Editorial

Wissenschaftliches Veröffentlichen - Überlegungen zum Publizieren in einem sich wandelnden Umfeld


(11.10.2023) Eine Stellungnahme des Fachkollegiums „Zoologie“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

Das Publikationssystem verändert sich gerade grundlegend, was zu unterschiedlichen Auffassungen über die beste Publikationsstrategie führt. Als DFG-Fachkollegium „Zoologie“ begutachten wir Anträge in allen ihren Dimensionen, wozu unter anderem auch die Beurteilung der Qualifikation der Antragsteller anhand ihrer Publikationsleistung gehört. Es ist nicht einfach, in dem sich wandelnden Publikationssystem die am besten geeignete Zeitschrift für die Publikation von Forschungsergebnissen auszuwählen. Wir möchten diesbezüglich einige Gedanken teilen, damit bei der Publikationsstrategie auch die Erwartungen von Entscheidungsgremien mit einbezogen werden können.

Warum eine sorgfältige Auswahl der Zeitschrift wesentlich ist

Entscheidungen über Bewerbungen um Stipendien oder Stellen beinhalten eine Bewertung der bisherigen Leistungen auf der Grundlage des Publikationsverzeichnisses. Im klassischen Publikationssystem brachten Veröffentlichungen in den meisten Zeitschriften wissenschaftliches Prestige, da die meisten Zeitschriften selektiv waren. Ihre Motivation, streng nach Qualität zu selektieren, wurde durch einen starken finanziellen Anreiz aufrechterhalten: Nur wenn eine Zeitschrift einen hohen Anteil an qualitativ hochwertigen Beiträgen enthielt, kauften die Forscher ein Abonnement, was die eigentlichen Einnahmen generierte.

Zeitschriften-Stapel im Dunkeln
Foto: editage

Unter dem neuen Open-Access-Publikationssystem mit Autor-finanzierten Gebühren für die Publikation von Artikeln hat sich der finanzielle Anreiz geändert: Jetzt werden die Einnahmen durch die Veröffentlichung einer Arbeit erzielt – unabhängig von ihrer Qualität oder ihrer späteren Wahrnehmung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft. Die meisten klassischen und viele neue Zeitschriften verbinden die Vorteile des Open-Access-Publizierens mit einer strengen Qualitätskontrolle und verbessern damit unser Publikationssystem.

Leider gibt es aber auch eine Flut von Zeitschriften, die Kompromisse bei der Qualität eingehen, um mehr Einnahmen zu generieren. Die wissenschaftliche Gemeinschaft nimmt die mangelnde Selektivität dieser Zeitschriften jedoch durchaus wahr, sodass Veröffentlichungen in solchen Zeitschriften mit weniger Prestige verbunden sind – selbst wenn die konkrete Arbeit von hohem Wert ist. Dies wirkt sich später auf die Einschätzung der wissenschaftlichen Leistung aus. Deshalb sollte man Arbeiten hauptsächlich in Zeitschriften veröffentlichen, die in der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen guten Ruf genießen!

Wie man Zeitschriften mit gutem Ruf erkennt

Manche behaupten, dass die Bedeutung des Ansehens einer Zeitschrift langfristig ersetzt werden wird durch quantitative Messungen auf Artikelebene, die auf dem Feedback der Community basieren. In der Tat erfüllen nicht alle Arbeiten in angesehenen Zeitschriften die höchsten Standards, und eine sehr gute Arbeit kann auch dann Aufmerksamkeit erregen, wenn sie in einer weniger bekannten Zeitschrift veröffentlicht wird. Allerdings akkumuliert das Community-Feedback nur langsam, was insbesondere die Aussagekraft für neuere Arbeiten verringert.

Nicht nur deshalb sind wir der Meinung, dass zumindest derzeit die selektiven Zeitschriften einen deutlich höheren Anteil an qualitativ hochwertigen Arbeiten enthalten. Daher werden Veröffentlichungen in selektiven Zeitschriften mit hohem Ansehen auch weiterhin ein Indikator der bisherigen Leistung sein.

Doch wie lassen sich qualitativ hochwertige Zeitschriften von solchen mit geringem Ansehen unterscheiden? Dies ist schwierig, da die Bandbreite von eindeutig räuberischen Zeitschriften bis hin zu Journalen reicht, die zwar ein ordnungsgemäßes Begutachtungsverfahren durchführen, aber dennoch schlechte oder vorläufige Arbeiten nicht ablehnen. Darüber hinaus kann sich die Qualität einer Zeitschrift im Laufe der Zeit ändern. Auch kann das Prestige zweier Zeitschriften eines Verlags unterschiedlich sein. Und nicht zuletzt sind die Publikationstraditionen der verschiedenen Fachgebiete unterschiedlich. Konkrete Positiv- oder Negativlisten sind daher ungeeignet, weil sie unvollständig und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits veraltet sein könnten.

Der Impact-Faktor von Zeitschriften war schon immer ein umstrittener Indikator, hat aber weiter an Bedeutung verloren, seit einige Zeitschriften gezielte Maßnahmen zur künstlichen Erhöhung der Zitationen treffen. Dazu gehören zum Beispiel das strategische Forcieren von Selbstzitaten, das Veröffentlichen einer großen Zahl von Überblicksartikeln, das Herausgeben von Sonderausgaben und die Publikation von Manuskripten, die nur aufgrund ihres Themas, nicht aber aufgrund ihrer Qualität Aufmerksamkeit erregen sollen. In der Tat haben inzwischen einige Zeitschriften mit höchstem Prestige in ihrem Fachgebiet einen niedrigeren IF als einige aufstrebende Zeitschriften mit einem großen Anteil an Veröffentlichungen von minderer Qualität. Folglich ist der Impact-Faktor von Zeitschriften alleine nicht geeignet, qualitativ hochwertige Zeitschriften zu identifizieren.

