Editorial

PCR mit Einsen und Nullen
Produktübersicht: Geräte und Zubehör für die digitale PCR

Geräte und Zubehör für die digitale PCR im Überblickpdficon

(12.12.2023) Die digitale PCR führt trotz vieler Vorteile noch ein ziemlich stiefmütterliches Dasein in vielen Laboren. Das könnte sich mit einer neuen Geräte-Generation ändern, die das Verfahren einfacher, günstiger und genauer machen soll.

Obwohl das Konzept der digitalen PCR (dPCR) beinahe so alt ist wie die PCR selbst, hat es die dPCR bisher nicht geschafft, aus dem übermächtigen Schatten von Endpunkt- und quantitativer PCR (qPCR) herauszutreten. Dabei kann sie mit einigen Pfunden wuchern, die ihren beiden Konkurrentinnen eigentlich das Fürchten lehren müsste. Zu den herausragendsten zählen eine extrem hohe Sensitivität, die Detektion von mehreren Fluoreszenzfarben in Multiplex-Assays und insbesondere die Quantifizierung der Ziel-DNA ohne umständliche und fehleranfällige Standardkurve. Möglich macht dies das äußerst elegante Prinzip der dPCR, dessen Grundzüge ein Team der US-Firma Cetus um Kary Mullis bereits in einem 1988 erschienen Science-Paper vorstellte, mit dem aber zunächst der Siegeszug der klassischen PCR begann (Science 239: 487).

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In den winzigen Tröpfchen von Wasser-in-Öl-Emulsionen finden bei der digitalen Tropfen-PCR die Amplifikationen der Ziel-DNA statt. Im Idealfall enthalten die Tröpfchen keine oder nur eine einzige DNA-Kopie. Foto: PTB

Um nachzuweisen, dass man mit der PCR eine einzelne DNA-Kopie vervielfältigen kann, verdünnten Mullis und Co. fünfzehn identische DNA-Proben so stark, dass sie im Schnitt nur noch 0,3 Kopien des beta-Globin-Gens enthielten. Den Anteil der Proben, der mindestens eine Kopie des Gens beherbergte, konnte das Team mit der Formel für die Poisson-Verteilung ermitteln. Die Berechnung ergab, dass in vier der fünfzehn Proben mindestens eine Kopie vorhanden sein sollte und in den restlichen elf entsprechend keine. Anschließend führte die Gruppe mit den fünfzehn verdünnten Proben eine PCR durch und detektierte die amplifizierte beta-Globin-DNA mit einem Southern Blot. Tatsächlich konnten die Forschenden in neun der fünfzehn Proben ein PCR-Produkt nachweisen. Das waren zwar doppelt so viele, wie theoretisch zu erwarten waren, die „digitale” Aufteilung der Probe hatte aber grundsätzlich funktioniert.

Alles-oder-nichts-PCR

Trotz der Beschränkungen durch die damaligen Methoden war die Mannschaft von Ceta schon erstaunlich nahe dran an der dPCR, verfolgte das Konzept aber nicht weiter. Vier Jahre später wurde es jedoch von Alexander Morleys Team am Flinders Medical Center in Australien wieder aufgegriffen, das einen weiteren wichtigen Mosaikstein zur digitalen PCR beisteuerte. Die Gruppe wollte mit einer PCR in Patientenproben rearrangierte Gene der Schwerkette eines Antikörpers (IgH) quantifizieren, um sie als genetische Marker für Leukämiezellen zu nutzen. Dazu entwickelten die Australier eine Alles-oder-nichts-PCR, für die sie zehn Probenansätze so lange verdünnten, bis sie nur noch eine oder keine Kopie der Ziel-DNA mehr enthielten. Die mit dieser limitierten Verdünnung durchgeführte Endpunkt-PCR lieferte sowohl positive als auch negative Fluoreszenzsignale. Aus dem Verhältnis von positiver zu negativer Fluoreszenz ermittelte das Team mithilfe der Poisson-Verteilung die Zahl der Ziel-Gene in der Probe. Das Team hatte damit den Schlüssel für die Quantifizierung der DNA bei der digitalen PCR gefunden.

