Für den Alltag, so klären die 37 Seiten Ausführungsbestimmungen auf, genügt die so genannte „Hausfarbe”: „Die Hausfarbe Blau der Universität [...] steht für den Aspekt der Qualität und trägt den Dachmarken-Charakter.” Dachmarke? Die Uni zupft an allen Registern, neben der Menschlichkeit werden auch die ästhetischen Sinne beackert: „Den Fakultäten ist jeweils eine weitere Schmuckfarbe zugeordnet. Diese farbliche Kennzeichnung schafft Orientierung, Klarheit und eine visuelle Zuordnung.”
Menschliche Rasterwerte
Diese 37 Seiten Vorschriften sind erst der „Mini-Styleguide”, eine extrem komprimierte Fassung des Styleguides, zu dem es auch noch eine Maxi-Version gibt. Das ist gut, denn mit der hochverdichteten Mini-Styleguide-Version zu „Das Logo” von lediglich acht Seiten kommt man nicht weit. Hoffentlich liegen bald die Volllängenversionen des „Mini-Styleguides” vor!
Soviel Auftritt unter einem gemeinsamen Dach, soviel menschliche Farben und dezente Rasterwerte verkraftet man nicht auf einen Schlag, das sehen auch die Verantwortlichen der Universität ein. Daher wird die „schrittweise Anpassung der Kommunikationsmedien” in drei Phasen gegliedert, nämlich „die Bürokommunikation, die wissenschaftliche und werbliche Kommunikation sowie der Internetauftritt.”
Diese komplexen Vorgänge werden erleichtert durch Bereitstellung von Briefpapier in zwei Varianten: zweifarbig vorgedruckte Briefbögen mit farbigem Logo zum Einlegen in ihren Arbeitsplatzdrucker – bei dieser Variante enthält die elektronische Dokumentvorlage kein Logo –, sowie die Schwarz-Weiß-Version mit Logo als elektronische Word-Vorlage.
Ich kann nur hoffen, dass die elektronische Vorlage weniger als ein MB umfasst und nicht den Computer vollmüllt. Richtig spannend wird die dritte Phase, die nämlich „umfasst die komplette Überarbeitung des Internetauftritts der Universität unter Einsatz eines Content Management Systems (CMS)”. Aha, eine Inhalt-Ordnen-Methode. Gut, dass diese so klar erklärt ist, denn die Abkürzung kannte ich bisher aus der Biologie als Cytoplasmic Male Sterility (CMS).
Keine Corps-Identität
Apropos Begriffe und Bedeutungen: der Versuch, aus der Wirtschaft die „Corporate Identity” an die Uni zu übertragen, darf nicht unter diesem Namen stattfinden. Nicht jeder an der Uni möchte so einfach zu den „Korporierten” gezählt werden – die Begriffe Corps und Korporation sind an den Universitäten seit weit mehr als einem Jahrhundert mit diverser Couleur besetzt. Nun ja...
Eine Zusammenfassung der Zusammenfassung findet sich unter „Aktuelles” und umfasst immerhin nur drei Seiten. Das Problem mit der Hauptzusammenfassungsseite zum „Corporate Design” ist der Ausdruck am „Arbeitsplatzdrucker”: da kommen aus meinem alten Maschinchen fast leere Seiten, in denen nur im Zentrum 5 cm breite Balken mit Textteilen erscheinen, die wichtigen Grau-Schattierungen der „Akzentfarben” sind irgendwie abgeschnitten.
Sieht so die Vorlage ohne Logo aus? Immerhin lässt sich die 37-seitige Mini-Anleitung zu Farbkonzept und Logo und‑so-weiter vernünftig ausdrucken, das ist schon mal etwas. Verstehen tue ich das deshalb noch lange nicht alles, aber immerhin mal ein Fetzchen hier, mal ein Sätzchen da.
So ist gut verständlich erläutert: „Zur Kennzeichnung der Fakultäten wurden, ergänzend zur Hausfarbe Blau, vier Schmuckfarben festgelegt: Orange – Naturwissenschaften, Rot – Ingenieurwissenschaften, Grün – Mathematik/Wirtschaftswissenschaften, Blau – Medizin.” Die Mediziner werden sich freuen, wenn ihre Schmuckfarbe Blau mit der Hausfarbe Blau zu einem „einheitlichen, unverwechselbaren Erscheinungsbild” verschmilzt. Damit alles auch richtig einheitlich wird, gibt es noch Seitenweise diverse Richtlinien und Vorschriften zu allem Möglichen, so zur „Typographie”: „Das Erscheinungsbild der Universität [...] wird auch mit der durchgängigen Anwendung von Schrift geprägt. Die Auswahl zwischen Satz und Systemschrift wird in Abhängigkeit der gewählten Medien und deren Umsetzung getroffen.”