Wir empfehlen daher sowohl erfahrenen als auch angehenden Forschenden, die folgenden Fragen zu stellen, um qualitativ hochwertige Zeitschriften zu identifizieren:

  • Welche Zeitschriften haben in letzter Zeit Artikel veröffentlicht, die in meinem Fachgebiet als wichtig angesehen werden?
  • In welchen Zeitschriften veröffentlichen meine am meisten geschätzten Kollegen ihre Arbeiten?
  • Werden die Einreichungen von Editoren bearbeitet, die aktive und anerkannte Wissenschaftler auf ihrem Gebiet sind?
  • Werden die Zeitschriften von bekannten wissenschaftlichen Gesellschaften betrieben?
  • Handelt es sich um Zeitschriften, die von gemeinnützigen Organisationen betrieben werden?

Cartoon von Wolf im Schafspelz, der böse lächelnd mit einer Zeitschrift lockt
Vorsicht vor Journalen, denen es nur um Profit statt um Wissenschaft geht! Illustr.: Tel Aviv Univ.

Demgegenüber stehen die folgenden Fragen als Indikatoren für minderwertige Zeitschriften:

  • Drängt die Zeitschrift mich, eine Arbeit einzureichen, einen Überblicksartikel zu schreiben oder eine Sonderausgabe zu editieren?
  • Deutet die kurze Zeit bis zur Entscheidung auf eine schnelle und oberflächliche Begutachtung hin?
  • Erscheinen die meisten Artikel dieser Zeitschrift als Teil von Sonderausgaben?
  • Hat die Zeitschrift einen Titel, der den Namen einer bekannten Zeitschrift nachahmt?
  • Ist die Redaktion extrem groß, was auf eine Strategie des hohen Durchsatzes hindeutet?
  • Bin ich sicher, dass mein Manuskript auch im Falle von Schwächen sicher und schnell in dieser Zeitschrift angenommen werden wird? Dann werden das meine Kollegen auch wissen. Und sie werden weniger beeindruckt sein als bei einer Veröffentlichung in einer Zeitschrift, die für ihre Selektivität bekannt ist.

Diese Fragen sind jedoch nicht als strenge Kriterien zu sehen, die alle erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Entscheidung zu treffen. Vielmehr sind sie als Ausgangspunkt für entsprechende Diskussionen unter Fachkollegen gedacht.

Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Publikationslandschaft wollen wir hier keine spezifischen Zeitschriften oder Verlage als hoch- oder minderwertig einstufen. Und auch unsere Publikationsstrategien haben sich mit der veränderten Einschätzung von Journalen gewandelt – und werden sich weiter wandeln. In diesem Sinne hoffen wir, eine Diskussion anzustoßen, aus der sich mit der Zeit eine konsensfähigere Sichtweise herauskristallisieren wird.

Die wissenschaftliche Community kann und muss gegen den Zeitschriften-Tsunami vorgehen

Nur die wissenschaftliche Gemeinschaft ist in der Lage, etwas gegen die Verlage zu tun, die finanzielle Interessen über die Wissenschaft stellen und damit den wissenschaftlichen Prozess gefährden. Diese Verlage werden Einnahmen verlieren, wenn Wissenschaftler ihr Engagement künftig auf Zeitschriften beschränken, die in ihrem Fachgebiet Prestige genießen. Anhand der oben genannten Kriterien sollte man daher sorgfältig entscheiden, für welche Zeitschriften man Arbeiten begutachtet, Überblicksartikel erstellt, als Gast-Editor an Sonderausgaben mitwirkt und überhaupt als Editor mitarbeitet. Bei profitorientierten Zeitschriften sind solche Bemühungen möglicherweise mit mehr Arbeit als Prestige verbunden.

Einige Zeitschriften mit hohem Ansehen haben die Kosten für die Einreichung von Beiträgen weit über wirtschaftliche Erwägungen hinaus erhöht. Zum einen werden Veröffentlichungen in solchen Zeitschriften somit zu einer Frage der Verfügbarkeit von Mitteln, und zum anderen fließen auf diese Weise zu viele Forschungsgelder in diese Verlage. Gerade die etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind weniger auf eine möglichst hohe Sichtbarkeit angewiesen und könnten daher dieser Entwicklung als Vorbilder entgegenwirken, indem sie ihre besten Arbeiten in stärker von der Gemeinschaft getragenen Zeitschriften veröffentlichen. Wobei sie allerdings auch die Interessen ihrer Mitautorinnen und Mitautoren im Auge behalten müssen.

Bleibt zu hoffen, dass unsere Gedanken und Vorschläge einen Beitrag zur Verbesserung unseres Publikationssystems leisten und eine lebhafte Diskussion anregen.

Das DFG-Fachkollegium 203 „Zoologie“: Gregor Bucher, Klaus Fischer, Gabriele Gerlach, Steffen Harzsch, Hans Merzendorfer, Achim Paululat, Klaus Reinhold, Mark-Oliver Rödel, Thomas Röder, Andreas Schmidt-Rhaesa, Jutta Schneider, Ingolf Steffan-Dewenter, Gabriele Uhl