Editorial

Eiskalt erwischt
Produktübersicht: Probenkühlung

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Wäre ja zu schade um das Eiswasser, wenn man es nach der Probenkühlung einfach in den Ausguss kippen würde. Diese hartgesottenen Mitarbeiter des Institute for Systems Biology in Seattle nutzen es bei der Ice Bucket Challenge noch für eine eiskalte Dusche. Foto: Aitchison Lab

Zu den täglichen Routineaufgaben gehört in den meisten Laboren auch der allmorgendliche Gang mit dem Eiseimer zur Eismaschine im Institutskeller. Dort wird erstmal eine gehörige Portion Eis für die anstehenden Versuche gebunkert.

Kaum ein Protokoll oder Experiment, bei dem keine Proben oder Reaktionsansätze gekühlt werden müssen: PCR-Ansätze, Enzyme, DNA, RNA, Antikörper, dNTPs, Zellsuspensionen, Reagenzien oder Bakterienkulturen – ohne Kühlung zum richtigen Zeitpunkt vergammeln wertvolle Proben oder reagieren bevor der Experimentator das Startsignal für die gewünschte Reaktion gegeben hat.

Im Eis verborgene Wärme

Flockeneis ist für die Kühlung von Proben auf null Grad Celsius nahezu perfekt geeignet: Vials, Tubes, Zentrifugenröhrchen oder beliebig geformte Reaktionsgefäße werden einfach in das Eis gesteckt und stehen stabil in der Eispackung. Die an der Oberfläche schmelzenden Eiskristalle übertragen die Temperatur sehr schnell auf die Reaktionsgefäße und last, but not least verhindert die latente Wärme des Eises, dass die Temperatur deutlich über null Grad steigt, solange es nicht vollständig geschmolzen ist.

In der Hektik des Laboralltags vergisst man aber dennoch hin und wieder, dass ja noch ein paar Proben im Eis stecken. Meist schwimmen sie dann bereits im Schmelzwasser umher und die Etiketten mit den Probenbeschriftungen haben sich längst abgelöst. Wenn‘s ganz dumm läuft und die Deckel der Gefäße nicht sauber verschlossen sind, sifft zu allem Übel auch noch das Eiswasser in die Proben hinein.

Vermeiden lässt sich dieses Malheur mit passenden Kühlracks für die gängigen Eiseimer und Wannen aus geschäumtem Styropor, PVC, Poly­urethan (PU)- oder Ethylenvinylacetat (EVA), die es in unterschiedlichen Ausführungen gibt. Im einfachsten Fall sind es kleine Plastik-Gestelle oder gelochte Platten aus PU-Schaum, welche die Reaktionsgefäße im Eis stabilisieren und für Ordnung im Eisbad sorgen.

Ziemlich clever sind zweigeteilte Kühlracks mit einer Bodenplatte aus einer thermisch sehr gut leitenden Metalllegierung und einer darauf sitzenden Platte mit den Aussparungen für die Probengefäße. Die Metallplatte wird auf dem Eis platziert und leitet die Temperatur sehr schnell und vor allem äußerst gleichmäßig an die gelochte Platte beziehungsweise die darin steckenden Proben weiter. Temperaturschwankungen, die zwangsweise in direkt auf dem Eis verteilten Reaktionsgefäßen auftreten, werden hierdurch vermieden.

Wer auf den regelmäßigen Gang zur Eismaschine ganz verzichten will, kann das zweiteilige Kühlrack auch mit speziellen Kühlakkus kombinieren, die das Eis ersetzen. Die Hersteller verraten zwar meist nicht, welches Kühlmedium sie enthalten. Sie sind aber wie die üblichen Kühlakkus aufgebaut, die viele im Sommer verwenden, um Bier und Steaks auf dem Weg zum Grillplatz zu kühlen. Hinter ihren unscheinbaren Plastikhüllen verbirgt sich ein sogenanntes Phasenwechselmaterial, das bei der gewünschten Temperatur schmilzt. Je nach Modell ist dies zum Beispiel bei null Grad Celsius oder -20°C der Fall.

Kühlakkus statt Eis

Im Kühl- oder Gefrierschrank wird der Kühlakku auf diese Temperatur heruntergekühlt und anschließend in eine wärmeisolierende Box aus geschäumtem PU eingebaut. Steigt die Temperatur, so schmilzt das Phasenwechselmaterial und entzieht dem Inneren der Kiste solange Wärme, bis es vollständig geschmolzen ist. Je nachdem, ob man sie mit einem Deckel vollkommen verschließt oder bei geöffnetem Deckel arbeitet, reicht der Schmelzvorgang für eine Kühlzeit von bis zu sechzehn Stunden.