Oder das Verbot von handschriftlichen Notizen oder Grüßen an Kollegen in Lehre, Forschung und Verwaltung: „Interne und digitale Anwendungen (z.B. Bürokommunikation, PowerPoint-Präsentation usw.) werden in der Systemschrift Arial erstellt.”
Oder die vorgedruckte Kurzmitteilung, auf der man ankreuzen kann, ob man „mit Dank zurück” schickt oder ob man einen „Kurztext auf der Rückseite” verfasst hat, in dem man zum Beispiel etwas mit Dank in Arial zurücksendet.
Das Logo
Und dann gibt es noch das Logo als solches und an sich, um das sich Gerüchte wie Elektronenschalen ranken. Man munkelt, dass ein Designerladen für mehrere Tausend Euros beauftragt wurde, dass dessen Vorschlag missfiel und dann nach Anleitung der Verantwortlichen neu gestaltet wurde, falsch: gestylt wurde. Man fragt sich allenthalben, warum dann das Geld überhaupt für Grafiker statt für Studenten oder Forscher ausgegeben wurde.
Und logisch ist das neue Logo nun wirklich nicht: voll redundant würde der Student sagen. In dem Logo steht nämlich: ulm university (wegen der Internationalität, und dann nochmal für der deutschen Sprache Mächtige:) universität uulm; und in dem nebenliegenden Emblem der Uni steht noch mal: Universität Ulm.
Wahrscheinlich geht man davon aus, dass, wer sich für diese Uni interessiert, einen derartigen Wiederholungseffekt benötigt, um sich auch am nächsten Morgen noch an diese Uni zu erinnern. Und dass, wer sich aus dem Ausland bewirbt, das Wort „Universität XY” nicht versteht, sondern sich weiß der Geier was drunter vorstellt. So wie auch nur ein Schelm auf die Idee käme, hinter „Universiteit Amsterdam” oder „Stockholms Universitet” eine University zu vermuten...besser, man geht auf Nummer sicher und erreicht in dieser unserer globalen Gesellschaft auch die weniger in Fremdsprachen gebildeten Menschen als potentielle Mitglieder (oder Milde-Gaben-Spender) der Hohen Schule.
Sie sehen, ich habe mir wirklich Mühe gegeben und Stunden in das Studium der CD (Corporate Design)-Anleitungen investiert: aber irgendwie bin ich nicht in der Lage, so komplex zu denken und nur völlig durcheinander. Allein der „Mini-Styleguide (PDF)” von 37 Seiten überfordert mich leider vollständig...
Wahrscheinlich bin ich einfach unfähig: Verblüfft sehe ich die Farben und ihre Bezeichnungen – offensichtlich bin ich farbenblind und habe es bisher nur nicht bemerkt: Die „Akzentfarbe Beige” sehe ich eindeutig als Grau, als ein „frisches Steingrau” (Loriot, „Ödipussi”).
Der Duden definiert „beige” als „sandfarben” – und „sandfarben” erscheint mir die „Schmuckfarbe Orange” der Naturwissenschaften. Na ja, vielleicht ist die doch mehr Orange als Ocker, kann schon sein. Aber wenn das stimmt, ist das „Beige” der „Akzentfarbe” (definiert als „Pantone 7536 C” oder „sRGB 169-162-141”) dann doch Mausgrau? Zumindest für mich, als sichtlich nicht oder vielleicht doch Farbenblinden ...?
Frisches Selbstbewusstsein
Jetzt aber Schluss mit den Zweifeln und den negativen Gedanken! Höchste Zeit, sich über die eigene Unfähigkeit und Frustration zu erheben – und die Uni im Dorf zu lassen. Es ist Weihnachtszeit – da sollte man nicht in blöder Meckerei stecken bleiben, sondern lieber zugeben: das neue Corporate Design ist eine schöne Einstimmung auf die Zeit der Freude und des Mitleids!
Und es hat schon jetzt so viel Gutes für so viele Menschen bewirkt, hat vielen Menschen eine Aufgabe gegeben, eine Gelegenheit, ihre Kreativität auszuleben und damit einen neuen Sinn der Arbeit und des Lebens – vielen, vielen Menschen, die sich schöne Gedanken gemacht haben! Beschauliche Gedanken zur „Vermittlung des universitären Selbstbildes nach außen: Selbstbewusstsein, Frische, Dynamik, Innovation, Menschlichkeit”. Und wir können jeder für sich in einer stillen Stunde erhebende Glücksmomente erleben, wenn wir meinen, tatsächlich etwas verstanden zu haben. Es lebe Beige, die Farbe der Menschlichkeit!
PS: Ehrlich: Im Prinzip ist ein neues Logo wirklich eine gute Idee, kann ein richtiger Schritt zu einer pfiffigen CI (Corporate Identity) sein! Solange die gute Sache nicht aus dem Ruder läuft – wie mir diese Glosse.