Zum endgültigen Durchbruch verhalfen der dPCR schließlich Bert Vogelstein und Kenneth W. Kinzler vom Ludwig Center at Johns Hopkins University. In einer 1999 erschienenen Publikation beschrieben die zwei ein äußerst sensitives PCR-Verfahren mit dem sie KRAS-Mutanten aufspüren konnten. Um die mutierten Gene in einer DNA-Probe nachweisen und vom Wildtyp unterscheiden zu können, verdünnten sie die Probe und verteilten sie auf die 96 Wells einer Mikrotiterplatte. Den Verdünnungsfaktor stellten die Forscher so ein, dass in jedem Näpfchen durchschnittlich nur eine oder keine Kopie der KRAS-Gene landete. Mit passenden Primern amplifizierten sie anschließend die Ziel-DNA und detektierten die PCR-Produkte mit fluoreszierenden Proben, die spezifisch für KRAS-Mutanten oder den Wildtyp waren. Ihr Verfahren nannten Vogelstein und Kinzler erstmals digitale PCR.

Auch in modernen dPCR-Systemen wird die amplifizierte DNA analog zur qPCR meist mit fluoreszierenden Proben nachgewiesen. Die dPCR findet aber nicht wie bei Vogelstein und Kinzler in 96 Reaktionskammern statt, sondern in abertausenden oder sogar Millionen kleiner Kompartimente beziehungsweise Partitionen, die keine, eine oder auch mehrere Kopien der Ziel-DNA enthalten. Je größer die Zahl der Partitionen ist, desto genauer lässt sich mithilfe der Poisson-Verteilung die ursprüngliche Konzentration der amplifizierten Ziel-DNA anhand der in den einzelnen Reaktionskämmerchen gemessenen Fluoreszenz berechnen.

Die Entwickler von dPCR-Systemen hatten also eine ziemlich genaue Zielvorgabe und wussten, auf was es bei der Konstruktion der Geräte ankommt. Ihre Lösungsansätze, mit denen sie es schaffen, die DNA in den Geräten auf möglichst viele einheitliche Reaktionsräume beziehungsweise Partitionen zu verteilen, sind aber ganz unterschiedlich. Sie lassen sich jedoch grob in Kammer- sowie Tröpfchen-basierte Verfahren einteilen.

Die Idee, winzige Vertiefungen in Glas-, Silizium oder Plastik-Chips einzuätzen oder einzufräsen, um sie als Reaktionskammern für die dPCR zu verwenden, drängte sich mit dem Aufblühen der Mikrofluidik in den Nullerjahren geradezu auf. So verwundert es nicht, dass das erste kommerzielle dPCR-System, das 2006 auf den Markt kam, einen Mikrofluidik-Chip für die Partitionierung der Probe nutzt. In den Chip sind 770 durch kleine Mikrokanäle verbundene Reservoire eingearbeitet, die jeweils einen knappen Nanoliter der Probenflüssigkeit aufnehmen können. Ein mikrofluidisches Pumpsystem mischt die Reaktionsansätze und presst sie durch kleine Mikroventile in die winzigen Behälter. Anschließend entnimmt man den Chip aus dem Partitionierer und führt die dPCR in einem auf das System abgestimmten Thermocycler durch. Auch in anderen Kammer-basierten dPCR-Instrumenten ist das Herzstück ein Chip oder eine Mikroplatte mit tausenden oft in Arrays angeordneten Näpfchen mit wenigen Nano- oder Picolitern Volumen, in die die Proben verteilt werden.

Kreuzung als Tropfengenerator

Bill Colstons Gruppe am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien überzeugten die teuren und komplizierten Chips für die Kammer-dPCR jedoch nicht. Auf der Suche nach einer günstigeren Alternative kam das Team auf die Idee, winzige Flüssigkeitstropfen als Minireaktoren für die dPCR einzusetzen. Anfang des neuen Jahrtausends konstruierte Colstons Mannschaft einen relativ simplen Mikrofluidik-Chip, mit dem es tausende kleiner Nanotröpfchen erzeugen konnte. In den Chip frästen die Forschenden zwei zunächst parallel verlaufende 60 Mikrometer breite Einlasskanäle. Einer war für den Durchfluss eines viskosen Mineralöls vorgesehen, durch den anderen sollte die wässrige Probenlösung strömen. Der Probenkanal macht nach einer kurzen Strecke eine Neunzig-Grad-Kurve und trifft danach im rechten Winkel auf den Ölkanal. Anschließend verbreitert sich der vereinte Kanal auf 300 Mikrometer und läuft in einer S-förmigen Schlaufe aus.

