Editorial

Tierversuchsanträge - Einheitlich geht anders

Mario Rembold


(13.01.2016) Wer in Deutschland Tierversuche durchführen will, muss nicht nur Papierstapel ausfüllen, sondern auch mindestens drei Monate auf die Genehmigung warten. Und der einen oder anderen Absurdität begegnet man bisweilen gleich mit. Hat uns das die EU eingebrockt, oder ist Deutschland dafür selbst verantwortlich?

Stellen Sie sich vor, Sie hätten gerade ein Paper in der Pipeline. Die Gutachter sind Ihnen wohlgesinnt, doch sie fordern noch einen Zusatzversuch in einer ganz neuen Knockout-Maus, mit der Sie bislang noch nicht gearbeitet haben. Falls Ihr Wirkstoffkandidat auch mit dieser Linie dieselben Effekte zeigt wie bei den anderen Mausexperimenten, würde das Ihre Hypothese weiter untermauern. An die Tiere kommen Sie leicht heran und wollen sofort loslegen; schließlich beherrschen Sie die Experimente mittlerweile im Schlaf. Doch halt – da ist ja noch die Behörde, die Ihre Tierversuche genehmigen muss. Weil die Mauslinie eine andere ist, müssen die Zusatzversuche komplett neu beantragt werden – und das gesamte Genehmigungsverfahren läuft noch mal von vorne durch. Bis zum ersten Experiment mit den neuen Mäusen vergehen jetzt locker zwei bis drei Monate, vielleicht auch ein halbes Jahr. Also rufen Sie den Koautor in Asien an und fragen nach, ob sein Labor nicht schnell die Zusatzexperimente in Angriff nehmen mag.

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Foto: Fotolia / ki33

Editorial

Das Beispiel haben wir erfunden. In der Laborjournal-Redaktion ging jedoch unlängst die E-Mail eines Forschers ein, der von hohen bürokratischen Hürden bei Tierversuchen in Deutschland spricht. Und von sehr langen Wartezeiten von mindestens zwei Monaten. Das höre er auch von Kollegen, die für ihre Forschung auf Tierversuche angewiesen sind. In Deutschland sei es daher unmöglich, Ergebnisse aus Tierversuchen im Rahmen von Peer-Review-Prozessen schnell nachzuliefern. Der Einfluss einer tierversuchsfeindlichen Lobby auf die wissenschaftliche Arbeit sei ziemlich groß, wenn es um Auflagen und Genehmigungen rund um Tierversuche gehe. Seinen Namen möchte der Forscher im Artikel nicht genannt haben. Er wolle nicht riskieren, dass seine Anträge dadurch künftig vielleicht noch länger auf dem Stapel liegenbleiben.

Seriöse Forscher halten es mit den drei Rs

Dass man keinem Lebewesen unnötiges Leid zufügen soll, sei an dieser Stelle vorausgesetzt. Seriöse Forscher bekennen sich daher zum 3R-Prinzip: Replacement, Reduction und Refinement. Will heißen, Tierversuche sollten durch tierversuchsfreie Methoden ersetzt werden, wo immer dies möglich ist (Replacement); für Fragestellungen, bei denen Tierversuche unerlässlich sind, sollen so wenige Tiere wie möglich zum Einsatz kommen (Reduction); und die Experimente sind so zu gestalten, dass die Tiere möglichst wenig darunter leiden müssen (Refinement).

Klar, dass es auch entsprechende Gesetze geben muss. In Paragraph 1 des deutschen Tierschutzgesetzes heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Wann aber solch ein „vernünftiger Grund“ vorliegt, dazu hat der Mausgenetiker mitunter eine andere Meinung als der Tierrechtler. Und so leuchtet auch ein, dass es Genehmigungsverfahren geben muss, bei denen eine unabhängige Stelle prüft, ob geplante Tierversuche gerechtfertigt sind oder nicht. Doch treibt es Deutschland dabei vielleicht zu weit und schüttet gar das Kind mit dem Bade aus, wenn dadurch Tierexperimente ins Ausland verlegt werden?

Tatsächlich wollte die EU genau solch eine Konkurrenz zwischen den Nationen verhindern, zumindest hier in Europa. Daher einigte man sich vor gut fünf Jahren auf die Richtlinie 2010/63/EU. Diese Direktive schreibt Mindeststandards bei Tierversuchen vor und musste bis 2013 von jedem Mitgliedsstaat in nationales Gesetz umgesetzt werden. Hat uns Europa da wieder mal einen gigantischen Papiertiger aufgetischt?