Wer seine Proben auf deutlich tiefere Temperaturen als -20°C kühlen muss, verwendet dazu häufig Trockeneis, das nichts anderes ist als festes Kohlendioxid. Bei Atmosphärendruck hat Trockeneis eine Temperatur von knapp -80°C und sublimiert zu gasförmigem Kohlendioxid. Die für den Phasenwechsel nötige Energie holt es sich, wie Eis oder andere Phasenwechselmaterialien, aus der Wärme der Umgebungsluft. In unmittelbarer Nähe des Trockeneises bleibt die Temperatur deshalb solange auf frostigem Niveau, bis auch das letzte Trockeneis-Klümpchen verschwunden ist.

Trockeneis wird in relativ großem Maßstab aus flüssigem Kohlendioxid hergestellt und zu kleinen Blöcken oder Pellets geformt, die sich leicht in Behälter füllen lassen. Im Labor wird es deshalb häufig für die Lagerung oder den Transport von Protein- oder Antikörperlösungen verwendet. Dabei muss man zwar nicht befürchten, dass die Proben wie im Fall von Eis mit der Zeit im Schmelzwasser herumdümpeln. Das entstehende gasförmige Kohlendioxid kann sich jedoch negativ auf die Proben auswirken.

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Was da im Labor herumwabert ist zwar kein Kohlendioxid sondern kondensierte Luftfeuchtigkeit. Bei der Sublimation von Trockeneis entsteht aber jede Menge gasförmiges Kohlen­dioxid – und das kann in Reaktionsgefäße eindringen und Lösungen ungewollt ansäuern. Foto: Physics Stack Exchange

Diese Erfahrung machte eine Gruppe des Biotech-Dienstleisters Somatek, der im kalifornischen San Diego beheimatet ist und seine Klienten zum Beispiel bei der Herstellung von Biopharmazeutika unterstützt. Die Gruppe wunderte sich, warum Assays immer wieder fehlschlugen, wenn sie die dafür verwendeten Antikörperlösungen vor dem Auftauen für einige Zeit auf Trockeneis lagerte. Zudem beobachtete das amerikanische Team, dass sich der pH-Wert der aufgetauten Antikörperlösungen verändert hatte – der ursprünglich auf pH 7,2 eingestellte Wert sank regelmäßig auf pH 5,5 bis pH 6,0.

Die Forscher hegten schnell den Verdacht, dass die gesunkenen pH-Werte vom Zwischenlagern der gefrorenen Antikörperlösungen auf Trockeneis herrührten. Mit einem einfachen Experiment überprüften sie ihre Vermutung: Sie füllten unterschiedliche mit Deckel ausgestattete Reaktionsgefäß-Typen (Kryo-Vials, Zentrifugenröhrchen, Eppendorf-Tubes sowie Glas-Vials) mit einer gepufferten pH-Indikatorlösung und deponierten diese zwei Tage auf Trockeneis oder bei -70°C im Gefrierschrank. In beinahe allen getesteten Reaktionsgefäßen führte die Lagerung auf Trockeneis zum Absinken des pH-Wertes in den aufgetauten Proben – völlig unabhängig von der Art des Deckels beziehungsweise des Dichtungssystems (Nature Methods, 10: 278-79).

Trockeneis macht Proben sauer

Die Ansäuerung blieb jedoch aus, wenn die Forscher die Deckel vor dem Auftauen öffneten, um die Reaktionsgefäße kurz zu belüften; oder wenn sie die Reaktionsgefäße mit geschlossenem Deckel einige zusätzliche Tage in den -70°C-Freezer stellten. In beiden Fällen verflüchtigte sich das gasförmige Kohlendioxid offensichtlich, bevor es sich in der auftauenden Flüssigkeit lösen konnte.

Die Gruppe vermutet, dass die Deckeldichtungen aufgrund der tiefen Temperaturen nicht mehr exakt schlossen und das Kohlendioxid-Gas über die undichten Stellen in die Gefäße eindrang. Da es vor dem Auftauen der Proben nicht entweichen konnte, löste es sich in der entstandenen Lösung und senkte hierdurch den pH-Wert.

Schon erstaunlich, welche Wege der Fehlerteufel manchmal nimmt, um Biowissenschaftler aufs Kreuz zu legen. Selbst bei so etwas Simplem wie dem Kühlen von Proben auf Trockeneis ist man vor ihm nicht sicher.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 09/2018, Stand: August 2018, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 09.09.2018