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Im Gegensatz zur Mayonnaise, die man aus einer Öl-in-Wasser-­Emulsion zubereitet, benötigt man für die CLEAR-dPCR eine Wasser-in-Öl-Emulsion. Enthält die Emulsion Betain, bleibt sie lichtdurchlässig und kann mit dem Mikroskop analysiert werden. Foto: Thomas Jupa

Strömen Öl und Probenlösung durch die Kanäle und treffen an dem T-förmigen Kreuzungspunkt aufeinander, wirken Scherkräfte auf die wässrige Probenlösung ein, die deutlich stärker sind als die Oberflächenspannung des fließenden Wassers. Hierdurch bilden sich in rascher Folge einheitlich große monodisperse Nanotropfen, die durch die S-Kurve hindurch in Richtung Kanalende strömen. Den Tropfengenerator integrierten die Forschenden in einen Thermocycler. Vor der PCR stoppten sie den Tropfenfluss in dem Kanal, führten dann die PCR durch und detektierten anschließend die von den amplifizierten Ziel-Genen ausgehenden Fluoreszenzsignale in den Tropfen in Echtzeit mit einer CCD-Kamera.

Mit diesem System konnte die Gruppe zwar ähnlich wie bei der qPCR Amplifikationskurven aufzeichnen. Das Verhältnis von fluoreszierenden zu nichtfluoreszierenden Tropfen, das für die Auswertung der digitalen PCR notwendig ist, ließ sich damit aber noch nicht ermitteln. Mit seinem 2008 gegründeten Start-up QuantaLife werkelte Colston jedoch unbeirrt an der digitalen Tropfen-PCR (ddPCR) weiter und stellte 2010 schließlich das erste kommerzielle Gerät für die ddPCR vor. Um es zum Laufen zu bringen, hatte Colstons Team insbesondere den Tropfengenerator optimiert. Die T-förmig aufeinandertreffenden Einlasskanäle des Prototypen ersetzte es durch eine kreuzförmige Anordnung, bei der zwei Ölkanäle von oben und unten senkrecht in den waagrechten Probenkanal münden. Auf diese Weise entstehen in kürzester Zeit circa 20.000 sehr einheitliche Tröpfchen mit einem Volumen von etwa einem Nanoliter, die in einem Reservoir auf dem Chip gesammelt werden.

Im Gänsemarsch in die Messzelle

Statt den Chip mühsam in einen Thermocycler zu integrieren, wie bei dem Prototyp, entschied sich die Gruppe dafür, Tropfenherstellung und PCR in getrennten Instrumenten durchzuführen. Die Tröpfchen werden dazu in eine spezielle 96-Well-Platte pipettiert. Nach der Endpunkt-PCR strömen sie im Gänsemarsch durch einen Auslasskanal am Boden des Wells in die Flusskammer eines Cytometers, das die Fluoreszenz jedes einzelnen Tropfens misst. Das dauert zwar recht lange, Colston und Co. hatten damit aber einen praktikablen Weg gefunden, mit dem sie die ddPCR quantitativ auswerten konnten. Offensichtlich überzeugte ihr Konzept auch die Manager der US-amerikanischen Biotech-Firma Bio-Rad. Kaum war QuantaLife gegründet übernahm Bio-Rad das Start-up und entwickelte Colstons ddPCR-Instrument weiter. Inzwischen sind mit der neuesten Baureihe ziemlich wilde Multiplex-Assays mit sechs verschiedenen Fluoreszenzfarben möglich – am grundlegenden Aufbau der Geräte hat sich aber nichts Wesentliches geändert.

dPCR mit Tropfenkristallen

Eine Kombination aus Kammer-dPCR und digitaler Tropfen-PCR dachte sich der französische Physiker Rémi Dangla in seiner Doktorarbeit an der südlich von Paris gelegenen École Polytechnique aus. Dangla untersuchte die Tropfenbildung an einer mikrofluidischen Düse, deren Ende in eine flache mit einem Öl gefüllte Kammer mündete. Verliefen Boden und Decke der Kammer parallel zueinander, strömte die Flüssigkeit zungenförmig in die Kammer hinein, sie riss aber nicht ab und es bildete sich auch kein Tropfen. Ordnete er jedoch Decken und Boden in einem spitzen, ansteigenden Winkel an, entstanden perfekt einheitliche und stabile Tropfen.

