Editorial

Plasmonen-Heizung statt Miniwärmepumpe
Produktübersicht: PCR-Thermocycler

PCR-Thermocycler im Überblickpdficon

(14.06.2023) Im Labor sind Peltier-basierte Blockcycler noch immer Standard. In tragbaren Thermocyclern findet man aber immer öfter auch alternative Heizkonzepte.

Ohne PCR kann man in den Biowissenschaften keinen Blumentopf mehr gewinnen. Thermocycler zählen daher zur absoluten Grundausstattung in jedem Labor und sind meist genauso stark frequentiert wie die Kaffeemaschine im Pausenraum. Um den Andrang am Thermocycler dennoch nicht allzu groß werden zu lassen, sollten die Geräte die PCR-Cyclen möglichst fix abspulen und die PCR-Proben entsprechend schnell aufheizen und kühlen. Die allermeisten Cycler sind dazu mit Aluminium- oder Silberblöcken ausgestattet, die mit Peltierelementen zyklisch temperiert werden. Thermocycler mit Alublöcken schaffen meist Heizraten von vier bis sechs Grad Celsius pro Sekunde. Wer nicht so lange warten will, muss schon etwas tiefer in die Taschen greifen und sich nach Instrumenten mit Silberblöcken oder vergoldeten Silberblöcken umschauen, die Heizraten von bis zu zehn Grad Celsius pro Sekunde erreichen.

Halbleiter transportieren Wärme

Die meisten Käufer von Thermocyclern werfen meist auch einen kritischen Blick auf die Temperaturhomogenität der Metallblöcke, die fast wichtiger ist als die Heizrate, weil sie die Genauigkeit der PCR beeinflusst. Entscheidend für die Homogenität der Temperaturverteilung ist aber weniger das Design des Alu- oder Silberblocks als vielmehr die Positionierung der Peltierelemente unter dem mit Bohrungen für die PCR-Gefäße versehenen Heizblock. Peltiermodule bestehen aus vielen kleinen durch eine Reihenschaltung elektrisch miteinander verbundenen würfelförmigen Halbleiter-Elementen. Wie in einem Sandwich sitzen die Halbleiter zwischen zwei dünnen quadratischen Keramikplatten, die keinen Strom, dafür aber umso mehr Wärme leiten. Fließt ein Strom durch die Heizelemente, funktionieren sie wie kleine Miniwärmepumpen, die Wärme von einer Seite des Peltierelements auf die andere transportieren – welche Seite sich erwärmt oder abkühlt, hängt von der Richtung des Stromflusses ab.

Damit die thermische Energie möglichst effektiv auf den Heizblock übertragen wird, müssen die Keramikplatten mit maximalem Kontakt auf der Oberfläche des Metallblocks fixiert werden. Viele Peltierelemente enthalten dazu in der Mitte der beiden Platten eine durchgehende Bohrung, die als Verankerungspunkt dient. An dieser Stelle fehlt jedoch ein Heizelement. Bei einer alternativen Bauweise ragen die Platten an zwei gegenüberliegenden Seiten etwas über die Halbleiterelemente hinaus und können hier mit dem Metallblock verbunden werden. Da die Heizelemente aber nicht bis an den Rand der Platte reichen, ist die Wärmeübertragung in diesem schmalen Streifen deutlich schlechter als im Zentrum des Peltierelements. Dieser sogenannte Kanteneffekt führt zu einer inhomogenen Temperaturverteilung im Heizblock des Thermocyclers, die sich letztendlich negativ auf die Güte der PCR auswirkt. Einige Thermocycler-Hersteller bevorzugen daher gelochte Peltiermodule und fixieren sie so unter dem Heizblock, dass die Befestigungspunkte möglichst zwischen den Bohrungen für die PCR-Gefäße liegen und nicht genau darunter.

Was hat ein mittelalterliches Glasfenster mit PCR gemein?
Im Mittelalter mischten die Glasmaler feine Goldflitter in Glasschmelzen, um Kirchenfenster rot zu kolorieren. Die rote Farbe wird durch die Oberflächenplasmonen-Resonanz von Goldnanopartikeln erzeugt, mit der man auch PCR-Ansätze aufheizen kann. Foto: The Met
Wie „gesund” sind die Peltierelemente?

Langfristig macht sich auch eine hochwertige Qualität der Peltierelemente bezahlt, denn trotz ihrer Robustheit nagt auch an ihnen der Zahn der Zeit. Die Produzenten garantieren in der Regel, dass ihre Peltierelemente mehr als 500.000 Zyklen überstehen – wie gut sie während dieser Zeit tatsächlich funktionieren, kann der Nutzer des Thermocyclers aber nicht erkennen. Paul Figueroa Cotorogea und Giuseppe Marino von der Martinsrieder Firma inheco dachten sich deshalb zusammen mit der Mathematikerin Stefanie Vogl von der Hochschule München University of Applied Sciences verschiedene auf künstlicher Intelligenz aufbauende Algorithmen aus, die den „Gesundheitszustand” von Peltierelementen in einem Thermocycler überwachen (SLAS Technology 27: 319-26).

Von früheren Analysen der inheco-Forschungsabteilung wussten Cotorogea und Marino, dass die internen Widerstände der Peltierelemente ein guter Indikator für ihren Zustand sind. Die drei erfassten daher den Stromfluss und die Spannung der Module während des Betriebs und maßen gleichzeitig die Temperatur an verschiedenen Punkten des Heizblocks. Mit diesen Daten trainierten sie verschiedene maschinelle Lernprogramme, die voll funktionsfähige von bereits schwächelnden oder schon defekten Peltiermodulen unterscheiden sollten. Tatsächlich gelang es allen Programmen, den Gesundheitszustand der Peltierelemente mit einer Genauigkeit von über 89 Prozent zu diagnostizieren.

