Editorial

Fast geschenkter
Pipettierroboter

(03.04.2024) Mit einer Mikroliterspritze, einem Standard-3D-Drucker sowie ein paar Kleinteilen aus dem Baumarkt lässt sich ein vielseitiger Pipettierroboter zusammenbasteln.
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Wenn der Kollegin fast die Augen zufallen, muss das weder an der Frühjahrsmüdigkeit noch einer durchgemachten Nacht liegen. Auch repetitive Handgriffe haben eine einschläfernde Wirkung, verlangen aber nichtsdestotrotz höchste Aufmerksamkeit. Schnell ist man bei einer 96-Well-Platte in der Zeile verrutscht, hat im 258. Probengefäß nur zehn statt 20 Mikroliter aufgezogen oder hat in zwei Wells – oder waren es drei? – den Puffer vertauscht. Das Pipettieren nie ermüdenden Robotern zu überlassen, um den eigenen Kopf für anspruchsvollere Denkaufgaben frei zu haben, kann sich aber nicht jedes Labor leisten – selbst kleine kommerzielle Pipettier­roboter kosten noch knapp 10.000 Euro. Open-Source-Geräte sind zwar deutlich günstiger. Oft sind sie aber nur auf die allernötigsten Funktionen beschränkt, oder auch schwer zu bedienen beziehungsweise zu programmieren.

Daniel Berrys Team an der Concordia University in Montreal war mit keinem der verfügbaren Open-Source-Liquid-Handler zufrieden. Die Forschenden konstruierten daher mithilfe eines 3D-Druckers sowie Bauteilen aus dem Heimwerkermarkt für knapp 1.000 Euro einen vielseitigen und einfach zu programmierenden Pipettier­roboter, den sie BioCloneBot nannten.

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Zentrale Spritzenpumpe

Die Hardware des BioCloneBots besteht aus einer in ein 3D-gedrucktes Gehäuse eingebauten kommerziellen Mikroliterspritze, die als Pumpe dient, einem Bewegungssystem, das die senkrecht montierte Spritzenpumpe entlang der x-, y- und z-Achsen manövriert, einer elektronischen Kontrolleinheit sowie einer Nutzeroberfläche für die Planung der Pipettierschritte und Eingabe der Befehle.

Die 50- oder 250-Mikroliterspritzenpumpe ist die zentrale Komponente des BioCloneBots. Der Spritzenausgang passt dank eines mit dem 3D-Drucker hergestellten Adapters auf 200-µl-Pipettenspitzen. Die Spritze arbeitet wie der Kolben einer klassischen Luftpolsterpipette und kommt nicht mit der Flüssigkeit in Kontakt. Über einen kurzen Schaft ist der Druckknopf des Spritzenkolbens mit einem Schrittmotor verbunden, der auf dem Kopf des Pumpengehäuses angebracht ist. Dreht sich der Schrittmotor, bewegt er den Spritzenkolben über eine Schraube auf- oder abwärts. Die kleinen Schrittwinkel des Motors ermöglichen ein mikrolitergenaues Pipettieren. Mit einem Federmechanismus werden die aufgesteckten Spitzen nach dem Pipettieren abgeworfen.

Die Gruppe montierte die Spritzenpumpe in das Achssystem eines günstigen, aber stabilen 3D-Druckers, der keine 300 Euro kostet, und nutzte auch den ursprünglichen Schrittmotor des 3D-Druckers in der Spritzenpumpe. Die Reichweite des Pipettier­roboters erstreckt sich über eine quadratische Arbeitsfläche, die aus neun gleich großen Teilen einfach zusammengesetzt wird. Auf der Fläche sind sechs regelmäßig angeordnete Felder abgesteckt, die jeweils genau der Größe einer Multi-Well-Platte (128 x 86 Millimeter) entsprechen. Auf den Feldern können Multi-Well-Platten, Racks für 4x6 5-ml-Tubes, Spitzenboxen sowie Abfallgefäße positioniert werden.

Kryptische Befehle

BioCloneBot kann Pipettenspitzen aufnehmen und abwerfen sowie Flüssigkeiten aufsaugen, entleeren oder mischen. Die Befehle erhält er im 4-Bit-Format. Auf den ersten Blick sehen diese etwas kryptisch aus, sie folgen aber einem klaren und einfachen System. Auch die Nutzeroberfläche ist nach den Angaben der kanadischen Gruppe intuitiv zu bedienen. Sie setzte den Pipettier­roboter für verschiedene molekularbiologische Experimenten ein, etwa Gibson-Assemblierung, Restriktionsverdrau und Golden-Gate-Klonierung, und war mit seiner Performance zufrieden.

Im Vergleich mit kommerziellen Systemen arbeitet der BioCloneBot aber in einem sehr gemütlichen Tempo. Allein für das Aufstecken und anschließende wieder Abwerfen von 96 Spitzen aus einer entsprechenden Spitzenbox benötigt er eineinhalb Stunden. Schneller als ein Mensch ist er also nicht – dafür macht er aber weniger Fehler und pipettiert, ohne zu murren, den lieben langen Tag vor sich hin.

Andrea Pitzschke

Wells, K. et al. (2024): BioCloneBot: A versatile, low-cost, and open-source automated liquid handler. HardwareX, 18:e00516.

Bild: Pixabay/tanrica





Letzte Änderungen: 03.04.2024