Um möglichst viele Tropfen gleichzeitig erzeugen zu können, ordnete er im äußeren Ring einer runden Scheibe radial verlaufende Kanäle an, deren Injektionsdüsen in einem um das Zentrum der Scheibe gelegenen flachen Reservoir mündeten. Da sich die Tropfen darin ähnlich wie in einem zweidimensionalen Kristallgitter anordneten, nannte er die entstandenen Schichten Tropfenkristalle. Der Schritt zur sogenannten Crystal Digital PCR (cdPCR) war dann nicht mehr weit. Dangla pumpte die DNA-Probenlösung dazu in die Injektionskanäle, steckte die Scheibe mit den Tropfenkristallen für die PCR in einen Thermocycler und wertete die amplifizierten Tröpfchen-Partitionen mit einem Fluoreszenzmikroskop aus. 2013 gründete der Physiker das Start-up Stilla Technologies, das 2016 die Crystal-Digital-PCR-Plattform naica auf den Markt brachte.

Die meisten dPCR-Instrumente produzieren aber nur 20.000 bis 30.000 Partitionen und in der Regel enthalten die positiven davon mehr als nur ein Molekül der Ziel-DNA. Die Konzentrationsberechnung mit der Poisson-Verteilung ist daher etwas schief und muss entsprechend korrigiert werden. Darüber hinaus können sich die überschüssigen DNA-Moleküle in den positiven Partitionen in die Quere kommen und zum Beispiel bei Multiplex-Assays stören.

Simple Technik liefert Abermillionen Tropfen

Mit den mehr als dreißig Millionen Partitionen, die das Ultra-dPCR-System des kalifornischen Start-ups Enumerix erzeugt, sollten diese Probleme nicht auftreten (Anal. Chem. 94: 17868-76). Eigentlich würde man vermuten, dass ein Verfahren, mit dem sich Millionen von Tropfen generieren lassen, sehr kompliziert sein muss – aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Man benötigt dazu lediglich PCR-Tubes, eine kleine Kartusche mit vielen winzigen Kanalporen im Boden, eine spezielle Ölmischung sowie eine Tischzentrifuge mit Ausschwingrotor.

Die PCR-Tubes sind etwa zu zwei Dritteln mit dem Öl gefüllt, die Kartusche ist über dem Öl in das Tube integriert. Um Tropfen herzustellen, pipettiert man die DNA-Probe auf die Kartusche und zentrifugiert die Röhrchen danach einige Minuten bei 15.000 g. Die Zentrifugalkraft drückt die Probenlösung durch die engen Kanäle im Boden der Kartusche. Auf der inneren Seite der Kanalporen entstehen hierdurch unzählige winzige Tropfen, die sich im Öl sammeln und von diesem stabilisiert werden. Die PCR führt man danach in den Tubes mit einem Standard-Thermocycler durch. Diese Technik wurde ursprünglich von Yanyi Huangs Gruppe an der Universität Peking entwickelt. Durch Zufall stießen die Chinesen während ihrer Experimente auf einen einfachen Trick, mit dem sie die Fluoreszenzsignale in den Tubes nach der PCR mit einem Lichtscheibenmikroskop auswerten konnten (PNAS 117 (41): 25628-33). Setzten sie dem PCR-Mix Betain zu, erhöhte sich der Brechungsindex der wässrigen Lösung und stimmte danach nahezu perfekt mit dem der Ölphase überein. Die trübe Wasser-in-Öl-Emulsion verwandelte sich hierdurch in eine glasklare Lösung, die sich für das Imaging mit einem Lichtscheibenmikroskop eignete. Das Team bezeichnet die Methode deshalb als CLEAR-dPCR.

Die Ingenieure von Enumerix mussten das Ganze nur noch optimieren und das sperrige Lichtscheibenmikroskop zu einem handlichen Imager eindampfen. Glaubt man den Ankündigungen auf der Website von Enumerix, läutet die Ultra-dPCR-Plattform, die schon bald auf den Markt kommen dürfte, die nächste Generation digitaler-PCR-Geräte ein. „Schaun mer mal“, würde Franz Beckenbauer dazu sagen.

Geräte und Zubehör für die digitale PCR im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 12/2023, Stand: Novemnber 2023, alle Angaben ohne Gewähr)


Letzte Änderungen: 12.12.2023