Ein entsprechendes auf künstlicher Intelligenz basierendes Überwachungsprogramm für Peltierelemente in den laufenden Routinebetrieb eines Thermocyclers zu integrieren, dürfte aber nicht ganz einfach sein. Diese Verrenkungen bei der Optimierung von Blockcyclern kann man sich sparen, wenn man von vorneherein auf die Metallblöcke verzichtet und stattdessen alternative Heizkonzepte einsetzt. In kommerziellen Thermocyclern sind diese aber noch immer selten zu finden. Zu den wenigen Ausnahmen zählen ein Instrument mit magnetischer Induktionsheizung, ein mikrofluidisches System mit unterschiedlich beheizten Flusszonen sowie ein Gerät, in dem ein dünner PCR-Streifen ähnlich wie in einem Waffeleisen zyklisch zwischen vortemperierten Heizplatten eingeklemmt wird.

Plasmonen-Thermocycler

Weit experimentierfreudiger als die etablierten Hersteller von PCR-Thermocyclern sind viele akademische Arbeitsgruppen, die beständig neue Konzepte für möglichst kleine und extrem schnelle Thermocycler entwerfen, die insbesondere die Vorort-Diagnostik (Point-of-Care, POC) erleichtern und beschleunigen sollen. Viele Teams bevorzugen für die Mini-Cycler Photonen-Heizungen, die häufig auf der sogenannten lokalisierten Oberflächen-Plasmonenresonanz (LSPR) von Goldnanopartikeln (AuNP) basieren. Die LSPR entsteht, wenn freie Elektronen im Leitungsband der Goldnanopartikel durch Licht oder andere elektromagnetische Strahlung dazu angeregt werden, gemeinsam zu oszillieren. Schwingen die Elektronen mit der Frequenz des Anregungslichts, erwärmen sich die Goldnanopartikel sehr stark und heizen die unmittelbare Umgebung in Sekundenbruchteilen auf.

Eines der ausgereiftesten POC-Systeme mit integriertem Plasmonen-Thermocycler stellte Ki-Hun Jeongs Gruppe vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) im März in ACS Nano vor (17 (7): 6507-18). Die Südkoreaner ätzten dazu winzige 180 Nanometer hohe Noppen aus einem dünnen Glasplättchen heraus und bedampften ihre Spitzen und Seiten mit einer dünnen Schicht aus Goldnanopartikeln. Anschließend überdeckte das Team die Noppen mit einer 500 Nanometer dicken Schicht aus Siliziumdioxid und brachte auf dessen Oberfläche hauchdünne Platinelektroden unter, die die Temperatur in dem Glaschip messen. Wenige Millimeter unterhalb der goldbeschichteten Noppen platzierten die Forscher und Forscherinnen eine LED-Lampe, die genügend Strahlungsenergie liefert, um die Elektronen der Goldnanopartikel zum Schwingen zu bringen. Fehlte nur noch ein passendes Gefäß für die PCR-Proben. Dazu konstruierte die Gruppe eine hauchdünne Wegwerfkartusche aus Plastik, in die die PCR-Ansätze pipettiert werden. Die Kartusche schmiegt sich lückenlos an das Glasplättchen mit dem integrierten Plasmonen-Thermocycler an. Eine Aluminiumfolie auf der Unterseite der Kartusche dient als Wärmesenke, die für die Kühlung der PCR-Ansätze während der Zyklen sorgt.

Jeongs Mannschaft gab sich aber nicht mit einem simplen Thermocycler für die Endpunkt-PCR zufrieden. Seine Mitarbeiter installierten ein superflaches Fluoreszenzmikroskop mit speziellen Mikrolinsen über der Kartusche, um die Amplifikation der PCR-Produkte quantitativ und in Echtzeit verfolgen zu können. Das qPCR-System mit Plasmonen-Thermocycler packten Jeong und Co. schließlich zusammen mit einem kleinen Raspberry-Pi-Computer, der die Steuerung des Systems und die Auswertung der Daten übernimmt, in ein kaum handtellergroßes Plastikgehäuse.

Der südkoreanische POC-Thermocycler heizt PCR-Ansätze mit einer Rate von knapp 19 Grad Celsius pro Sekunde auf und kühlt sie mit einer Geschwindigkeit von etwa 9 Grad Celsius pro Sekunde ab. Da ist es kein Wunder, dass der Nachweis von SARS-CoV-2 mit dem gerade mal fünfhundert Gramm schweren Instrument kaum zehn Minuten dauert – inklusive fünfminütiger reverser Transkription der Viren-RNA.

Zumindest in kleinen tragbaren Thermocyclern für die Point-of-Care-Diagnostik setzen sich alternative Heizkonzepte, etwa mit Plasmonen, immer häufiger durch. Ob sie allerdings auch die Heizblöcke in größeren Thermocyclern eines Tages verdrängen können, ist schwer zu prognostizieren. Im Moment tun sie sich gegen die übermächtigen Blockcycler noch ziemlich schwer.

PCR-Thermocycler im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 06/2023, Stand: Mai 2023, alle Angaben ohne Gewähr)


Letzte Änderungen: 14.06.2023