sich immer wieder binden und voneinander lösen, entsteht kein konstantes Signal, sondern es blinkt: Mal ist das Signal an, mal ist es aus. Auf diese Weise kann man auch mit optischer Mikroskopie eine Auflösung unterhalb der physikalisch bedingten Diffraktionsgrenze erreichen.

Binden, Trennen, Blinken

Wade, Wöhrstein und Co. entwickelten dieses Prinzip weiter, indem sie komplementäre DNA-Oligonukleotide verwendeten, um blinkende Signale zu erzeugen. Diese entstehen, wenn ein kurzer Docking-Strang, der an das nachzuweisende Molekül gebunden ist, einen frei diffundierenden komplementären Imager-Strang bindet, welcher seinerseits ein Fluorophor enthält. Ungebunden geben die Imager-Stränge keine Signale von sich. Da sich die Partner jedoch beständig binden und wieder voneinander trennen, blinkt das Fluorophor letztlich.

Der Proof of Principle gelang Jungmanns Team zunächst mit synthetischen DNA-Origamis (Nano Lett. 10: 4756-61). Danach blieb die Gruppe dem DNA-PAINT treu und erweiterte die Technik. Mit höchster Auflösung lassen sich mit dem PAINT-Prinzip jetzt auch RNA-Moleküle und Proteine abbilden. Um letztere darzustellen, werden beispielsweise mit Docking-Strängen markierte Antikörper eingesetzt.

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Mikrotubuli haben die Münchner um Ralf Jungmann bereits in vielen bunten Farben zum Leuchten gebracht – via 3D-DNA-PAINT-Mikroskopie. (Aus ChemBioChem 20(8): 1032-38)
Menge und Länge machen‘s

Mehr Bildinformationen aus lebenden Zellen als simple „An-Aus-Signale“ – und damit die Option zum Multiplexen – kann man beispielsweise über eine Veränderung der Blinkkinetik einer Imager-/Docking-Paarung erreichen. Über die Länge der Docking-/Imager-Stränge wie auch über die Anzahl der Docking-Stränge pro nachzuweisendem Molekül lassen sich nämlich Dauer und Frequenz der Fluoreszenzsignale sehr präzise steuern.

Enthält jedes Molekül einen DNA-Strang mit beispielsweise einer Docking-Domäne, blinkt der Imager-Strang nach der Bindung mit einer definierten Rate. Koppelt man zwei oder drei miteinander verbundene Kopien dieser Docking-Domäne an das Molekül, binden entsprechend mehr Imager-Stränge und die Frequenz verdoppelt oder verdreifacht sich.

Die Dauer des Fluoreszenzsignals dagegen ist direkt proportional zur Länge der komplementären Domänen. Verwendet man welche mit acht Nukleotiden, ist das Signal messbar kürzer als bei zehn Nukleotiden langen DNA-Strängen – weil sich die kürzeren Doppelstränge schneller wieder trennen als die längeren.

Das 124-Farben-Meisterstück

„Mit diesen einfachen Methoden lassen sich die Bindungseigenschaften der Imager-Stränge genau steuern und das Blinking-Verhalten so exakt einstellen, dass man die Signale wie Barcodes auslesen kann“, erklärt Wöhrstein. Da Frequenz und Dauer des Signals völlig unabhängig voneinander sind, kann man sie miteinander in einem Experiment kombinieren. Vier Varianten an Docking-Strängen – acht und zehn Nukleotide lang, jeweils in 40 und 120 Kopien – liefern auf diese Weise vier unterschiedliche Lichtsignale, auch wenn man nur ein Fluorophor verwendet. In Pseudofarben nachkoloriert, erhält man so ein Vierfarben-Bild.

Nach diesen erfolgreichen Experimenten wollten die Forscher es dann wirklich wissen: „Durch Kombination von vier unterscheidbaren Bindungsfrequenzen und drei Spektralfarben sollten wir simultanes und superaufgelöstes 124-Plex-Imaging innerhalb weniger Minuten Messzeit anfertigen können“, schreiben sie in ihrer Publikation. Mit 124 Origami-Strukturen setzten sie ihre Theorie tatsächlich erfolgreich in die Praxis um. Wöhrstein: „Mit diesem Multiplex-Verfahren konnten wir ein Bild machen, auf dem sämtliche 124 Bindestellen unterscheidbar waren.“

Eigentlich optimal für FISH

In biologischen Kontexten werde ein so hohes Multiplexing aber nicht möglich sein, meint er. Na und? Fünf- oder Zehnfarben-Bilder wären ja auch schon toll. „Das ist bestimmt machbar.“

Obwohl DNA-PAINT sehr elegant ist und experimentell nicht wahnsinnig kompliziert erscheint, wird die Technik kaum verwendet. Wöhrstein glaubt, das liege daran, dass man nicht einfach einen Kit kaufen könne. „Damit eine Firma sich mit dem Thema überhaupt beschäftigen wird, bräuchten wir eine Killer-Anwendung. Ich glaube, das könnte FISH sein.“

FISH ist die Fluoreszenz-in-Situ-Hybridisierung, die man beispielsweise zum Nachweis von RNA-Molekülen verwendet. „RNA-FISH mit DNA-PAINT funktioniert super“, so Wöhrstein. In einem Experiment hatten die Forscher zwei mRNAs mit einer unterschiedlichen Anzahl Sequenz-identischer Docking-Domänen markiert. Mit dem Imager-Strang erhielten sie auf diese Weise unterschiedliche Signale, sodass sie die Moleküle in menschlichen Zellen eindeutig voneinander unterscheiden konnten.

Wöhrstein ist sich sicher: „Das geht ganz sicher auch mit vielen Farben. Und ich kenne bisher kein Paper, das eine FISH-Mikroskopie mit beispielsweise zwanzig oder gar fünfzig Farben zeigt. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass FISH ein tolles Anwendungsgebiet für diese phantastische Technologie ist.“

Es muss sich eben nur noch rumsprechen.

Last Changed: 10.09.2019