René Tolba widerspricht. „Es ist nicht das Problem der EU, wenn Deutschland jede Richtlinie 120-prozentig umsetzt“, sagt der Präsident der Gesellschaft für Versuchstierkunde (GV-SOLAS), der an der RWTH Aachen das Institut für Versuchstierkunde leitet. „In Belgien dauert das ungefähr 14 Tage“, so Tolba über die Dauer des Genehmigungsverfahrens bei unseren Nachbarn. Dort gebe es interne Animal Care and Use Committees der Forschungseinrichtungen, die alle zwei Wochen tagen.

Deutschland Behördenland

„Wir haben aber im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staaten ein behördliches Antragsverfahren“, beschreibt Tolba die Situation in Deutschland. Alles beginnt mit einem Antrag, der laut Tolba durchaus 30 bis 40 Din A4-Seiten umfassen kann. „Im Mittelpunkt steht der Nachweis der Unerlässlichkeit der Versuche“, erklärt er. Man muss also begründen, warum die Fragestellungen nur durch Tierexperimente beantwortet werden können. Außerdem gehört in den Antrag die Anzahl der Tiere, die man benötigt, dargelegt durch ein statistisches Gutachten. Der Forscher muss die Qualifikation nachweisen, Tierversuche durchführen zu können – für sich selbst und alle an den Versuchen beteiligten Mitarbeiter. Zudem sind die Experimente genau zu beschreiben. „Das alles wird zunächst von einem Tierschutzbeauftragten geprüft, der Tierarzt sein muss“, schildert Tolba den nächsten Schritt, „den muss jede Einrichtung bestellen, die Tierversuche durchführt.“ Der Tierschutzbeauftragte nimmt zum Vorhaben Stellung und teilt dem Antragsteller mit, wo das Projekt gegebenenfalls nachzubessern sei. Dann erst geht der Antrag an die Genehmigungsbehörde, und das eigentliche Antragsverfahren beginnt. Wer zuständig ist, hängt vom Bundesland ab, in dem man forscht. Das kann das Regierungspräsidium im Regierungskreis des Antragstellers sein, oder auch eine Landesbehörde wie das LAVES in Niedersachsen oder das LANUV in Nordrhein-Westfalen.

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Jede Knockout-Linie braucht einen eigenen Antrag – auch wenn man die gleichen Versuche schon mit anderen gemacht hat. Foto: Fotolia / BillionPhotos.com

Paragraph 15 des deutschen Tierschutzgesetzes schreibt vor, dass die zuständigen Behörden Kommissionen berufen müssen, die eine beratende Funktion bei der Entscheidung über die Anträge wahrnehmen. Diese sogenannten Paragraph-15-Kommissionen bestehen zu zwei Dritteln aus Vertretern der akademischen und der industriellen Forschung, das übrige Drittel ist mit Personen besetzt, die Tierschutzverbände vorgeschlagen haben. Die Einschätzung der Kommission ist für die Behörde zwar nicht bindend, in der Regel wird diese aber auf deren Einwände und Anregungen eingehen und dem Antragsteller entsprechende Auflagen machen.

Wartezeit bis zu 120 Tagen

Grundsätzlich steht Tolba hinter diesem Antragsverfahren, bei dem die Forscher ihre Projekte sorgfältig erklären und die Tierversuche vor Dritten rechtfertigen müssen. Dabei kennt er beide Seiten: Zum einen testet seine Aachener Arbeitsgruppe Medizinprodukte wie Kunstherzen in Tierversuchen und muss dabei ebenfalls entsprechende Antragsverfahren durchlaufen, zum anderen sitzt Tolba selbst in einer Paragraph-15-Kommission, die über Tierversuchsanträge aus Nordrhein-Westfalen berät. „Natürlich nicht über die aus Aachen“, stellt er klar. Dringenden Handlungsbedarf sieht Tolba aber in der Dauer der Verfahren und bestätigt damit einige Aussagen des Forschers, der uns kontaktiert hatte. „Eigentlich steht in der EU-Richtlinie, dass ein beantragter Tierversuch innerhalb von 40 Arbeitstagen beschieden sein muss, aber das ist im Moment in Deutschland nicht der Fall.“ Nun erlaubt Artikel 41 der EU-Richtlinie, dass die Behörde diese Frist bei komplexen interdisziplinären Projekten „einmalig für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 15 Arbeitstagen“ verlängern darf, doch Tolba berichtet über deutlich längere Wartezeiten. „Ich höre von verschiedenen Einrichtungen, dass die Bearbeitung sogar 80 bis 120 Arbeitstage dauern kann.“

