Editorial

Wissenschaftskommunikation
„Hinsichtlich grüner Gentechnik stecken wir in einer Zwickmühle“

Gespräch: Henrik Müller


(09.11.2022) Die Deutsche Kreditbank (DKB) hat sich laut Selbstdarstellung der Nachhaltigkeit verschrieben. Und schließt daher gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) explizit aus ihrem Finanzierungs-Portfolio aus. Laborjournal sprach daher mit Andreas Gruber, Leiter Public Affairs & Nachhaltigkeit der DKB – über die pauschale Ablehnung grüner Gentechnik, überholte GVO-Narrative und neue Erkenntnisse.

Mit einem Geschäftsvolumen von 3,8 Milliarden Euro finanziert die Deutsche Kreditbank AG (DKB) aktuell rund 6.000 Landwirte und Landwirtinnen. Dabei stellt sie das Thema Nachhaltigkeit ganz obenan. Auf ihrer Website erklärt die DKB, was das konkret für sie bedeutet: „Deswegen schließen wir die Finanzierung von Atomkraftwerken, Rüstungsgütern, gentechnisch veränderten Organismen, Pornografie, Prostitution und illegalem Drogenhandel aus.“ GVOs rangieren also neben Pornos, Drogen und Waffen? Und haben in einer Diskussion über Nachhaltigkeit nichts zu suchen?

Ein kurzer Blick auf die Fakten. Nach mehr als dreißig Jahren Sicherheitsforschung sind sich alle Wissenschaftsorganisationen, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und auch die Europäische Kommission einig: Gentechnisch veränderte (GV-)Pflanzen sind ebenso sicher wie herkömmlich gezüchtete Kulturpflanzen. Zudem hängen geltende GVO-Rechtsvorschriften dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn heute Jahrzehnte hinterher. Laut EU-Kommission im April 2021 muss die Rechtslage dringend reformiert werden (mehr dazu in LJ 04/20: 14-17 und LJ 12/21: 38-40).

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Geld für gentechnisch veränderte Organismen? Die Deutsche Kreditbank (DKB) schließt das aus. Foto: AdobeStock / Andrii Yalanskyi

Editorial

Im Widerspruch zur wissenschaftlichen Evidenz steht allerdings die öffentliche Meinung. Laut einer Umfrage des Umweltinstituts München im September 2021 befürworten sechzig Prozent der deutschen Bevölkerung das derzeitige Anbauverbot von GV-Pflanzen in Deutschland. Auch in der Naturbewusstseinsstudie 2019 des Bundesumweltministeriums findet Gentechnik in der Landwirtschaft bei 81 Prozent der Befragten keine Billigung. Bestätigen Forschungstreibende, dass gentechnische Verfahren sicher sind, vertrauen ihnen nur 36 Prozent der Bevölkerung.

Warum haben Befürworter grüner Gentechnik einen derart schlechten Ruf? Wieso legen öffentliche Narrative wenig Wert auf wissenschaftliche Evidenz? Wieso verteufeln öffentliche Institute GVOs im Nachhaltigkeitskontext?

Einen Schlüsselfaktor förderte kürzlich eine vom Gaterslebener Pflanzenbiotechnologen Robert Hoffie angeregte Twitter-Diskussion zu Tage. Er hatte nachgefragt, warum genau die DKB gentechnisch veränderte Organismen als ebenso wenig finanzierungswürdig einstuft wie Prostitution und illegalen Drogenhandel. Über den Tweet stolperte Thomas Ott, Professor für Zellbiologie an der Universität Freiburg. Seit vielen Jahren forscht er zu den molekularen Mechanismen, die symbiotische Pflanzen-Mikroben-Interaktionen und besonders intrazelluläre Infektionen steuern – natürlich auch mit GV-Pflanzen. Kurzerhand schrieb er die Bank direkt an und wies auf den möglichen Beitrag von GVOs zu einer umweltfreundlichen und klimaangepassten Nahrungsmittelproduktion hin. Prompt erhielt er von Andreas Gruber, Leiter Public Affairs & Nachhaltigkeit der DKB, eine Einladung als Diskussionspartner zum DKB Sustainable Finance Board Meeting im September 2022. Mit 150 Teilnehmern aus allen Geschäftsbereichen dient es der DKB als zentrale Austauschplattform zum Thema Nachhaltigkeit.

Konnte ein Pflanzenforscher wie Thomas Ott bei einem öffentlichen Kreditinstitut wie der DKB etwas bewegen? Laborjournal fragte bei Andreas Gruber nach:

Laborjournal: Für viele in der Wissenschaftswelt ist es ein Schock, dass Kreditinstitute gentechnisch veränderte Organismen gleichsetzen mit Rüstungsgütern, Pornografie, Prostitution und illegalem Drogenhandel. Was sind Ihre Gründe?