Vor 2013 sei das nicht dramatisch gewesen, erinnert sich Tolba. „Da hatten wir in Deutschland die sogenannte Genehmigungsfiktion.“ Ein Tierversuch galt dann als genehmigt, wenn die Behörde nach Eingang des Antrages nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums widersprochen hatte. Diese Frist lag je nach Art des Tierversuchs zwischen zwei Wochen und drei Monaten. „Da waren die Behörden noch nicht so überlastet, und man hatte in der Regel ziemlich schnell einen Bescheid“, blickt Tolba zurück.

Nun sollte man meinen, dass man sich als Forscher heute doch einfach auf die EU-Richtlinie und die 40-Tagesfrist berufen kann. An dieser Stelle lacht Tolba resigniert: „Dann müssten Sie Ihre Behörde vor dem Verwaltungsgericht wegen Untätigkeit verklagen, und dort würde es wahrscheinlich erstmal sechs Wochen dauern, bis Sie überhaupt die Eingangsbestätigung erhalten.“

Kann es also tatsächlich vorkommen, dass ein Paper scheitert, weil man im Review-Prozess nicht rechtzeitig Ergebnisse nachliefern kann? „Zumindest kenne ich Fälle, in denen Arbeitsgruppen solche Versuche dann über Kooperationen im Ausland durchgeführt haben“, verrät Tolba – unser Eingangsbeispiel scheint also nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Es sind aber nicht allein die Wartezeiten, durch die sich manch ein Wissenschaftler gegängelt fühlt. So war das Sezieren einer Maus im universitären Lehrbetrieb bis vor wenigen Jahren zwar anzeigepflichtig, fiel aber nach zwei Wochen unter die oben erwähnte Genehmigungsfiktion. Heute zählt solch eine Übung im Studentenpraktikum hingegen als genehmigungspflichtiger Tierversuch. „Man muss sogar namentlich angeben, wer der Lehrende ist und wer die Lernenden sind“, weiß Tolba. Die Universität kann also nicht „auf Vorrat“ ein gewisses Kontingent für Studentenpraktika genehmigen lassen, sondern muss immer genau die Anzahl der Tiere angeben und den Zweck rechtfertigen.

Tolba bestätigt auch, dass man im Rahmen einer laufenden Studie nicht einfach auf eine andere Knockout-Linie ausweichen darf. „Wenn Sie TIMP3-Knockout-Mäuse beantragen, dann dürfen Sie auch nur TIMP3-Knockout-Mäuse verwenden.“ Dann berichtet Tolba noch von Bearbeitungsgebühren, die die nordrhein-westfälische Landesregierung für Tierversuchsanträge plant. „Demnächst kostet die Bearbeitung eines Tierversuchsantrags hier 500 bis 4.800 Euro; das ist natürlich auch eine Möglichkeit, Tierversuche zu reduzieren.“

Wettbewerbsnachteil inklusive

Dadurch geraten die Unis und Forschergruppen finanziell noch mehr unter Druck. Pharma- und Biotechfirmen werden Tierversuche dann wohl mehr und mehr ins Ausland verlagern. „Das passiert schon lange und häufig“, meint Tolba hierzu und stellt klar: „Ich bin ein Verfechter davon, dass man nur so viele Tierversuche macht, wie zwingend notwendig; und dass man die besten Bedingungen für die Tiere schafft“. Doch die bürokratische Umsetzung der Tierschutzrichtlinie führe eher zum Gegenteil, wenn Forscher deswegen gezielt Länder mit geringeren Standards aufsuchen, um wissenschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben.

Dass in den Paragraph-15-Kommissionen auch Vertreter sitzen, die von Tierschutzorganisation benannt worden sind, sieht Tolba hingegen nicht als Problem. „Ich weiß zwar auch von einigen Tierrechtlern in diesen Kommissionen, die grundsätzlich immer dagegen stimmen“, räumt er ein. Ebenso kenne er aber auch Tierschutzvertreter, die sich sehr gewissenhaft in das Thema einarbeiten.

„Uns Forschern schadet es doch nicht, auch mal andere Blickwinkel präsentiert zu bekommen“, verteidigt er die Zusammenstellung der Kommissionen. „In vielen Punkten liegen Wissenschaftler und Tierschützer gar nicht so weit auseinander“, ist Tolba sicher und bedauert medial überzogene Aufbereitungen solcher Debatten. „Da werden immer zwei Fronten aufgebaut; Leute, die vernünftig über das Thema diskutieren, machen leider nicht die Quote.“ Demnach sind in Paragraph-15-Kommissionen zwar unterschiedliche Meinungen repräsentiert, offenbar werden diese jedoch in vielen Fällen konstruktiv gegeneinander abgewogen.

In gewissen Fällen muss aber auch schon mal der Antragsteller selbst erscheinen und Rede und Antwort stehen. Verständlich, dass solche Termine bei Forschern meist unbeliebt sind. Tolba findet aber, dass sich Wissenschaftler durchaus mehr Gedanken darüber machen sollten, wie sie ihre Arbeit nach außen kommunizieren.

Antreten zum Ethikkurs

Allerdings gibt es für Personen, die mit Tierversuchen betraut sind, noch weitere Pflichttermine. Die EU-Richtlinie sieht nämlich regelmäßige Fortbildungskurse vor, die man absolvieren muss. Auf der Rednerliste einer solchen tierexperimentellen Fortbildung stand beispielsweise der Fachtierarzt Jörg Luy vom Privaten Forschungs- und Beratungsinstitut für angewandte Ethik und Tierschutz INSTET in Berlin. Seit über zehn Jahren halte er solche Vorträge, berichtet er uns. „Es geht vor allem darum, den Forschern einen Zugang zu den ethisch-juristischen Dimensionen von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu schaffen“ so Luy. „Genau die Kriterien, an denen die Behörden jeden Tierversuchsantrag messen“. Er verweist auf ein eigenes Paper zum Thema, das sich solchen ethischen Fragen zur Verhältnismäßigkeit von Tierversuchen widmet (ALTEX Proceedings 4(1): 16-23).

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Bleibt die Frage: Kennen auch die Mäuse ihre Rechte? Foto: Fotolia / julien tromeur

Brauchen Naturwissenschaftler tatsächlich Ethikkurse? Genügt es nicht, wenn man sich an die Gesetze hält? Tolba widerspricht und betont, dass er diese Fortbildungen für sinnvoll hält: „Für diese Regelung muss ich doch mal eine Lanze brechen“, stellt er klar. „Die Idee dahinter ist, dass alle an Tierversuchen beteiligten Personen sich weiterbilden – vom Tierpfleger bis zum Professor.“ Dazu gehöre auch die Ethik. Diesen Blick über den Tellerrand begrüßt Tolba. „Weiterbildung hat noch niemandem geschadet“, sagt er. Derzeit gehe es gerade mal um acht Stunden pro Jahr; zudem sollen die Fortbildungen laut Tolba auch sicherstellen, dass die Community bei Analgesie und Anästhesie auf einem gemeinsamen Wissensstand bleibt.

Nicht das Was ist das Problem, sondern das Wie

Auch Heinz Brandstetter, Fachtierarzt für Tierschutz und Versuchstierkunde, kennt die Genehmigungsverfahren in Deutschland sehr genau. „Uns stört nicht das Was, sondern das Wie“, sagt er in seiner Funktion als Beiratsmitglied des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO) über die Umsetzung der EU-Richtlinie. „Seit den Änderungen von 2013 mischen sich die Behörden mehr und mehr in Details der eigentlichen Versuchsplanung ein, wozu ihnen eigentlich die Expertise fehlt“, kritisiert Brandstetter. „Die Behörde soll prüfen, ob die Vorraussetzungen so erfüllt sind, wie sie im Tierschutzgesetz gefordert werden“, sagt er. „Was sie teilweise aber auch hinterfragt, sind die Standardhaltungsbedingungen“. Die seien aber gar nicht Teil dieses Genehmigungsverfahrens. „Damit ich überhaupt Versuchstiere halten und Tierversuche beantragen darf, muss ich mir zuvor ohnehin schon eine entsprechende Erlaubnis nach Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes einholen.“