Gruber » Diese Darstellung auf der DKB-Website ist unglücklich verkürzt und aus ihrem Kontext gerissen. Wenn wir landwirtschaftliche Betriebe, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, von unseren Finanzierungen ausschließen, halten wir uns damit lediglich an die geltenden Vorgaben: In Deutschland dürfen GVOs aktuell nicht kommerziell angebaut werden. Das ist der eigentliche Kontext. Wir vergleichen Gentechnik also nicht mit Pornografie und Glücksspiel.

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Andreas Gruber Foto: DKB

Zwischen roter Gentechnik in der Medizin und grüner Gentechnik in der Landwirtschaft besteht für die DKB also kein Unterschied?

Gruber » Doch, natürlich. Die Aussagen auf unserer Website sind auf unsere Kundengruppe „Landwirtschaft und Ernährung“ bezogen, weil wir in erster Linie dort Berührungspunkte mit dem Thema Gentechnik haben.

Genau diese unterschiedliche Behandlung von roter und grüner Gentechnik ist es aber, was in der Wissenschaftswelt auf Unverständnis stößt. Die Technologie in beiden Disziplinen ist identisch mit all ihren Nutzen und Risiken. Doch einmal heißt es „Safe, wollen wir! Rettet schließlich Leben“, dann ist es aber auch wieder „Teufelswerk“.

Gruber » Ich kann nachvollziehen, dass man da verzweifeln kann. Natürlich begrüßt die DKB Wissenschaft und Forschung. Gerade in Zeiten von Klimawandel und Hungerkrisen bietet Gentechnik vielleicht eine mögliche Antwort. Doch als Bank müssen wir das ein Stück weit anders sehen und vor allem gesetzliche Rahmenbedingungen einhalten. Das schließt aber ein kritisches Hinterfragen nicht aus.

Sie „müssen“?

Gruber » Aus mehreren Gründen. Den Entschluss, keine Kredite im Zusammenhang mit GVOs zu vergeben, haben wir in enger Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen aus unserem Landwirtschaftsbereich – darunter auch viele Agraringenieure – getroffen. Sie betreuen rund 6.000 landwirtschaftliche Betriebe als Kunden und sagen klar: In Deutschland werden schon seit zehn Jahren keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr kommerziell angebaut. Wir halten uns an die gesetzlichen Vorgaben und finanzieren keine Gentechnik im Ackerbau. Zwar setzen die von uns finanzierten Landwirte teilweise GVOs als Futtermittel ein, dürfen sie aber nicht auf ihren landwirtschaftlichen Flächen anbauen. Sie sehen weder die Notwendigkeit noch die Absatzmöglichkeiten dahinter. Warum? Weil es große Vorbehalte der Endverbraucher gibt. Schließlich müssen unsere Landwirte ihre Erzeugnisse irgendwo verkaufen.

Was sind die anderen Gründe?

Gruber » Die DKB hat sich seit Jahrzehnten dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. Wir finanzieren erneuerbare Energien mit einem Kreditvolumen von zwölf Milliarden Euro. Im Nachhaltigkeitsrating ISS-ESG wurden wir zum 7. Mal in Folge als Branchenführer unter mehr als 270 Banken ausgezeichnet. Daran werden wir seitens der Öffentlichkeit gemessen und müssen auf Nichtregierungsorganisationen und Ratingagenturen Rücksicht nehmen. Und deren Umfragebögen haken klar nach: „Hat die DKB grüne Gentechnik ausgeschlossen?“ Wenn wir kein „Ja“ ankreuzen, hagelt es öffentliche Kritik und mein Nachhaltigkeitsteam beantwortet über Wochen kritische Kundenanfragen. Wir stecken da in einer Zwickmühle.

Die Europäische Kommission kam 2014 auf Basis von 400 unabhängigen EU-finanzierten Studien zu dem Schluss, dass GVOs unbedenklich sind. Im April 2021 erklärte sie, geltende GVO-Rechtsvorschriften seien dringend reformbedürftig. Dennoch gewichten Banken die Meinung von NGOs stärker als die Sichtweise der Europäischen Kommission? Warum?

Gruber » Das Argument spiele ich zurück: Warum dürfen GVOs in Deutschland dann nicht angebaut werden?

Lobbyismus-Umfragen zeigen auf, dass bestimmte Umweltorganisationen als zentrale Meinungsbildner fungieren – fernab ihnen widersprechender Forschungsresultate und unabhängiger Risikoeinschätzungen. Politische Entscheidungsträger schlagen sich auf ihre Seite, um nicht als „gekauft von der Industrie“ und „gleichgültig gegenüber der Umwelt“ gebrandmarkt zu werden. Welche moralische Verantwortung sehen Sie bei der DKB, durch Ihre Kreditvergabe Kapital in bestimmte Wirtschaftszweige zu lenken?