Eine weitere Sache, die der VBIO mit Sorge sieht, betrifft den Sachkunde-Nachweis für die Betäubung von Versuchstieren. „Biologie-Laboranten lernen das in ihrer Ausbildung, nicht aber Biologisch-Technische und Medizinisch-Technische Assistenten“, weiß Brandstetter. „Es gibt zumindest einzelne Genehmigungsbehörden, die sagen, dass Betäubung nicht nachgelernt werden darf; das finde ich für eine Wissenschafts- und Bildungsnation schwer nachvollziehbar.“

Ungleiches Maß beim Tierschutz

Nun wollten wir auch von anderen Forschern hören, ob sie sich durch das deutsche Regelwerk rund um die Tierversuche gebremst fühlen – und wurden positiv überrascht. Aus Niedersachsen und München schreiben uns zwei Wissenschaftler, dass sie nicht über die Zusammenarbeit mit ihren Behörden klagen können. Ebenso berichtet Diethard Tautz vom MPI für Evolutionsbiologie aus Plön, dass es bislang keine Probleme mit den Anträgen gebe, auch wenn die Stapel an Papier pro Versuch seit Inkrafttreten des neuen Tierschutzgesetzes größer geworden seien. Tautz’ Arbeitsgruppe untersucht die Populationsgenetik von Mäusen und fängt auch Tiere aus dem Freiland – was noch mehr Papier erfordert. „Dabei geht es dann auch um Umweltschutz, wofür wieder eine andere Behörde zuständig ist.“

Bei letzterem Punkt wundert sich Tautz allerdings, dass Wissenschaftler hierzu Anträge schreiben müssen, während zu Hause jeder Mausefallen aufstellen darf und Hausbesitzer sogar zum Nagertöten verpflichtet werden können – wie in der „Verordnung zur Rattenbekämpfung im Lande Niedersachsen“. Oder dass in der Wissenschaft schmerzhafte Experimente zu vermeiden sind, während das Tierschutzgesetz Landwirten das Kastrieren von jungen Rindern, Schafen und Ziegen ohne Betäubung erlaubt. „Da wird in großem Maßstab Tierquälerei betrieben, aber der Gesetzgeber schaut nach wie vor weg“, schüttelt Tautz den Kopf. Wissenswert auch, dass die hier erwähnten Regelungen zu Tierversuchen nicht nur für Säuger, sondern für alle Wirbeltiere wie auch für Kopffüßer gelten. Trotzdem darf der Angler Fische mit dem Angelhaken verletzen, während der Zebrafisch-Forscher für Verhaltensexperimente erst Anträge schreiben muss. Der Tierschutz misst also in vielen Fällen mit zweierlei Maß.

Eine weitere Sache, die Tautz momentan umtreibt, ist die Alarmanlage im Tierhaus. „Da beißen sich Vorschriften gegenseitig“, erzählt er. Die Brandschutz-Regelungen verlangen nämlich, dass diese Anlage regelmäßig getestet wird, was für die Mäuse eine Stunde lang Stress bei hohem Schalldruck bedeutet. „Dabei sind letzten Herbst viele Jungtiere gestorben, da ist der Tierschutz dann plötzlich gar nicht mehr wichtig“, ärgert sich Tautz. „Ich werde das sicher nicht noch mal tolerieren, dass wir hier eine Zucht verlieren, nur weil jemand behauptet, er müsse eine Stunde lang die Sirenen anschalten.“

Ziel der Harmonisierung nicht erreicht

Geht man dem Thema Tierschutz bei Tierversuchen auf den Grund, stößt man also auf so manche bürokratische Kuriosität. Umgekehrt scheint hierzulande aber auch nicht alles schlecht zu laufen. Vielmehr kommt es darauf an, in welchem Bundesland oder auch in welchem Regierungsbezirk man forscht. Genau darin liegt aber eine weitere Absurdität, wie es Heinz Brandstetter auf den Punkt bringt: „Ziel war eine Harmonisierung der Tierschutzstandards innerhalb der EU. Wenn man sich das hierzulande anschaut, sieht man aber, dass das nicht mal innerhalb Deutschlands klappt.“