Gruber » Wer Finanzströme lenkt, hat natürlich ethische Verantwortung. Unsere hohe moralische Messlatte sieht man beispielsweise an unserer umfangreichen Finanzierung erneuerbarer Energien. Doch im Bereich grüne Gentechnik haben wir ehrlich gesagt noch nie so einen intensiven Dialog wie den mit Herrn Professor Ott geführt.

Wie kann das sein, wenn die DKB doch eine der führenden Banken Deutschlands im Bereich Landwirtschafts- und Nachhaltigkeitsfinanzierung ist?

Gruber » Tatsächlich spiegelten uns bisher nur NGOs und kritische Privatkunden wider, dass sie einen Verzicht auf grüne Gentechnik erwarten. Die Twitter-Diskussion war das erste Mal, dass sich Gentechnik-Befürworter direkt an uns wandten.

Vorhin erwähnten Sie DKB-interne Agraringenieure. Die sollten doch Überblick über die Fakten haben?

Gruber » Natürlich. Aber die kennen eben auch die gesetzliche Lage in Deutschland. Die DKB kann nur finanzieren, was erlaubt ist. Dieser ganze Diskurs ist also theoretisch. Und da kann ich unserem Landwirtschaftssegment nicht böse sein, wenn eine Scheindiskussion nicht ganz oben auf der Agenda steht. Dennoch hat es uns die Augen geöffnet, dass sich Gentechnik-Befürworter und aktiv Forschungstreibende bei uns zu Wort gemeldet haben.

Welche Strategien verfolgt die DKB dahingehend in Zukunft?

Gruber » Klar können wir uns nicht immer hinter die gesetzlichen Position zurückziehen. Der gesetzliche Rahmen kann sich schließlich ändern. Deshalb bemühen wir uns stärker, beide Seiten der Medaille zu hören. Entsprechend dankbar waren wir für die Kritik an der Aussage auf unserer Website und haben Professor Ott für eine Präsentation im DKB Sustainable Finance Board Meeting eingeladen.

Zu welchen Ergebnissen führte der Austausch?

Gruber » Herr Ott skizzierte den globalen Mehrwert, den grüne Gentechnik haben kann, vor allem im globalen Süden, aber sicher auch in Deutschland. Wir haben viel hinzugelernt und wollen in Zukunft intensiver mit der wissenschaftlichen Seite sprechen.

Warum war eine faktenbasierte Sicht nicht überhaupt der Startpunkt für Ihre interne Diskussion?

Gruber » Die gesetzliche Lage und die Präsenz der kritischen Seite waren der Startpunkt – wie ja bereits erörtert. Übrigens haben wir in unseren Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen bis vor zwei Jahren gar nicht mit Ausschlusslisten gearbeitet. Wir haben jedoch zur Kenntnis genommen, dass der kritischen Öffentlichkeit ein Positivkonzept – Welche Kundengruppen finanziert die DKB? – nicht ausreicht und sie klare und eindeutige Ausschlüsse von einer Bank einfordert.

Mit welchen NGOs sind Sie in Kontakt?

Gruber » Wir pflegen einen kontinuierlichen Austausch mit dem WWF, mit Urgewald, mit GermanWatch und mit Facing Finance e. V., um nur einige zu nennen. Hier wird uns sehr deutlich gespiegelt, was wir aus deren Sicht ausschließen sollten. Dabei reicht es nicht mehr aus, all das Positive unserer Finanzierungsarbeit zu betonen. Und das nimmt skurrile Züge an. Beispielsweise hat die DKB eine Finanzierung von Walfang ausgeschlossen, obwohl Walfang in unserem Geschäftsgebiet Deutschland gesetzlich verboten ist und null derartige Kunden existieren.

Wie wird sich die DKB in Bezug auf grüne Gentechnik weiterentwickeln?

Gruber » Wir überarbeiten gegenwärtig unsere Anlage- und Finanzierungsgrundsätze und natürlich auch deren Kurzzusammenfassung. Am gesetzlichen Rahmen müssen wir uns natürlich weiterhin orientieren. Gern steigen wir mit dem Wissen von Professor Ott aber in eine kritischere Diskussion mit NGOs ein.

Was wünschen Sie sich dahingehend von der Wissenschaftswelt?

Gruber » Eben das, was Professor Ott getan hat. Wissenschaft sollte sich öffentlich mehr zu Wort melden, gern auch kritisch in unsere Richtung. Noch besser wäre es, wenn Forschungstreibende direkt mit NGOs kommunizierten. Denn das würde sich perspektivisch auch auf unsere Kunden weitertragen.